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Boliviens neue ÜbergangsregierungDas Anti-Morales-Kabinett

Nach Evo Morales' Rücktritt hat Jeanine Áñez ihre neue Regierung vorgestellt. Es ist eine rein weiße, von Rechten geprägte Führungsmannschaft.

Interimspräsidentin Jeanine Áñez spricht am Mittwoch zu Polizisten vor dem Präsidentenpalast Foto: Juan Karita/ap

Berlin taz | Boliviens neue De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez hat große Teile ihres Kabinetts benannt. Zunächst wurden am Mittwoch elf Minister*innen vereidigt, weitere sollen am Donnerstag folgen. Áñez selbst betonte, es handele sich um eine Expertenregierung mit striktem Übergangscharakter bis zu den innerhalb von knapp drei Monaten einzuberufenden Neuwahlen.

Doch ein Blick auf die Riege derer, die jetzt regieren wollen, bestätigt diese Aussage nicht: Es ist ein Kabinett ohne Indigene, eine rein weiße, von Rechten aus dem Tiefland geprägte Regierung von radikalen Gegner*innen der Vorgänger-Regierung von Evo Morales, der am Sonntag nur drei Wochen nach seiner umstrittenen Wiederwahl zurückgetreten war und nun in Mexiko im Exil ist.

Und obwohl Luis Fernando Camacho, der rechte evangelikale Unternehmer aus Santa Cruz, der sich in den letzten Wochen als Volkstribun gegen Morales auf die nationale Bühne gedrängt hat, dem Kabinett selbst nicht angehört, trägt es doch seine Handschrift. Camachos persönlicher Anwalt Jerjes Justiniano wurde Präsidialamtsminister.

Besonders hervor sticht der neue Innenminister Arturo Murillo, 55. Der bisherige Senator, der wie Áñez dem Oppositionsbündnis Unidad Democrática angehört, kündigte unmittelbar nach seiner Vereidigung an, die „Jagd“ auf Morales' Präsidialamtsminister Juan Ramón Quintana und auf den Bruder des zurückgetretenen Vizepräsidenten Alvaro Garcia Linera, Raúl García Linera, zu eröffnen.

„Warum ist das eine Jagd? Er ist ein Tier, das Leute in unserem Land umbringt, und das werden wir nicht zulassen“, sagte Murillo. Wer zum Aufstand aufrufe, werde mit aller Härte verfolgt werden.

Bewaffnete auf der Straße

Áñez hat sich zuvor der Loyalität von Streitkräften und Polizei versichert und einige Führungspersonen ausgetauscht. In La Paz und anderen Städten sind bewaffnete Kräfte auf den Straßen. Unter Anhänger*innen von Evo Morales geht die Angst vor Verfolgung um.

Während neben der US-amerikanischen vor allem lateinamerikanische Rechtsregierungen wie die von Brasilien, Argentinien und Kolumbien – und der selbsternannte Interimspräsident von Venezuela, Juan Guaidó – inzwischen Áñez als Übergangspräsidentin anerkannt haben, erklären sowohl Abgeordnete der Bewegung zum Sozialismus (MAS) als auch Morales die Amtsübernahme von Áñez für verfassungswidrig.

In einem Interview mit der spanischen Zeitung El País beklagte Morales erneut, Opfer eines Putsches geworden zu sein, und erklärte, solange das Parlament seinen Rücktritt nicht formal angenommen habe, sei er verfassungsrechtlich gesehen weiterhin Präsident. Er sei bereit, nach Bolivien zurückzukehren – nicht um zu regieren oder bei Neuwahlen erneut als Kandidat anzutreten, sondern um bei der Befriedung des Landes durch Dialog zu helfen.

Gericht argumentiert mit Machtvakuum

Am Mittwoch trafen sich im Parlament erstmals seit Morales' Rücktritt die Abgeordneten der MAS, die in beiden Kammern über eine Zweidrittelmehrheit verfügen. Sie waren am Montag und Dienstag den Sitzungen ferngeblieben, so dass das Parlament über die Annahme der Rücktrittserklärungen der Regierung nicht hatte abstimmen können.

Das oberste Gericht hatte am Dienstag entschieden, dass durch die Abreise von Präsident und Vize nach Mexiko ein Machtvakuum entstanden sei, das sofort gefüllt werden müsse. Deshalb segnete es die Amtsübernahme durch Áñez ab. De facto ist Áñez damit neue Staatschefin, obwohl das rechtlich zumindest fragwürdig erscheint.

Am Mittwoch versuchte die bisherige Senatspräsidentin Adriana Salvatierra (MAS), in den Senat zu gelangen. Sie wurde von der Polizei daran gehindert. Salvatierra, die am Wochenende ebenfalls ihren Rücktritt erklärt hatte, verurteilte das Vorgehen. Auch über ihren Rücktritt habe die Kammer nicht abgestimmt, insofern sei sie weiterhin Senatorin und gewählte Senatspräsidentin. Damit stünde sie in der Abfolge über Áñez, die als zweite Vizepräsidentin das Amt der Präsidentin übernommen hatte.

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59 Kommentare

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  • man kann durchaus unterschiedlicher meinung sein ob morales nochmal antreten sollte. aber bei dem was jetzt in bolivien abgeht kann ich die handlungsweise von morales nachvollziehen, denn sein abgang hätte und hat ja nun, der weißen oberschicht wieder die tür zur regierung geöffnet und weiter die ausbeutung und ausrottung der indigenen bevölkerung angetrieben. sein werk wird jetzt wohl zurückgeschraubt und vernichtet werden. vor diesem hohrrorszenario hätte ich auch versucht weiterhin an der macht zu bleiben

  • Es zeigt sich, dass in Venezuela Maduro vollkommen richtig gehandelt hat, den Putschfreund Guaido nicht ans Ruder kommen zu lassen.

  • Hier vermischen sich Grundsatzfragen mit den konkreten Ereignissen in Bolivien.

    Die Proteste, die dem Putsch gegen Morales, (Ja, es war ein Putsch) vorausgegangen waren, richteten sich offiziell gegen mutmaßliche Wahlfälschungen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl. Morales hat daraufhin die OAS eingeladen(!), die Wahlen zu untersuchen. Es wurden Unregelmäßigkeiten, technische Pannen, und widersprüchliche Ergebnisse festgestellt. Aber keine von Morales in Auftrag gegebene Wahlfälschungen. Die durch die OAS beanstandeten Auffälligkeiten hätten, so sie denn tatsächlich stattfanden, das Ergebnis um 0,2 Prozent beeinflusst. Auch diese hätte den Sieg von Morales bedeutet. Angesichts der angespannten Lage, hat Morales ankündigt sich einer Stichwahl gegen den unterlegenen Kandidaten Mesa nicht in den Weg stellen zu wollen. Erst danach ist er durch das Militär zum "Rücktritt" gezwungen worden. In Bolivien herrschen Meinungs- und Pressefreiheit, in dem Sinne, dass die öffentliche Meinung, wie in den meisten anderen Ländern Lateinamerikas auch, durch private, rechtsgerichtete und evangelikale Medienkonzerne dominiert wird. Das war vor Morales so und auch unter Morales so. Morales hat keine "wohlmeinende Diktatur" angeführt. Morales hat bestenfalls versucht klassisch sozialdemokratische Themen umzusetzen. Bestimmten Kreisen in Bolivien war schon das zuviel.

  • Der Baukonzern der Familie Odebrecht in Lateinamerika.

    Die ''soziale Marktwirtschaft'' im Baukonzern der Familie Odebrecht: Korruption gehörte von Anfang an zum Geschäftsmodell. Bestochen wird mit deutscher Gründlichkeit in ganz Lateinamerika.

    Das von einem Deutschen in Brasilien gegründete Unternehmen Odebrecht ist der größte Baukonzern Lateinamerikas.

    Per Helikopter oder Privatjet kommen die Eigentümer aus der Hauptstadt Salvador eingeflogen. Mit Jachten fahren die jüngeren Familienmitglieder in die hippen Stranddörfer der Umgebung. Aber erst, nachdem sie tagsüber Deutsch und Mathematik mit Privatlehrern gebüffelt haben und in die unternehmerische Philosophie des Familienkonzerns eingewiesen worden sind.

    Währenddessen diskutieren die Eigentümer mit ihren Topmanagern bei Langusten in Kokosmilch über die Unternehmensstrategien.

    Doch diesmal ist es ruhig geblieben in Serrinhaem. Der Grund: Marcelo Odebrecht, bis vor kurzem CEO und Miteigentümer des Konzerns, sitzt im Gefängnis, verurteilt zu neunzehn Jahren wegen Korruption, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Sein Vater Emílio Odebrecht und 77 andere Direktoren und Manager des Konzerns haben Kronzeugenstatus beantragt. Viele sind in Haft oder haben Hausarrest. –

    Zwischen 2006 und 2014 haben sie 3,4 Mrd. $ Schmiergeld an Beamte und Politiker in zwölf Ländern Lateinamerikas und Afrikas bezahlt. Damit sicherte sich Odebrecht den Zuschlag bei öffentlichen Ausschreibungen und konnte überhöhte Preise verlangen. Ein Teil des Geldes landete in den Taschen der Politiker, welche die Deals durchgewinkt hatten. (Ein Auszug, vgl.)

    NZZ: www.nzz.ch/wirtsch...lichkeit-ld.151836

    • @Reinhold Schramm:

      Danke für den Link.

  • unabhängig davon ob ein präsident fehler gemacht hat oder nicht,hat sich das militär nicht in die politik einzumischen.wenn es dies dennoch tut ist dies ein putsch



    die möglichkeit von putschismus nicht präventiv bekämpft zu haben war der grösste fehler von Evo Morales



    Es war auch der grösste Fehler von Salvador Allende

    "Mexico, Uruguay, Nicaragua and the president-elect of Argentina have all denounced Morales’s departure as a coup."

    "A coup has a simple and straightforward definition. It’s the unconstitutional removal of a sitting president before that president’s term in office is up. And in the case of Bolivia, Evo Morales is the elected president. His term isn’t due up until January 21st of 2020. And in this case, on Sunday, you had the lead commander of the Bolivian Armed Forces directly intervening and ordering Evo out of office. So that’s a coup. And I think that’s pretty straightforward. That shouldn’t be controversial.

    What makes this coup particularly dangerous is that it is being supported by the most racist and reactionary elements in Bolivian society, as well as by the United States. "

    Kevin Young



    www.democracynow.o...orales_coup_debate

    • @satgurupseudologos:

      "unabhängig davon ob ein präsident fehler gemacht hat oder nicht,hat sich das militär nicht in die politik einzumischen.wenn es dies dennoch tut ist dies ein putsch "

      Auch Ihnen: In Bolivien ist so eine sanfte Entmachtung durchaus vorgesehen. Das Militär ist nicht auf das Parlament eingeschworen sondern auf die Verfassung und darf sich laut dieser auch innenpolitisch als ihre Schutzmacht betätigen. Wenn man sich als bolivianischer Präsident also NICHT der Unterstützung von Bevölkerung und Armee 100% sicher ist, ist so ein Verfassungsbruch zum eigenen Machterhalt ein extrem riskantes Unterfangen.

      • @Normalo:

        Ich kann Ihre argumentation nicht nachvollziehen!



        ob eine verfassung gebrochen worden ist oder nicht ist doch nur eine frage der interpretation.und die ist ziemlich beliebig und willkürlich.jede partei hat eine andere meinung darüber was ein verfassungsbruch ist und was nicht,und an winkeladvokat*innen und rechsverdreher*innen wird es auch unter verfassungsrechtler*innen nie fehlen.



        die brd bricht ihre verfassung-das grundgesetz doch auch -ziemlich oft und teilweise systematisch und schon seit langem :soll darum die bundeswehr das recht haben zu putschen?



        wenn armeen wegen wirklicher oder vermeintlicher verfassungsbrüche der regierung putschen dürfen-ist dem putschismus das tor ganz weit geöffnet!denn dass staaten sich nicht an ihre verfassungen halten kommt oft vor



        im übrigen kann als recht geltendes unrecht auch in verfassungen und nicht nur in normalen gesetzen stehen.warum sollte man ein unrecht nicht beenden -nur weil es in der verfassung steht?verdient es deswegen etwa mehr respekt?



