Brandanschlag in Mecklenburg-Vorpommern: Es schwelt weiter

Nach dem Brand einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete werden Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Esken kritisiert Merz.

Der Dachstuhl eines Fachwerkhauses ist abgebrannt, am Boden noch ein schwelendes Feuer

Letzte offene Feuer brennen in der Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Jens Büttner/dpa

BERLIN taz | Nach der mutmaßlichen Brandstiftung an einer Unterkunft für geflüchtete Ukrai­ne­r:in­nen in Groß Strömkendorf bei Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) hat der Landkreis einen verstärkten Schutz der Asylunterkünfte in der Region angeordnet. Im Verbund der Polizei seien „verstärkte Sicherheitsmaßnahmen“ veranlasst worden, teilte der Landkreis mit.

Die Ermittlungen zu dem Brand dauerten am Freitag an. Polizeikräfte untersuchten den Brandort und befragten Zeu­g:in­nen. Am Mittwochabend war am Reetdach der Unterkunft in Groß Strömkendorf, das frühere Hotel „Schäfereck“, ein Brand ausgebrochen. Trotz Löschversuchen brannte das Gebäude fast komplett ab. Die 14 Ukrainer:innen, darunter ein 1- und ein 10-jähriges Kind, und drei Betreuer, die zur Tatzeit im Haus waren, konnten körperlich unverletzt flüchten.

Die Polizei geht von Brandstiftung und einem politischen Motiv aus, der Staatsschutz ermittelt. Wenige Tage vor dem Brand war auf dem Eingangsschild des Hauses das Logo des Deutschen Roten Kreuz, das die Unterkunft betreut, als Hakenkreuz verunstaltet worden. Noch am Mittwoch, vor dem Brand, fand deshalb eine Inspektion der Polizei und Ordnungsbehörde des Landkreises vor Ort statt.

Ungeklärte Brandserie im Landkreis

Die Polizei prüft allerdings auch andere Tatmotive, darunter einen Zusammenhang mit einer seit Monaten laufenden, ungeklärten Brandserie in der Region. Laut Landkreis kam es zuletzt zu mindestens sechs Brandstiftungen. Betroffen waren ein Carport, eine Strohmiete und erst am 7. Oktober ein leerstehendes Haus.

Die betroffenen Ukrai­ne­r:in­nen sind vorerst in einer anderen Unterkunft des Landkreises untergebracht. Einige von ihnen sollen danach in Wohnungen umziehen, die man inzwischen akquiriert habe, so der Landkreis. Auch Sozialdienste boten den Betroffenen Unterstützung an.

Der Unterkunftsleiter Andrej Bondartschuk und Landrat Tino Schomann (CDU) hatte betont, dass auch zuvor die ukrainischen Geflüchteten im Ort sehr unterstützt wurde. Umso mehr erschüttere der Brand. Just noch diese Woche sollte eigentlich ein Spielplatz vor der Unterkunft eingeweiht werden, der maßgeblich von Spendengeldern finanziert wurde. Schomann warnte deshalb auch vor einer rechten Stigmatisierung der Region.

Esken attackiert Merz

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken warf derweil CDU-Chef Friedrich Merz indirekt eine Mitverantwortung für die Tat vor. „Die Einlassungen der letzten Zeit zur Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland sind verantwortungslos – und sie bereiten den Boden nicht nur für gesellschaftliche Spaltung, sondern letztlich auch für solch kriminelle Taten“, sagte Esken der Rheinischen Post. Merz hatte ukrainischen Geflüchteten „Sozialtourismus“ unterstellt – und sich dafür danach halbherzig entschuldigt. „Wer Kriegsflüchtlinge fern aller Fakten als Sozialtouristen verleumdet, muss sich fragen lassen, welchen Anteil er hat an Hass und Hetze, die später in Gewalt mündet“, erklärte Esken. CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler nannte den Vorwurf „eine ungeheuerliche Entgleisung und bodenlose Unverschämtheit“ und forderte von Esken eine Entschuldigung.

Bereits am Donnerstagabend waren Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Bundesintegrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) nach Groß Strömkendorf gereist. Der Brand sei ein „furchtbares Ereignis“, erklärte dort Faeser. Menschen, die gerade erst aus der Ukraine vor dem Angriffskrieg Putins geflohen seien, wurden nun „wieder an Leib und Leben bedroht“. Sollte sich bewahrheiten, dass es ein Brandanschlag war, werde der Rechtsstaat „hart durchgreifen“, so Faeser. „Es ist wichtig, dass so etwas nicht geduldet wird, von keinem von uns.“ Auch Alabali-Radovan nannte einen möglichen Brandanschlag nicht hinnehmbar. Der Schutz ukrainischer Geflüchteter „muss für uns eine hohe Priorität haben“.

Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern hatte von einer „sehr schlechten Stimmung“ gegenüber Geflüchteten im Land schon vor dem Brand gesprochen. Politik und Verwaltung hätten zunehmend einen „hohen Migrationsdruck“ beklagt, Geflüchteten hätten anonym oder offen Hassbotschaften erhalten. Auch die Initiative warnte deshalb vor „geistiger Brandstiftung“.

Die Grünen, Linke und die Opferberatung Lobbi riefen für Freitagnachmittag zu einer Mahnwache auf dem Wismarer Marktplatz auf. „Gegen die gesellschaftliche Kälte – Solidarität mit Geflüchteten auch in Krisenzeiten“, heißt es in einem Aufruf. Auch die Integrationsbeauftragte des Landes, Jana Michael, rief dazu auf. „Ich bin überzeugt, dass viele Menschen in Nordwestmecklenburg und im ganzen Land Hass und Hetze entschieden entgegentreten“, erklärte sie.

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