Boom an Erneuerbaren Energien: Öl-Exporteuren droht Machtverlust
Der Siegeszeug der Erneuerbaren verändert die Geopolitik, sagen Branchenlobbyisten. Aber der Fortschritt müsse schneller gehen.
In diesem Punkt waren sich die Teilnehmer der Konferenz „Berliner Energiewende-Dialog“ im Auswärtigen Amt einig. Bei dem am Dienstag gestarteten zweitägigen internationalen Forum präsentierte sich Deutschland abermals als Vorreiter bei den Erneuerbaren – kurz bevor am Mittwoch zum ersten Mal das „Klimakabinett“ der Bundesregierung tagt, um einen Weg zur Erreichung der Klimaziele 2030 zu suchen.
Der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, mahnte zwar, es gebe beim Klimaschutz „eine wachsende Entkopplung von den politischen Statements und der realen Welt“. Damit meinte er aber nicht spezifisch die deutsche Situation, sondern den weltweiten Anstieg der CO2-Emissionen trotz der Schwüre bei der Klimapolitik.
Ein Hauptthema der Veranstaltung, welche die internationale Energiewende voranbringen soll, war die resultierende Veränderung des geopolitischen Machtgefüges. Dies hat die internationale Agentur für Erneuerbare, Irena, in einer eigenen Studie untersucht. Fazit: Der Umstieg auf Erneuerbare entmachtet tendenziell Exporteure fossiler Brennstoffe wie die Golfstaaten oder Russland.
Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen
Gleichzeitig gibt sie den klassischen Importeuren von Gas und Öl, vor allem China, Europa und Japan, mehr Freiheiten, wo sie ihre Energie beziehen und wie sie ihre Budgets ausgeben können. Das südliche Afrika, Südasien und die kleinen Inselstaaten würden von einem Umstieg auf Erneuerbare profitieren, fand die Studie „A New World“. Kaum betroffen sei dagegen Amerika: Die USA, Kanada und Lateinamerika seien rechnerisch praktisch unabhängig.
„Der Wettlauf um eine klimafreundliche Zukunft ist in eine entscheidende Phase getreten“, sagte der neue Chef der Irena, Francesco La Camera. In der aktuellen Studie „A Roadmap to 2050“ heißt es, dass der massive Zubau von Wind, Sonne, Wasser und Biomasse weltweit und ein Umstieg des Energiesystems auf Strom drei Viertel der für die Klimaziele nötigen Emissionsreduzierung erbringen könne.
Heiko Maas, Außenminister
Bis 2050 könnten 86 Prozent des weltweiten Stroms aus grünen Quellen kommen (bisher sind es etwa 10 Prozent), die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs könne dann von Strom abgedeckt werden. Aber La Camera mahnte auch: Der Ausbau der Erneuerbaren müsse sich massiv beschleunigen. Vor allem Wind- und Solarenergie müssten sechsmal so schnell errichtet werden wie derzeit. Da wartet also noch Arbeit auf das deutsche „Klimakabinett“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen