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Brand im AKW SaporischschjaDas Atomkraftwerk-Schattenboxen

Gastkommentar von Harald Ebner

Der Brand im AKW Saporischschja sollte unabhängig aufgeklärt werden. Die Lehre daraus ist allerdings schon klar: der Ausbau erneuerbarer Alternativen.

Das Atomkraftwerk Saporischschja im Oktober 2024 liegt im Kriegsgebiet und ist damit besonders gefährdet Foto: Pavel Lisitsyn/imago

W enn der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) von Glück spricht, muss uns das zu denken geben. Wöchentlich warnt seine Behörde seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs vor dem Gefahrenpotenzial von Atomkraftwerken im Kriegsgebiet. Bislang stoßen alle Forderungen zur Verbesserung der ­Sicherheitslage allerdings auf taube Ohren.

Seit dem 24. Februar 2022 wurden auch atomare Tabus gebrochen und Grenzen verschoben: Atomkraftwerke wurden zu Instrumenten der Kriegsführung, und selbst unverzichtbare Infrastruktur zu deren Kühlung wie der Kachowka-Staudamm ist vor gezielter Zerstörung nicht sicher. Russland hält das AKW Saporischschja besetzt. Kriegshandlungen finden in dessen unmittelbarer Nähe statt.

Alle sechs Reaktoren der Anlage sind mittlerweile heruntergefahren. Aber eine Nuklearanlage mit spaltbarem Material ist auch heruntergefahren und selbst in Friedenszeiten kein Ort, mit dem Spielchen gespielt werden dürfen, auch nicht, um Botschaften bzw. Drohungen an die Welt auszusenden.

Die Rauchentwicklung im Kühlturm muss unverzüglich aufgeklärt werden. Dazu braucht die IAEO jetzt uneingeschränkten Zugang zur Anlage. Atomkraftwerke dürfen nicht zum explosiven Spielball im Krieg werden. Nicht in der Ukraine und auch nirgendwo sonst.

Harald Ebner

ist Abgeordneter im Bundestag und dort Vorsitzender im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Er ist der Atompolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen.

Hierzu müssen alle Akteure ihrer Verantwortung nachkommen. Neben internationaler Kontrolle von Atomkraftwerken bedeutet das auch, den Ausbaupfad der erneuerbaren Energien konsequent weiterzugehen und den Anteil des Atomstroms weltweit weiter zu senken.

Dass sich die IAEO mit ein paar Staaten aller sicherheitspolitischer Vernunft zum Trotz einen Ausbau von Atomenergie wünscht, ist angesichts der Warnungen aus der Ukraine an Hybris nicht zu überbieten. Gerade die Idee der Mini-AKWs würde das Sicherheitsrisiko an viel mehr Orte der Welt tragen. Wer soll das noch überwachen und schützen?

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18 Kommentare

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  • In diesem Fall ist die Nähe zum Feind eine Schutzfunktion. Wenn diese Nähe fehlt und es auch keine befreundete Nation in der Umgebung gibt, dann sieht das schon wieder anders aus.

    Ich bin immer noch der Ansicht, dass der Schaden wenn eine solche Anlage beschädigt wird den Nutzen überwiegt, gerade dann wenn die Naturkatastrophen immer mehr werden. In jedem Fall dürfen die Kosten die zukünftige Generationen mit den Dingern haben, so oder so, auch nicht unterschätzt werden.

  • Wenn der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde von Glück spricht, ist das ein echtes Alarmsignal. Atomkraftwerke in einem Kriegsgebiet wie in der Ukraine als Druckmittel einzusetzen, ist extrem gefährlich und unverantwortlich. Es darf nicht sein, dass solche Anlagen zum Spielball in einem Konflikt werden. Die IAEO braucht sofortigen Zugang zum AKW Saporischschja, um Schlimmeres zu verhindern. Anstatt weiter auf Atomenergie zu setzen, sollten wir dringend den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. So können wir das Risiko minimieren, dass solche Situationen überhaupt entstehen.

  • Das AKW Saporischschja liegt im russisch besetzten Teil der Ukraine. Weder Russen noch Ukrainer haben ein Interesse dran, dass das Kraftwerk Schaden nimmt. Denn wer weiß schon, aus welche Richtung der Wind weht. Kühltürme enthalten kaum etwas, das brennt wie ein paar LKW-Ladungen Reifen. Was macht man also, wenn man die russischen Interessen vertritt und weiß, wie schnell die Deutschen die Hosen voll haben? Genau, man schafft ein paar LKW-Ladungen Reifen in den Kühlturm und zündet sie an. Technisch unproblematisch, das die Reaktoren abgeschaltet sind und beide Kühltürme sicher nicht notwendig sind um die Restwärme abzutransportieren. "German Angst" funktioniert zuverlässig und auch die TAZ springt darauf an - na herzlichen Glückwunsch.

    • @Nachtsonne:

      Denke auch es waren Reifen.



      Billig (Abfall). Effizient (qualmt schö, weit sichtbar). Presse berichtet.



      Propaganda job done.

