piwik no script img

Boris Johnson beim Tory-ParteitagPremier trotzt Versorgungskrise

Der britische Premier Johnson will beim Tory-Parteitag trotz Versorgungskrise von Arbeitsmigration nichts wissen. Seinen Parteifreunden gefällt das.

Ehepaar Boris und Carrie Johnson beim Parteitag der Tories am 6. Oktober Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Berlin taz | Mit einem Bekenntnis zum radikalen ökonomischen Wandel hat der britische Premierminister Boris Johnson am Mittwoch den Jahresparteitag der regierenden Konservativen in Großbritannien beendet. Er malte in seiner Abschlussrede einen Kontrast zwischen einem „radikalen optimistischen Konservatismus“ und der „müden alten Labour“-Partei und erteilte Forderungen, der aktuellen Versorgungskrise im Land durch erneute Öffnung der Grenzen für EU-Arbeitsmigration zu begegnen, eine grundsätzliche Absage.

„Wir gehen nicht zurück zum gleichen alten kaputten Modell mit niedrigen Löhnen, niedrigem Wachstum, niedriger Bildung und niedriger Produktivität, alles ermöglicht und aufrechterhalten durch unkontrollierte Zuwanderung“, rief er unter Beifall. Angestrebt werde ein Großbritannien mit „hohen Löhnen, hoher Bildung, hoher Produktivität, niedrigen Steuern, in dem alle auf ihre Arbeit stolz sein können“.

Für diesen Wandel hätten die Briten beim Brexit-Referendum 2016 und beim konservativen Wahlsieg 2019 gestimmt, und den werde er umsetzen. Die Antwort auf die aktuellen Probleme sei eben nicht, „Zuwanderung als Ausrede zu nutzen, um sich davor zu drücken, in Menschen, Bildung und die für die Arbeit nötige Ausrüstung und Maschinen zu investieren“.

Boris Johnson zog eine direkte Linie von den jüngsten britischen Erfolgen bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen zu den von ihm gewünschten Zukunftserfolgen. Der Brexit mache es möglich, „neue Freiheiten bei der Regulierung“ zu nutzen, um das Land in eine „Wissenschafts-Supermacht“ zu verwandeln, vor allem in den Bereichen grüner Technologien, genetischer Forschung, künstlicher Intelligenz und Cyber. Garant dafür sei der „einzigartige“ Geist Großbritanniens, der eine Koexistenz von Unternehmergeist mit allgemeiner Gesundheitsfürsorge ermögliche.

Die Rede enthielt kaum konkrete Ankündigungen, aber das war auch weniger ihr Ziel als das Verbreiten guter Stimmung, um das Parteivolk bei Laune zu halten. Johnson entdeckte Wurzeln seiner Politik in einem Gedicht aus dem Jahr 1750, kalauerte über die Labour-Opposition und verglich ihren vom eigenen linken Flügel bedrängten Chef Keir Starmer mit dem Skipper eines von somalischen Piraten gekaperten Kreuzfahrtschiffs.

Zu den Problemen der Gegenwart äußerte er sich im Vergleich eher nüchtern. Johnson gestand ein, dass die Staatsfinanzen aktuell ein „riesiges Loch“ aufwiesen und dass kurzfristig noch längere Wartezeiten als sonst im Gesundheitswesen zu erwarten seien, aufgrund des Covid-19-bedingten Rückstaus. Seine optimistischsten Töne waren in die fernere Zukunft gerichtet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!