        die schweiz hat den minarettbau auf ihrem territorium verboten und das gegen die religionsfreiheit verstossende und damit menschenrechtswidrige verbot dummerweise sogar in ihre verfassung geschrieben?ist diese dummheit nun weniger dumm nur weil sie in der schweizer verfassung steht



        doch zurück zum putschismus!der in der schweiz übrigends garantiert nicht droht



        zum beispiel könnte irgendeine zukünftige us-regierung -auf die vernünftige idee kommen ihren bürger*inne*n den besitz von schusswaffen zu verbieten-um dem morden einhalt zu gebieten und die zahl der selbstmorde zu reduzieren



        das wäre nach dem amerikanischen verfassungsrecht dass aus einer zeit stammt ,für deren damals legale verbrechen sich amerika eigentlich schämen sollte ,ein klarer verfassungsbruch, und nach Ihrer argumentation dürfte die amerikanische armee dann in washington einmarschieren und die präsidentin oder den präsidenten absetzen



        begreifen Sie nun wie absurd Ihre argumentation ist?

        • @satgurupseudologos:

          noch ein kleiner nachtrag zum namen der amerikanischen hauptstadt.er sollte unbedingt geändert werden.



          warum ?



          weil es in unserer zeit nicht mehr akzeptabel ist und sein darf rassistische gewaltverbrecher im öffentlichen raum zu ehren.



          George Washington war ein sklavenhalter kriegsverbrecher und völkermörder der schwere verbrechen gegen die menschlichkeit begangen hat.



          sein name ist zu ächten!der personenkult um diesen mann ist zu beenden!



          alle denkmäler die an ihn erinnern sind abzureissen!



          nur einem amerika dass mit der verehrung von rassistischen massenmördern schluss macht wird die welt weniger misstrauen können als sie dem heutigen amerika zu recht misstraut!







          www.rubikon.news/a.../war-es-volkermord

          da die amerikanische hauptstadt an einem fluss namens potomac liegt könnte sie in zukunft potomac-city heissen

          die russen haben stalingrad dass an der wolga liegt bald nach dem tod von Josef Stalin der auch viele menschenleben auf dem gewissen hat wolgograd genannt



          das war eine gute und richtige entscheidung-



          obwohl man Josef Stalin durchaus auch noch heute dafür danken soll dass die von ihm geführte rote armee europa vom faschismus befreit hat

  • Ein Putsch? Möglich. Aber Morales hat es seinen Gegnern durch seine Verfassungsbrüche auch leicht gemacht.



    Hier wird von Foristen direkt oder indirekt argumentiert, dass diese notwendig gewesen wären, um die sozialen Fortschritte, die Morales zweifellos erreicht hat, zu bewahren. Aber da fangen wir an, uns in sehr gefährlichem Fahrwasser zu bewegen - der Schritt zum mehr oder weniger "wohlmeinenden Diktator" ist dann nicht mehr weit. Sollen die grundlegenden Errungenschaften wie die Demokratie - und damit eng zusammenhängend Meinung- und Pressefreiheit - auf diesem Altar geopfert werden?



    Ich denke, es ist das zentrale Problem vieler linken Regierungen, sich diesem Widerspruch ausgesetzt zu sehen. Und ich denke, das erklärt auch das manchmal etwas ambivalente Verhältnis vieler taz-Foristen zum liberalen Rechtsstaat: sie wollen das Richtige - aber zu welchem Preis?



    Freue mich auf eine angeregte Diskussion!

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @Emmo:

      Sehe ich genauso. Die neue Regierung ist eine unrechtmäßige Putschregierung, aber verkackt hat es Evo Morales selbst. Er hätte in der Zeit seiner zwei regulären Amtszeiten die Gelegenheit gehabt, Nachfolger aufzubauen. Stattdessen klebte er selbst am Präsidentenstuhl. Und das hat den Rechten leider so massiv in die Hände gespielt, daß Bolivien nun von Putschisten beherrscht wird.

    • @Emmo:

      ganz meine Meinung. Wer demokratische Spielregeln, sei es fahrlässig oder bewusst, außer Kraft setzt, spilet in Lateinamerika mit dem Feuer. Das hätte sich Morales vorher gut überlegen müssen. So ist er wieder Willen zum Steigbügelhalter des Putsches geworden. Dumm gelaufen! (Auch wenn ich links gut finde, geht das ausschließlich nur über saubere und faire Wahlen!)

