Bosniens Sicherheitsminister gibt auf: Ein Hardliner mit vielen Gegnern
Der bosnische Politiker und Medienmogul Fahrudin Radončić machte sich viele zum Feind. Jetzt trat er von seinem Ministerposten zurück.
Gegenüber den Migranten vertrat er in den letzten Monaten eine harte Position. In Bosnien in der nordwestlichen Region Bihać stauen sich um die 8.000 Migranten. Die unhaltbaren Zustände in den Flüchtlingslagern und das Coronavirus ließ die anfänglich hilfsbereite Stimmung vor allem der bosniakischen ( muslimischen) Bevölkerung in der Region kippen.
Im Stile eines Populisten forderte Radončić, der gleichzeitig der Besitzer der größten Tageszeitung Bosniens, Dnevni Avaz (Tägliche Stimme), ist, eine harte Gangart gegenüber den Migranten. Als Sicherheitsminister wies er die Polizei an, die Migranten am Grenzübertritt nach Kroatien zu hindern und gegen alle vorzugehen, die sich unbefugt aus den Lagern entfernten.
Da es sich bei den meisten Migranten um junge Männer aus Pakistan handelt, forderte er von der pakistanischen Regierung, die Migranten über eine Luftbrücke nach Pakistan zurückzuführen. Er riskierte damit einen dipomatischen Eklat mit der pakistanischen Botschaft.
Das kam in Sarajevo nicht so gut an. Der aus dem montenegrinischen Sandžak stammende Radončić zeigte in den Augen der Sarajevoer aber schon seit den 90er Jahren, dass er ein echter Sandžak-Muslim ist. Anders als die „weichen“ Muslime Sarajevos stehen die im Ruf, als Machos „knallhart“ zu sein. Der 1957 geborene Radončić legte sich in den achtziger Jahren als Journalist in Montenegro mit den serbischen Nationalisten an. Er schrieb ein vielbeachtetes Buch über die fast dreißigjährige Gefangenschaft des kosovoalbanischen Politikers Adem Demaçi, was ihm Beifall in der demokratischen Szene und die Feindschaft der serbischen Nationalisten eintrug.
Aufstieg zum Medienmogul
Zu Beginn des Kriegs und der Belagerung Sarajevos durch serbische Truppen im Jahr 1992 wurde er als Beigeordneter des Generalstabs Sprecher der bosnischen Armee und betreute auch ausländische Journalisten. Seine präzisen Informationen und kollegialen Umgangsformen brachten ihm nicht nur bei dem taz Korrespondenten Kredit ein. 1993 gründete er die Wochenzeitung Bosniacki Avaz (Bosniakische Stimme) und nach dem Krieg 1995 die Tageszeitung Dnevni Avaz. Sie wurde schnell die größte Zeitung des Landes.
Woher er das Geld für die Investition hatte, ist noch immer unklar. Danach stieg er in das Immobiliengeschäft ein. Danach baute Radončić Hotels und den Avaz Twist Tower, der als das höchste Gebäude des Balkans gilt. Der rastlose Medien- und Immobilienmogul gründete 2009 die 10 Prozent der bosniakischen Stimmen repräsentierende Mitte-rechts-Partei Union für eine bessere Zukunft (SBB). Zweimal schon bekleidete er hohe Staatsämter.
Als Anfang März die Coronakrise ausbrach, managte er als Minister für Sicherheit im Gesamtstaat die Gegenmaßnahmen. Er setzte Ausgangssperren durch, ließ ganze Städte und Regionen abriegeln und war erfolgreich. Bosnien hat mit Kroatien mit je um die 2.500 Infizierten eine der niedrigsten Coronaraten Europas.
Doch als erste Korruptionsfälle im Krisenstab auftauchten, verließ er das Gremium. Inzwischen steht der Premierminister des einen Teilstaats, der kroatisch-bosniakischen Föderation, im Verdacht, in einem Korruptionsskandal mit Schutzmasken und Krankenhausausrüstungen verwickelt zu sein, in der serbischen Teilrepublik wurde ein „rollendes Krankenhaus“ bezahlt und nie geliefert.
Radončić legte sich also mit vielen an. In der Pakistan-Frage machte er sich Feinde in der stärksten Bosniakenpartei, der Partei der demokratischen Aktion (SDA), der an guten Beziehungen zu den muslismischen Staaten des Mittleren und Fernen Ostens gelegen ist. Mit Šefik Džaferović stellt die SDA das bosniakische Mitglied des Staatspräsidiums, mit Bisera Turković die Außenministerin des Gesamtstaats. Und beide stellten sich klar gegen Radončić. Der ist jetzt zurückgetreten, wird aber von der politischen Bühne wohl nicht verschwinden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden