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Boykott von Ungarns RatspräsidentschaftAffront im Rahmen des Möglichen

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Mit dem Boykott der Ratspräsidentschaft reagiert die EU besonnen auf Orbáns „Friedensmission“. Jetzt liegt es an den EU-Staaten, Geschlossenheit zu zeigen.

Orbáns Ratspräsidentschaft soll vom Rest der EU boykottiert werden Foto: Georges Schneider/photonews/imago

D er Mini-Boykott, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gegen die ungarische Ratspräsidentschaft angeleiert hat, ist bemerkenswert. Wollte doch Ungarns Regierungschef Viktor Orbán einen echten Coup landen, indem er gleich an Tag eins des sechs Monate andauernden rotierenden Amtes nach Kyjiw reiste, dann weiter nach Moskau und Peking. Zwischendurch erfolgte die Ausladung der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Und zum krönenden Abschluss ein Besuch bei US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump im Anschluss an den Nato-Gipfel.

Die EU-Spitzen waren sichtlich bemüht, klarzustellen, dass Orbán nicht im Auftrag der EU in seiner sogenannten Friedensmission unterwegs war. Russland, China und auch Trump nahmen den Ball dennoch staatsmännisch beglückt auf. Und Orbán konnte sich als alternative Friedenstaube inszenieren.

Schachzug statt Eigentor

Nun folgt also ein diplomatischer Affront – im Rahmen der Möglichkeiten auf EU-Ebene. Schließlich ist es demokratische Praxis, dass alle sechs Monate ein anderer Mitgliedstaat die Ratspräsidentschaft übernimmt. Ganz gleich, welcher Partei der jeweilige Staatschef angehört. Diese Praxis zu unterbrechen und die ungarische Ratspräsidentschaft vorzeitig zu beenden, gliche einem Eigentor.

Stattdessen werden die EU-Kommissar:innen und Fach­mi­nis­te­r:in­nen angehalten, nicht zu Treffen nach Ungarn zu fahren. An ihrer Stelle sollen Be­am­t:in­nen aus der zweiten Reihe geschickt werden.

Es ist ein geschickter Schachzug von der Leyens. Nun kommt es auf die Zuständigen in den EU-Mitgliedstaaten an, ob sie ihrem Boykottauftrag folgen oder lieber ihre Loyalität gegenüber Ungarn zeigen.

In Zeiten, in denen die EU mit vielfältigen globalen Krisen konfrontiert ist, ist dies auch ein Test, wie geschlossen die Reihen der Europäischen Union sind. Mit einem erstarkenden Rechtsruck und zunehmender Skepsis gegenüber der Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion ist dies der erzwungene richtige Zeitpunkt. Die An­hän­ge­r:in­nen Orbáns wird dieser Schachzug aber vermutlich nicht aufhalten.

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Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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8 Kommentare

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    Die Moderation

  • Orbán hat wohl einen stark ausgeprägten "Rebellen" in sich, wenig Gemein- oder Regelsinn. Er will Reaktion. Und sei es solch negative Reaktion. Das kann er bekommen.

  • Bei aller berechtigten Kritik an Herrn Orban, bzw. an seiner Politik.... ist mir nicht ganz Klar, wem Herr O. mit seinen Reisen geschadet hat.

    Hat er eigentlich erklärt, er würde diese Reisen offiziell in seiner Funktion als Ratspräsident unternehmen?

    Wurden die Reisen aus EU Mitteln finanziert?

    Von welcher Einigkeit innerhalb der EU ist eigentlich die Rede, wenn gesagt wird er würde sie gegenüber dem russischen Aggressor beschädigen?

    • @Bürger L.:

      Tja, das sind eben die kleinen, feinen Töne in der Diplomatie. Früher "Respekt" oder "Höflichkeit" genannt. Offenbar heute völlig out. Der Mann ist aufgrund äußerer Vorgänge zum Ratspräsidenten gewählt worden. Alles was er öffentlich veranstaltet fällt auf den Ruf der EU zurück. Schon mal drüber nachgedacht, wenn unser Bundespräsident solche Reisen veranstalten würde??

  • Putin wird sich über jeden Kindergarten freuen, der in der EU veranstaltet wird...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Es ist ein geschickter Schachzug von der Leyens."

      Liebe Frau Tricarico, das Agieren gegenüber Ungarn ist nicht geschickt. Es ist dumm und regelrecht infantil.



      Und die Meinung, die über die Besuch in der Ukraine, Russland und China "duchschimmert", kann ich auch nicht verstehen.



      Orban ist ein richtig mieser Finger und ich hab genau Null Sympathie für ihn, aber in der Frage hat er einfach Recht. Es muss geredet werden. Wenn Orban redet - macht er in meinen Augen etwas richtig. Es gibt keine Kontaktschuld - wer mit einem schmutzigen Menschen redet, wird dabei selbst nicht schmutzig - das gilt im Großen gegenüber Putin oder Xi und das gilt im Kleinen gegenüber Orban. Wer nicht redet, hat auch keinen Einfluss. Und ohne Einfluss, werden eigene Standpunkte einfach nicht vertreten.

      Die Kritik an Orbans Besuchen, dieser alberne "Boykott", in meinen Augen ist das regelrecht unpolitisch - und schadet im Übrigen der EU, ihren Institutionen und auch der eigenen Glaubwürdigkeit!

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ändert nichts daran, dass die Rabauken in diesem Kindergarten zur Räson gebracht werden müssen.

      • @Encantado:

        Ja. Aber bitte alle. Auch die Kleinkinder in Brüssel.