Treuenbrietzen verkauft den Stadtwald: Das Ende des Waldumbaus

In Treuenbrietzen könnte aus einem Musterbeispiel für naturnahe Forstwirtschaft das Gegenteil werden. Stadtverordnete wurden hinters Licht geführt.

Ein Löschhubschrauber im Einsatz

Waldbrand in Treuenbrietzen. Es brennen vor allem Kiefern Foto: dpa

GRUNOW taz | Noch immer steht die Seite des Forstbetriebs Treuenbrietzen im Netz. Im 2.000 Hektar großen Stadtwald der brandenburgischen Kleinstadt südwestlich von Berlin, so ist zu lesen, wird „naturgemäße Waldwirtschaft“ großgeschrieben. Verzicht auf Kahlschläge gehöre dazu, eine Neuanpflanzung mit Baumarten der potenziell natürlichen Waldgesellschaft, aber auch die Jagd, damit die jungen Bäume hochkommen.

Sogar einen Stadtförster leistet sich die 8.000 Einwohner zählende Stadt. „Forstingenieur Dietrich Henke leitet das Forstamt“, ist auf der Seite zu lesen.

Doch die Seite im Netz ist veraltet. Treuenbrietzen hat seinen Stadtwald im Mai für 20 Mil­lio­nen Euro verkauft. Auch Förster Dietrich Henke musste gehen. So wollte es der neue Besitzer, die Muhr’sche Forstverwaltung GBR. Geschäftsführer Thomas Muhr leitet ein Unternehmen aus der Autozulieferbranche mit 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Als wesentliche Bedingung für die Veräußerung des Stadtwalds wurde vertraglich vereinbart, dass das in der Vergangenheit erfolgreich eingeführte Waldbewirtschaftungskonzept mit dem Ziel eines naturnahen Waldumbaus unverändert fortgeführt wird“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung der Stadt vom 4. Mai 2022.

Ernüchterung im Ortsbeirat

Andreas Fetz hat da seine Zweifel. „Im Ortsbeirat wurde uns erklärt, dass die Schutz- und Erholungsfunktion eines Walds für private Eigentümer nicht gilt“, sagt Fetz, der für die Bürgerinteressensvereinigung BIV in der Stadtverordnetenversammlung sitzt. „Es gelte nur noch das allgemeine Betretungsrecht.“ Fetz befürchtet nun, dass der neue Förster die Wirtschaftlichkeit des Walds vor das Ziel einer „naturgemäßen Waldwirtschaft“ stellt.

Es wäre eine Drehung um 180 Grad. Denn bis zu seinem Verkauf galt der Stadtwald tatsächlich als Paradebeispiel für den Waldumbau. Auch das Projekt „Pyrophob“, mit dem unter anderem die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde die klimaresistenten Wälder der Zukunft erforschen will, liegt zu einem Teil auf dem Gelände des ehemaligen Stadtwalds.

Doch Fetz verweist nicht nur auf den neuen Förster, sondern auch das Zustandekommen des Eigentümerwechsels. „Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung für den Verkauf des Stadtwalds ist nur zustande gekommen, weil der Bürgermeister versichert hat, dass das Land den Wald kaufen wolle.“

Stadtwald zu Landeswald, das gab eine knappe Mehrheit. Auch deshalb, weil Treuenbrietzen klamm war. „Wir standen damals vor der Frage, ob wir den Wald behalten oder eine Schule schließen müssen“, sagt Fetz.

Land wollte nicht kaufen

Doch das Land dachte gar nicht daran zu kaufen, und nun sind die Befürchtungen groß in Treuen­brietzen. Aus dem ehemaligen Vorzeigeprojekt des Waldumbaus könnte bald das genaue Gegenteil werden. Schon ist zu hören, dass der neue Förster die Wildbestände erhöhen und Totholz aus dem Wald entfernen wolle. Angeblich, um die Waldbrandgefahr zu senken, denn in Treuenbrietzen hat es 2018 und 2022 gebrannt. „Doch Totholz hält den Waldboden feucht“, sagt Fetz.

Und zu viele Rehe knabbern die Triebe von jungen Eichen und Buchen weg.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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