      • @Martin L.:

        1. Morales hat die Wahl gewonnen



        2. Die Wahlen waren demokratisch



        3. Die OAS, die die Wahlen untersucht hat kam auf Einladung von Morales nach Bolivien



        4. Aus dem Bericht geht nicht hervor, dass Morales die Wahlen gefälscht hat, bei den festgestellten Unregelmäßigkeiten ist nicht klar, wer der Auftraggeber war, die Unregelmäßigkeiten haben das Wahlergebnis um 0,2 Prozent beeinflusst.



        5. Im Parlament verfügt die MAS über eine 2 Drittel Mehrheit. Die Putschistin Anez verfügt über keinerlei parlamentarischen Rückhalt.

        • @Sandor Krasna:

          1. Morale hätte gar nicht zur Wahl stehen dürfen, also konnte er sie auch nicht legal gewinnen. Solche Amtszeitbegrenzungen haben eine Sinn und antizipieren durchaus, dass ein Langzeit-Präsident auch noich eine und noch eine und noch eine Wahl gewinnen könnte.

          2. Die Beschlussfassung über die Verfassung, in der das so steht war AUCH demokratisch.

          3. Nett von ihm. Ohne diese Einladung hätte er sich auch gleich eine Fantasieuniform anziehen und sich auf Lebenszeit inthronisieren lassen können.

          4. Stimmt vielleicht, war aber möglicherweise auch nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

          5. Die MAS muss schauen, dass sie wieder zur Verfassungsmäßigkeit zurückfindet. Dazu sind so ein paar Monate Oppsition-trotz-Mehrheit vielleicht gar nicht schlecht. Jedenfalls hätte es den MAS-Abgeordneten offengestanden, sich konstruktiv am Übergang der Regierung auf einen MAS -Kandidaten zu beteiligen, der NICHT von der Verfassung vom Amt ausgeschlossen ist. Dass Anez jetzt ohne Mehrheit regieren muss, ist auch kein Problem. Im Gegenteil wird sie das hindern, vor der Wahl noch irgendwelche gesetzgeberischen Fakten zu schaffen. Ein weiterer MAS-Präsident wäre solchen faktischen Machtbeschränkungen nicht unterworfen.

          • @Normalo:

            zu 1. Die Proteste bezogen sich auf mutmaßliche Wahlfälschungen. Außerdem hat Morales bei der Frage einer Amtszeitbegrenzung vom Verfassungsgericht Recht bekommen.







            zu 2. Ja, so wie auch das Verfassungsgericht demokratisch legitimiert ist, das Morales Kandidatur erlaubte.

            Zu 3. Die Polemik läuft ins Leere. Wer Morales Wahlfälschung vorwirft und aufgrund dessen seinen Rücktritt fordert, sollte die Vorwürfe auch beweisen können. In dubio pro reo. Morales hätte die OAS nicht ins Land lassen müssen.

            Zu 4. "Der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte" war eine gut orchestrierte Protestbewegung. Der Putsch wurde lange vorbereitet. Die Machtübernahme sollte auf jeden Fall geschehen. Auf welchen Wege auch immer. Da es mit den Wahlen nicht geklappt hat, musste halt Chaos gestiftet werden und das Militär nachhelfen.

            5. Abgeordnete und Amtsträger mit MAS-Parteibuch wurden massiv bedroht, geschlagen, ihre Familienangehörigen angegriffen, ihre Wohnsitze zerstört, die Polizei verweigerte den Schutz. Ich sehe nicht, wie da eine konstruktive Mitarbeit möglich sein soll.

        • @Sandor Krasna:

          Der Bericht der OAS hat zu der Entscheidung einer Wahlwiederholung geführt. Danach ist Morales nach Mexiko geflogen bzw. sein Stellvertreter vom Amt zurückgetreten. Damit wird lt Verfassung die 2. Vizepräsidentin zum Interims-Regierungschef - in persona von Anez. Man muss das nicht mögen, aber man kann daran keinen Vorwurf an Anez konstruieren.

