piwik no script img

Botaniker über Brände in Brandenburg„Brandflächen bewalden sich rasch“

In Brandenburg sind Versuchsflächen eines Forschungsprojekts zu Waldfeuern abgebrannt. Botaniker Thilo Heinken erklärt die Folgen.

Schwarz verkohlte Baumstämme liegen auf dem Waldboden in Treuenbrietzen Foto: Annette Riedl/dpa
Heike Holdinghausen
Interview von Heike Holdinghausen

taz: Herr Heinken, die Waldbrandflächen im Süden Brandenburgs lagen in Gebieten, die Sie als Biologe erforscht haben. Sind Ihre Versuchsflächen betroffen?

Thilo Heinken: Leider ja. Es hat genau auf den Flächen wieder gebrannt, die schon 2018 abgebrannt waren. Das ist schon sehr ungewöhnlich, dass es am selben Ort zweimal hintereinander so verheerend brennt. Wir haben dort als Teil des Forschungsprojekts „Pyro­phob“ untersucht, wie sich nach Bränden Wälder erholen. Wir haben insgesamt 15 Flächen bei Jüterbog und Treuenbrietzen. Von den Treuenbrietzener Flächen sind sechs oder sieben wahrscheinlich völlig verbrannt. Genau wissen wir das noch nicht, die Flächen sind noch nicht zugänglich.

Wissen Sie etwas über die Brandursache?

Nein. Eine Doktorandin unserer Uni hat das Feuer entdeckt, sie war gerade vor Ort. Sie hat es der Feuerwehr gemeldet, das sah erst harmlos aus, dann hat es sich so dramatisch entwickelt. Der Brand ist ähnlich wie 2018 genau am Rande der alten Brandfläche ausgebrochen, dort, wo am meisten alte Munition im Boden liegt. Ein Teil des Gebietes ist hochgradig munitionsbelastet, bislang war die großflächige Räumung zu teuer. Vielleicht hat sich Munition selbst entzündet, vielleicht war es Brandstiftung.

Was waren das für Flächen?

Wir wollen herausfinden, wie sich auf Waldbrandflächen am besten wieder Forst etabliert. Dazu wurden einige Flächen vollständig beräumt, in anderen wurden die verbrannten Kiefern vor der Bepflanzung ganz oder teilweise belassen, andere sind gänzlich sich selbst überlassen worden. Wir wollten beobachten, wie sich die Flächen entwickeln und daraus Empfehlungen für die Forstwirtschaft ableiten. Aber gerade diese Flächen sind nun verbrannt.

Seit wann lief das Projekt?

Seit 2020. Eigentlich war die Laufzeit fünf Jahre, jetzt hatten wir zwei, also konnten wir nur zwei Vegetationsperioden beobachten.

Gab es schon Ergebnisse?

Wir haben eine erstaunliche Naturverjüngung beobachten können. Das hatten wir so nicht erwartet. Zitterpappeln und Birken waren die dominanten Baumarten. Ihre Samen sind dort aus der Umgebung eingeflogen, dort hat sich ein sogenannter Vorwald gebildet. Der ist unerwartet schnell sehr hochgewachsen, drei bis vier Meter. Unter seinem Dach konnten auch Kiefern und Eichen wachsen. Ihre Samen können nicht so leicht von weiter herkommen. Damit sie sich ansiedeln, muss ein Samenbaum in der Nähe einen Brand überstanden haben. Bei den Kiefern hat sich gezeigt, dass auch leicht verbrannte, später noch abgestorbene Bäume im Folgejahr noch sehr erfolgreich Samen ausstreuen konnten.

Haben Sie das erwartet?

Nein, in dieser Form nicht. In der Forstwirtschaft ist offenbar teilweise vergessen worden, dass sich Brandflächen rasch von alleine wieder bewalden können.

Entsteht von alleine ein artenreicher Laubmischwald?

Bild: privat
Im Interview: Thilo Heinken

ist Botaniker am Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam. Im Forschungsprojekt „Pyrophob“ erforscht er die Ent­wicklung der Boden­vegetation und -feuchte ehemaliger Waldbrandgebiete im Süden Brandenburgs.

Ja, schon. Ein Vorwald aus Pappel und Birke ist ja ein Laubmischwald. Aber das sind natürlich Weichhölzer, die für die Forstwirtschaft nicht so interessant sind. Insgesamt hat die Artenvielfalt nach dem Brand übrigens stark zugenommen: Auf den Freiflächen können Pflanzen wachsen, die Sie in Wäldern sonst nicht finden. Wir haben Rote-Liste-Arten gefunden, das Niederliegende Johanneskraut oder das Deutsche Filzkraut, die spezielle, nährstoffarme Freiflächen benötigen. Aus Sicht der Biodiversität sind Brände vorteilhaft. Aber wir möchten sie natürlich trotzdem nicht großflächig haben.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir müssen jetzt erst mal sehen, was zerstört ist. Es ist sehr viel Equipment verbrannt, Messgeräte für die Grundwasserstände und das Mikroklima, Insektenfallen. Am Freitag haben wir ein Treffen im Projekt, dann sehen wir weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Natürlich entsteht dort wieder Wald. Was auch sonst. Das ist ja auch die potentiell natürliche Vegetation.



    Nur ist der Wald nicht 200 Jahre alt.

  • "Ein Teil des Gebietes ist hochgradig munitionsbelastet, bislang war die großflächige Räumung zu teuer."



    Naja, zu teuer bezogen auf aktuelle Politik und deren Priorisierung. 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung der Bundeswehr sind offenbar nicht zu teuer. Es liegt am politischen Willen.

    • @Uranus:

      100 Milliarden verbraten um Wälder mit Munition umzugraben und zu zerstören, die 0,01% der Landfläche DEs ausmachen?

      Das hilft weder dem Wald noch dem Klima. Und gegen faschistische Aggressoren hilft das schon gar nicht.

  • Ist ja gut wenn das Holz für die Forstwirtschaft nicht interessant ist. Multikulturen sind auch hier resistenter als Monokulturen.