Botschaft vom Papst zum Weltfriedenstag: Armut? Corona? Isra..? Nein.
Der Papst ist der Mann mit dem direkten Draht nach oben. Er warnt in diesem Jahr vor einer besonderen Gefahr – und das ist sehr lustig.
R und um Weihnachten hat der Papst alle Hände voll zu tun. Unter anderem muss er Weihnachts-, Neujahrs- und Friedensgrüße schreiben. Allein in dieser Woche verfasste er Grußbriefe an das Global Refugee Forum in Genf, an die Freiwilligen und die Mitglieder der italienischen Krankentransport-Union Unitalsi, an die christliche Arbeiterbewegung (Acli) in Rom, an die Delegation der italienischen Luftwaffe zum 100. Gründungstag, an die Präfekten der Italienischen Republik und an das Personal des Büros des Generalrevisors. Dazu kamen Audienzen, Messen, Liturgien, Besuche, Interviews etc. etc.
Bei all dem Stress kann man schon mal durcheinanderkommen und nicht mehr so genau wissen, was man wem schon gesagt hat, wer grade wirklich dringend ein paar warme Worte gebrauchen könnte, und auch komplett nicht mehr wissen, wen man grade konkret ansprechen müsste, um den derzeit pausierenden Weltfrieden wieder ins Spiel zu bringen und ihm einen Vorteil zu verschaffen.
Das aber musste Franziskus diese Woche. Denn traditionell veröffentlicht der Papst in den Tagen vor Weihnachten die Botschaft zum Tag des Weltfriedens, den die katholische Kirche am 1. Januar begeht. Manche warten auf die Verkündung dieser Botschaft so aufgeregt wie andere auf die der Lottozahlen, des Chemienobelpreises oder des Schwangerschaftsteststreifenergebnisses.
Schließlich ist immer was los in der Welt, irgendwo ist immer Krieg. Aber weil Franziskus bereits im letzten Jahr Corona und nicht die Ukraine thematisierte, war es tatsächlich einigermaßen spannend, ob er auch dieses Jahr wieder um den heißen Brei herum reden oder endlich mal ’ne klare Ansage machen würde.
Wenn der Papst vor KI warnt
Und nun ist es raus: Der Papst warnt die Welt 2024 nicht etwa vor Menschen, die anderen Menschen weismachen wollen, dass das Töten von Juden und die Vernichtung Israels Teil eines Kampfs für Gerechtigkeit ist. Nein, der Papst warnt die Welt 2024 vor der künstlichen Intelligenz.
Man sieht die Papstberater förmlich vor sich, wie sie wochenlang ihre Köpfe zusammensteckten und über das Friedensbotschaftsthema diskutierten: „Nehmen wir Flüchtlinge?“ „Ne, das machen wir doch schon für Genf.“ „Corona?“ „Hatten wir letztes Jahr.“ „Armut?“ „Nicht sexy genug.“ „Russ…“ „Schschscht, wenn das der Chef hört.“ „Na gut, dann bleibt ja nur noch Isra…“ „Bist du wahnsinnig. Auf keinen Fall, da dreht der durch.“
Franziskus steht in der Kritik, nicht klar genug Israel zu unterstützen. Das gehörte seitens des Vatikans allerdings auch noch nie so richtig zum guten Ton im eigenen Haus. Dem traditionellen Antijudaismus der Christen, der Verstrickung von Papst und katholischer Kirche in die Shoah fügt der amtierende Papst allerdings auch noch einen Vulgär-Antikapitalismus zu, der nah an antisemitischen Stereotypen zu surfen droht.
In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag spricht er nun davon, dass der Mensch „eine noch nie dagewesene Kontrolle über die Wirklichkeit“ habe, was „ein Risiko für das Überleben der Menschen und eine Gefahr für das gemeinsame Haus“ darstelle. So richtig sein Appell, die Sache mit der KI in geordnete Bahnen zu lenken, ist es trotzdem irre lustig, dass ausgerechnet der Papst davor warnt, dass eine künstliche Intelligenz die Kontrolle über die Welt übernehmen und die Menschen vernichten könnte.
Ausgerechnet der Papst, der Pressesprecher mit dem guten Draht nach oben, der oberste Hirte derjenigen, die an das höhere Wesen glauben, das alles weiß und uns am Ende unserer Tage in die Hölle schicken lässt, ohne dass es vorher einen auch nur ansatzweise fairen Prozess gegeben haben wird.
Das ist fast noch lustiger als das erfolgreichste KI-Meme des Jahres 2023.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen