Brandkatastrophe in Mexiko: Die Zellen blieben verschlossen
Beim Brand in einem Internierungslager nahe der US-Grenze sterben 38 Migranten. Jetzt wird die Schuldfrage ermittelt.
„Ich habe den Eindruck, sie fanden es wichtiger, dass die Menschen eingesperrt bleiben, als die Türen zu öffnen“, sagte Tonatiuh Guillén López mit Blick auf die Beamten. Guillén López war vor fünf Jahren, zu Beginn der Amtszeit des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, selbst Leiter der INM und hatte sich für ein Konzept der „offenen Grenzen“ eingesetzt. Doch der tödliche Brand in der Einrichtung der Migrationsbehörde, bei dem zudem 29 Menschen verletzt wurden, ist eher das Ergebnis einer zunehmend restriktiveren Einwanderungspolitik der USA und Mexikos.
Ein Teil der verstorbenen Migranten war am Montag festgenommen worden, als sie in der Stadt Autofenster geputzt, Süßigkeiten verkauft oder um Geld gebettelt hatten. Andere waren von US-Behörden nach Mexiko gebracht worden, nachdem sie zuvor versucht hatten, die Grenze zu überwinden. Aus Protest gegen die geplante Abschiebung in ihre Herkunftsländer hatten die Migranten ein Feuer gelegt, das außer Kontrolle geriet.
„Sie haben an die Tür der Herberge Matratzen gelegt und angezündet“, sagte López Obrador am Dienstagmorgen. „Sie haben nicht damit gerechnet, dass das ein so furchtbares Unglück hervorrufen würde.“
Flucht vor Armut und Verfolgung
Doch wie Guillén López betonen auch Angehörige der Opfer, dass die Internierten nicht rechtzeitig aus ihren Zellen gelassen worden seien. Als in der Unterkunft immer mehr Rauch zu sehen gewesen sei, habe man die Frauen im Nachbartrakt herausgelassen, die Männer jedoch nicht, zitiert das Onlineportal „La Verdad Juárez“ die venezolanische Migrantin Vianey Infante, die ebenfalls in dem Lager war und auf die Freilassung ihres Mannes gewartet hatte, als das Feuer ausbrach.
Nun soll die Generalstaatsanwaltschaft ermitteln, wer für den Tod der Männer verantwortlich ist. Auch die Nationale Menschenrechtskommission wurde eingeschaltet.
Die Menschen, die sich auf der Flucht vor Armut und Verfolgung befanden, stammten aus Süd- und Mittelamerika. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kamen die insgesamt 68 inhaftierten Migranten aus Guatemala, Honduras, El Salvador und Venezuela.
Erika Guevara, die Sprecherin von Amnesty International Amerika, erklärte, das Feuer und seine Folgen seien das Resultat der US-Migrationspolitik „in Komplizenschaft“ mit den mexikanischen Behörden. Sie verwies auf den so genannten Titel 42, nach dem US-Behörden illegal einreisende Ausländer ausweisen können. Auch Asylsuchende sind davon betroffen.
2022 über 2,5 Millionen Festnahmen bei der Einreise
Die Regelung stammt aus der Regierungszeit des Ex-Präsidenten Donald Trump und wurde mit gesundheitspolitischen Gründen während der Pandemie gerechtfertigt. Trotz gegenteiliger Ankündigungen von Trumps Nachfolger Joe Biden ist die Regelung immer noch in Kraft. Sie ermöglicht eine sofortige Abschiebung auf die mexikanische Seite des Grenzflusses Rio Bravo. Auch einige der am Montag Verstorbenen landeten direkt nach ihrer Ausweisung aus den USA wegen des Titels 42 in dem Internierungslager der Migrationsbehörde.
Neben der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage in den Herkunftsländern ist der Titel 42 ein wichtiger Grund dafür, dass sich immer mehr Migrant*innen und Flüchtlinge in den mexikanischen Grenzregionen ansammeln. US-Grenzschutzbehörden zufolge wurden im 2022 über 2,5 Millionen Menschen bei den Versuch festgenommen, illegal in die Vereinigten Staaten einzureisen. Eine Rekordzahl. Nach ihrer Rückführung nach Mexiko müssen sie unter gefährlichen und prekären Bedingungen ums Überleben kämpfen oder werden in ihr Herkunftsland abgeschoben.
Die bischöfliche Einrichtung „Pastoral de Mobilidad Humana“, die unter anderem Herbergen für Migrant*innen betreibt, hat vergangene Woche das Vorgehen von Sicherheitskräften in Ciudad Juárez gegen die Menschen auf der Flucht scharf kritisiert und Schutzmaßnahmen gefordert. Zuvor waren Polizisten in die Kathedrale der Stadt eingedrungen, um Migrant*innen festzunehmen.
Dem Bürgermeister der Grenzstadt, Cruz Pérez Cuéllar, wirft die Pastorale vor, die Schutzsuchenden sowie Aktivist*innen zu diskriminieren, zu stigmatisieren und zu kriminalisieren. Als am 13. März Migrant*innen eine Brücke blockierten, um ihrer Forderung nach einer Einreise in die USA Nachdruck zu verleihen, hatte Pérez Cuellar deutlich gedroht: „Unsere Geduld ist am Ende.“
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