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Bolsonaro attackiert Macron„Kolonialistische Mentalität“

Frankreichs Präsident will die Brände im Amazonas auf dem G7-Gipfel zum Thema machen. Für seinen brasilianischen Amtskollegen geht das garnicht.

Im Gegensatz zu einigen anderen Fotos im Internet zeigt dieses tatsächlich den Waldbrand 2019 Foto: picture alliance/Christian Niel Berlinck/ICMBio/dpa

Rio de Janeiro afp | Die schweren Waldbrände im Amazonas-Gebiet sorgen für internationale Spannungen. Brasiliens ultrarechter Staatschef Jair Bolsonaro warf dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Donnerstag eine „kolonialistische Mentalität“ vor, weil dieser die Feuer zum Thema des G7-Gipfels in Biarritz machen will. Die Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ hat für Freitag zu Demonstrationen vor brasilianischen Botschaften und Konsulaten unter dem Motto „SOS Amazonas“ aufgerufen.

Bolsonaro fuhr am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter scharfe Attacken gegen Macron. Dass Frankreichs Staatschef beim G7-Gipfel in Abwesenheit der Länder der Amazonas-Region über die Waldbrände sprechen wolle, zeuge von einer „kolonialistische Mentalität“, die im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr habe.

Der ultrarechte Präsident beschuldigte Macron zudem, eine „innere“ Angelegenheit Brasiliens und anderer Staaten im Amazonasgebiet „instrumentalisieren“ zu wollen, um „persönlichen politischen Profit“ daraus zu schlagen. Macrons „sensationsgieriger Ton“ trage nicht zur Lösung des Problems bei, schrieb Bolsonaro.

Der französische Präsident hatte die schweren Waldbrände im Amazonasgebiet am Donnerstag als „internationale Krise“ bezeichnet. Die „Lunge unseres Planeten“ stehe „in Brand“, schrieb Macron auf Twitter. Er werde mit den anderen G7-Mitgliedern beim Gipfel in Biarritz am Wochenende „über diesen Notfall sprechen“.

Veraltete Fotos

Allerdings veröffentlichte Macron dazu ein Foto eines brennenden Waldes, das nicht die derzeitigen Feuer zeigt: Es wurde von einem bereits 2003 verstorbenen Fotografen aufgenommen. In den sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Fotos, die frühere Waldbrände zeigen.

Die schweren Waldbrände im Amazonas-Regenwald haben weltweit Sorgen ausgelöst. UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich am Donnerstag „zutiefst besorgt“ über die Feuer. „Inmitten der globalen Klimakrise können wir es uns nicht leisten, einer wichtigen Sauerstoffquelle und einem Ort der Biodiversität zu schaden.“

Das genaue Ausmaß der Waldbrände ist nur schwer zu erfassen. Laut dem brasilianischen Weltraumforschungsinstitut INPE brachen in ganz Brasilien binnen 48 Stunden fast 2500 neue Brände aus. Demnach gab es seit Jahresbeginn bereits mehr als 75.000 Waldbrände – ein Zuwachs von 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptgrund ist die Waldrodung. Der Klimaskeptiker Bolsonaro hat dagegen wiederholt Umweltschutzgruppen für die Waldbrände verantwortlich gemacht.

Die von der schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg initiierte Bewegung „Fridays for Future“ warf Bolsonaro vor, mit seiner Umweltpolitik zu den Feuern beizutragen. Dessen Regierung sehe den Amazonas-Regenwald lediglich als „Milchkuh“. Unter dem Schlagwort „SOS Amazonas“ rief die Bewegung dazu auf, am Freitag vor diplomatischen Vertretungen Brasiliens in aller Welt zu demonstrieren.

Ecuadors Staatschef Lenín Moreno bot Bolsonaro derweil an, Feuerwehrleute zu entsenden, um die Waldbrände zu bekämpfen.

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14 Kommentare

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  • Beim Mercosur-Freihandelsabkommen glauben m. E. die Europäer die Gewinner zu sein.



    Also, die Schuld an diesen Bränden tragen wir mit.



    Europäische Gier, Fleischkonsum, Fleischimporte, Palmöl, Soja, etc., etc.. – Bolsonaro hat doch von uns gut gelernt.



    Ein Freihandelsvertrag ist immer der Versuch, den anderen zu übervorteilen. Und der Gier – egal in welchem Kopf – ist es "herzlich" scheißegal, wie sie sich befriedigt – ob auch auf Kosten der Lunge der Welt – who cares?



    It's the capitalism stupid.

  • Nur das Reden von Merkel und Macron löscht keinen einzigen Brand. Warum fliegen die USA, Kanada, die EU nicht mit Löschflugzeugen dahin und löschen kräftig die Waldbrände? Nicht lange fackeln, handeln. Was soll eine Debatte aufm G 7 Gipfel bringen? Löschwasser auf den Wald?

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    Immerhin bekundet Irland, dass es den Mercosur-Freihandelsvertrag unter diesen Umständen nicht ratifizieren will. Das sollten ebenso Merkel, Macron und alle anderen tun.

    Im übrigen, Bolsonaro soll mal in den Spiegel schauen: Er gehört zur weißen "Oberschicht", zu den Nachkommen der europäischen Kolonisatoren und seine Haltung zu den Indigenen widerspeigelt das unmittelbar.

    • @93559 (Profil gelöscht):

      Damit reagiert Irland viel sinnvoller als Macron. Ein feuriger Appell und trotzdem weiter Geschäfte machen ist nur Symbolpolitik und hilft dem Regenwald nicht.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Irland reagiert genauso wie Macron, der nämlich schon längst vorher (Juli2019) angekündigt hat das Freihandelsabkommen zu blocken und das heute wiederholte. (www.zeit.de/2019/2...en-suedamerika-eu)

        • @relation:

          Entschuldigung. Das Macron das Abkommen wegen des Regenwalds blockieren will, habe ich erst nach meinem Post erfahren.

          Hoffentlich bleibt er dabei.

      • 9G
        91491 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Von der Reaktion Irlands höre ich gerade zum ersten mal .



        Diese Reaktion finde ich auch bedeutent besser als die von Macromedia, die zu nichts führt .

    • @93559 (Profil gelöscht):

      Bolsonaro redet offenbar viel, wenn der Tag lang ist. Vor allem auch viel dummes Zeug. Was seine Wähler allerdings genau so wenig zu stören scheint, wie Trups Wähler sich von den seltsamen Tweeds ihres polternden Supermanns gestört fühlen.

      Fest steht: Der Kolonialismus ist nicht vorbei. Er steckt so tief drin in den Köpfen der meisten Menschen, dass sie ihn gar nicht als solchen erkennen. Das ist wie mit den Rechten in Deutschland: Unter denen gibt es auch (fast) keine Nazis.

      Merke: Schlechte Angewohnheiten legt man nicht so einfach ab. Man kann nicht sagen: Ab heute bin ich gut und alles ist schön. Schlechte Angewohnheiten wirken immer nach. Auch, wenn man das gar nicht mehr will. Und ganz besonders zäh halten sie sich dann, wenn man nicht aufhört, mit zweierlei Maß zu messen.

  • 0G
    06678 (Profil gelöscht)

    Mr. Macron, wo stammen Sojafutter und Pflanzenöl denn her, die in französischen Trogen und Bratpfannen landen ? Mit Kolonialismus hat das nichts zu tun, sondern mit Monokulturen, von denen sowohl brasilianische als auch französische Geschäftsleute profitieren.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Hört, hört. Herr Bolzonaro beklagt sich über Macron mit dem Hinweis auf "kolonialistische Denkweisen".

    Das Hauptthema hier ist jedoch ein Anderes: die verheerenden Brände im Amazonasgebiet. Und die Frage, wer dafür die VERANTWORTUNG trägt und was zu tun ist.

    Macrons Worte sind da ein willkommenes Ablenkungsmanöver. Ich wünsche den brasialianischen Wählern, dass sie sich bei den nächsten Wahlen an die Dunkelheit am Tage erinnern und die logischen Schlüsse aus den Brandrodungen ziehen. (Eigentlich nicht so schwer.)

    Was die Frage von Rettung und Anschuldigungen angeht, lieber Rolf B., empfehle ich, die Frage der Verantwortung zu stellen. Und das ist nun mal nicht Macron - bei aller Kritikfläche, die er auch bietet.

  • "Ecuadors Staatschef Lenín Moreno bot Bolsonaro derweil an, Feuerwehrleute zu entsenden, um die Waldbrände zu bekämpfen."

    Bemerkenswert, dass es noch Regierungen gibt, die nicht nur über Waldbrände belehrend reden, und klagen, sondern auch konkret etwas dagegen tun wollen. Die „Lunge unseres Planeten“ wird nicht von oben herab mit Anschuldigungen gerettet.

    • @Rolf B.:

      Das dachte ich auch. Und dann dachte ich noch, dass sich der Mann seinem Vornamen vielleicht irgendwie verpflichtet fühlt.

      Die Frage ist allerdings: Ist Bolsonaro überhaupt interessiert an derartigen Angeboten? Oder hat er womöglich ein deutlich größeres Interesse an "vollendeten Tatsachen" und einem Problem, das gar nicht groß genug werden kann, weil er es seinen Gegnern gerne in die Schuhe schieben möchte?

      Da stehen etliche mächtige Männer in weißen Kitteln am Krankenbett des Planeten und werfen sich gegenseitig mit größtem Genuss öffentlich vor, die Lunge des Patienten ruiniert zu haben. Dass sie dem einzigen Weißkittel im Raum, der eine Therapie vorschlägt, auch nur zuhören werden, ist eher unwahrscheinlich. Ecuadors Staatschef kann also in aller Seelenruhe den Lenin geben ("Was tun?"). Und zwar ohne Gefahr zu laufen, von irgendwem beim Wort genommen zu werden.

      Wenn wir nicht alle atmen müssten um zu überleben, könnte diese Farce ja ganz unterhaltsam sein. So aber ist sie einfach nur zum Kotzen.