Boykott des Iran im Sport: Schutz der Athlet:innen
Die Sportlerin Elnas Rekabi wurde mutmaßlich verschleppt, nachdem sie ohne Kopftuch kletterte. Warum werden Sanktionen im Sport so wenig diskutiert?
Die Solidarität mit Elnas Rekabi ist groß. In der Nacht zum Dienstag sollen sich zahlreiche Iraner:innen zum Flughafen in Teheran aufgemacht haben, um der Klettersportlerin den Rücken zu stärken und sie als neue Symbolfigur der Frauenproteste zu feiern. Doch Sicherheitskräfte ließen an Straßensperren in der Hauptstadt nur Menschen mit gültigen Flugtickets durch. Die 34-jährige Rekabi hatte im Finale der Asienmeisterschaften in Seoul die Kopfbedeckung abgenommen.
Die Kraft dieser Protestgeste spiegelte sich in den sozialen Netzwerken wieder, wo sie rasant verbreitet und bejubelt wurde. Und zugleich wächst die Sorge, welche Konsequenzen Elnas Rekabi für ihr Verhalten befürchten muss. Die BBC berichtete, dass das iranische Kletterteam nach dem Vorfall die Wettbewerbe in Südkorea vorzeitig verließ und umgehend nach Teheran zurückreiste. Rekabi soll vorzeitig der Pass entzogen worden sein. Die Gerüchteküche brodelt.
Der iranische Geheimdienst sowie Vertreter des Nationalen Olympischen Komitees sollen bei der Rückführung der Sportler:innen involviert gewesen sein. Die regimekritische Website Iran Wire berichtete, die Sportlerin sei auf dem Weg ins berüchtigte Evin-Gefängnis. Am Dienstag meldete sich dann Rekabi via Instagram zu Wort. Sie habe versehentlich das Kopftuch nicht getragen. Es braucht viel Fantasie, um in diesen Zeiten an ein solches Missgeschick zu glauben. Weniger Vorstellungskraft benötigt man, um den massiven staatlichen Druck hinter diesem Statement zu sehen.
Groß ist momentan das Stimmengewirr. Aber wo ist eigentlich die Stimme der Vertreter:innen des organisierten internationalen Sports geblieben? Gern würde man hören, dass ihnen der Schutz ihrer Athlet:innen ein vorrangiges Bedürfnis ist. Und das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper sollte doch sowieso lautstark verteidigt werden.
Gespenstisch still bei der Fifa
Gespenstisch still ist es aber auch im Hause der Fifa gewesen, als prominente iranische Fußballer sich mit der Protestbewegung im Iran solidarisiert haben und dann verhaftet oder wie der ehemalige Bundesligaprofi Ali Daei von Staatsbehörden mit dem Entzug des Personalausweises gegängelt wurden. Und auch auf die Forderung der Frauenrechtsbewegung Open Stadiums an die Fifa, den Iran doch von der Weltmeisterschaft in Katar auszuschließen, hat der Weltverband bislang nicht reagiert.
Ob ein Ausschluss in diesem Fall die richtige Maßnahme wäre, darüber kann man streiten. Schließlich würde den Auswahlspielern, die sich bereits regimekritisch geäußert haben, eine große und einflussreiche Bühne genommen werden, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Aber weshalb werden nicht einmal die mildesten Sanktionsmöglichkeiten, die Verbannung nationaler Symbolik wie Fahne und Nationalhymne etwa, so kurz vor dem Großereignis diskutiert?
Der Internationale Judoverband hat im Fall des iranischen Judoka Saeid Mollaei schon zu einer Zeit, als die Lage am persischen Golf noch nicht so zugespitzt war, gezeigt, wie es gehen kann. Der iranische Judoverband wollte seinen einstigen Weltmeister Mollaei bei der WM 2019 zur vorzeitigen Aufgabe nötigen, um einen möglichen späteren Kampf gegen den Israeli Sagi Muki zu verhindern. Mollaei, der dennoch antrat, machte dies selbst publik und flüchtete nach dem Turnier nach Deutschland.
Der Weltverband suspendierte daraufhin unbefristet den iranischen Verband. Nachdem das Internationale Sportschiedsgericht (CAS) dies für unrechtens erklärte, begrenzte man die Sperre bis zum September 2023. Einen schweren Bruch seiner Statuten sowie der „grundlegenden Prinzipien des Olympismus“ wurde als Begründung angeführt. Offenkundig ist das damals wie heute so.
Kleinere internationale Sportverbände, deren öffentliche Wahrnehmung geringer ist, tun sich gewiss leichter, klare Entscheidungen durchzusetzen. Das Schweigen der Fifa und des IOC zu den Vorgängen im Iran ist allerdings vielsagend. Die Sportler:innen nicht nur im Iran dürfen einmal mehr mitbekommen, dass im Zweifelsfall ihre Unversehrtheit zweitrangig ist.
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