    • @Nachtsonne:

      Das mit den Reifen bzw. irgendwelchen brennbaren Abfall der viel Rauch macht, damit könnten sie Recht haben. Und natürlich mit der „German Angst“

  • Deutschland braucht, ohne Atomkraft, 400 g CO^2 zur Erzeugung von einer Kilowattstunde.

    Frankreich, mit Atomkraft, nur 37g.

    In puncto Klimaschutz ist damit alles über Atomkraft und Atomausstieg gesagt.

    • @Frauke Z:

      Wieso?



      Die Atomkraft muss durchproduzieren, ist teuer und bindet Ressourcen. Erneuerbare sind flexibel und haben quasi null CO2.



      Die Franzosen wären froh, wenn sie schon auf unserem Stand wären.

      Und ja, als nächstes muss Fossilverbrennung weg, bei Heizung, Strom, Verkehr. Der Weg dahin führt über Erneuerbare, Effizienz und Einsparen.

      • @Janix:

        Ich habe schon ein kleines Windrad angepflanzt. Jetzt fleissig giessen, und in ein paar jahren ist es dann gross und macht ganz viel Strom.

      • @Janix:

        // Erneuerbare sind flexibel und haben quasi null CO2. //

        Schon wieder der Vergleich des „Flatterstromes“ mit richtigen 24/7 Kraftwerken.

        Und Effizienz und Einsparung wäre zwar gut, aber der Stromverbrauch wird Expertenmeinung (z.B. Agora Energiewende) in den nächsten Jahren um 25-50% ansteigen, trotz Einsparungen.

  • Es gibt mehrere Resolutionen des IAEA (zuletzt vom März 2024), dass die Sicherheit des AKW nur gewährleistet ist, wenn die Russen militärisches Personal und Gerät aus dem AKW abziehen und es komplett in die Verwaltung der ukrainischen Energiebehörde zurückgeben. Seit gut einem Monat gibt es eine entsprechende, mit großer Mehrheit verabschiedete UNO-Resolution.



    Wie man deren Umsetzung durchsetzt, darüber sollte man reden, und nicht auf jede Provokation der Russen anspringen wie ein Pawlowscher Hund. Das Feuer konnte man von weitem sehen, dafür braucht keine Expertenkommission des IAEO anreisen (was auch mit großen Risiken verbunden ist). Ob die Russen das Feuerchen jetzt aus Müll, Altöl oder Altreifen entfacht haben, ist doch (auch unter Sicherheitsaspekten) egal.

  • Die Grünen waren über die gesamte Zeit der Atomdebatte noch nie ehrlich zum Wähler! Damit sollte man erst einmal beginnen. Jeder einzelne politische Ansatz aus dieser Partei zu dem Thema ist im wesentlichen Ideologie- und nicht Faktenbasiert. Es wird mit Gefühlen Politik gemacht und es wird sich echauffiert, wenn es andere bei anderen Themen ebenfalls tun.

    Wäre es anders, dann würde der Reaktortyp kritisiert und nicht die Technik ganz generell.

    Die Erneuerbaren allein haben kein Potential den Energiebedarf der Menschheit zu decken und die haben kein Potential für zivilisatorischen Fortschritt.

    Zum Glück hat mit der nächsten Wahl der Spuk absehbar auf mindestens ein Jahrzehnt ein Ende.

    • @insLot:

      Es gibt noch keinerlei Erfahrungen mit Reaktortypen, die in einer Situation wie jetzt in Saporischschia kein zusätzliches Risiko darstellen würden.



      In der Forderung nach Atomenergie stellt man eine sicher funktionierende Technik in Konkurrenz mit einer Blaupause.



      Es ist eine Wette, ob die neuen Reaktoren wirklich so sicher sind, wie die Entwickler sich das vorstellen.

      • @Herma Huhn:

        Äh, die Reaktoren in der Ukraine sind abgestellt. Neue Reaktoren werden so ausgelegt, dass die Restwärme keine weiteren Kühlmaßnahmen erfordert. Das ist so grundlegend, welche Erfahrung fehlt Ihnen an der Stelle?

  • Das einzig Gute am Ukrainekrieg ist, dass die Atomdebatte endlich geerdet wird. Das entscheidende Argument gegen Atomkraft ist eben nicht der Müll und in Deutschland ganz bestimmt nicht Fukushima, sondern Krieg und Terrorismus. Jedes Atomkraftwerk ist eine schmutzige Bombe, an die Al-Queida und Kollegen vergessen haben, einen Zünder zu kleben.

    • @Kurt Kraus:

      Das gleiche lässt sich auch von jedem Rückhaltebecken in der Minenindustrie sagen. So wie Krieg generell eine unglaubliche Katastrophe für die Umwelt ist.

      • @insLot:

        Sie wollen doch wohl nicht ernsthaft radioaktiven Fallout mit irgendetwas anderem vergleichen.

        • @Kurt Kraus:

          Eine chemisch verseuchte Umgebung ist nicht minder schlimm und da hilft ihnen kein Geigerzähler!

  • Ja! Wie kann man schon einer IAEO als sicherheitstechnischer Kontrollinstanz trauen und wie soll sie ihrem heiklen Auftrag gerecht werden, wenn sie gleichzeitig wirtschaftliche und energiepolitische Lobby des Einsatzes der riskanten Technologie ist, die sie kontrollieren soll?