          • @alterego:

            Morales ist durch das Militär zum Rücktritt gezwungen worden. Seine Flucht nach Mexiko, geschah unter den Eindruck von Morddrohungen. Laut Verfassung ist nicht die 2. Vizepräsidentin als Interims-Regierungschef vorgesehen, sondern die 1. Mein Vorwurf an Anez bezieht sich nicht allein auf die "Umstände" ihrer Machtergreifung ,sondern auf die Politik für die sie steht, ihr Menschenbild und ihre aggressive Rhetorik.

  • es geht nicht imm er nur um schwarz/weiß recht/links! wenn morales seine macht nicht mißbraucht hätte ge der verfassungsänderung etc ,dann währe ein demokratischer prozeß da gewesen, so haben ´wir ´den salat.die suppe löffeln dann immer die armen aus ,egal welcher machtapparat sich da die taschen voll macht.das war in lateinamerika immer so...lo siento!

  • Es ist nicht ein Anti- Morales Kabinett.



    Es ist einfach ein von Rechten szenierte Putsch. Die Rechte Szene zusammen mit dem Sicherskrafte haben keine Interesse an eine Demokratie.



    Diese Satz sagt alles: "Wer zum Aufstand aufrufe, werde mit aller Härte verfolgt werden..."

    • @yurumi:

      Mit sochen Behauptungen wird man der Interimsregierung nicht beikommen. Dazu spricht zuviel für sie und zu wenig für Morales.

      Wenn ein Präsident entgegen der - durch Volksabstimmung bestätigten - Verfassungsrechtslage an seinem Amt festhält, dann ist das aus gut vertretbarer Sicht bereits Putsch genug. Hierzulande könnte man gut argumentieren, dass vergleichbares power-grabbing (zur Vermeidung der vorbelasteten deutschen Version des Begriffs) wohl das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. IV GG auslösen würde.

      Auch die Rolle des Militärs beim Rücktritt von Morales ist durchaus staatsrechtlich gestützt. Die Armee ist wohl in Bolivien weniger ein Parlaments- als ein "Verfassungsheer" mit durchaus innenpolitischen Aufgaben.

      Dass die Intermimsregierung nicht aus Morales-Unterstützern besteht, lässt sich auch ganz gut begründen: Seine Parteifreunde haben ja bislang Alles getan, um genau die reibungslose Aufstellung einer solchen Regierung zu verhindern. Sie ins Kabinett zu setzen, hieße den Bock zum Gärtner zu machen.

      Der aktuelle Ausnahmezustand ist sicher auch kein geeigneter Gradmesser, um lupenreines Demokratentum und kühle Gemüter unter den Scheffel zu stellen. Fakt ist, dass die Regierung durch den obersten Gerichtshof mit der Aufgabe betraut ist, Ordnung zu schaffen und den demokratischen Prozess wieder auf die Gleise zu stellen. Das schließt auch die Unterdrückung von Bestrebungen zu einem "Gegenputsch" ein.

      Will sagen: Selbst WENN die Unterstellungen stimmen, hat diese Regierung genug formale Legitimität, um sich ein paar Monate zu halten. Man kann und sollte sie daran messen, wie sie regiert und vor allem die anstehenden Wahlen angeht.

      • @Normalo:

        Welche anstehenden Wahlen? Was deutet daraufhin, dass diese stattfinden werden? Die Bibel in der Hand und die Androhung, Demonstrationen gewaltsam zu unterdrücken?



        Die Legitimität der Interimsregierung ist nicht gegeben. Ein Wahlergebnis, dem keine glaubhaften Verdachtsmomente eines Wahlbetruges anhafteten, wurde weggewischt und ignoriert.



        Ist das die Demokratie, von welcher jetzt durch Steigbügelhalter für Rechte gefaselt wird?

        • @Hampelstielz:

          Seit wann ist jede Demonstration "Aufruf zum Aufstand"?

          • @Normalo:

            Demonstrationen gegen die rechte Regierung, welche deren Absetzing, berechtigterweise fordern, werden mit Sicherhei als solche gewertet werden.

        • @Hampelstielz:

          Nun, die schon (noch von Morales) angesetzten Wahlen wieder abzusagen und sich dauerhaft einzurichten, wäre natürlich auch ein möglicher - und sehr vielsagender - Weg sie "anzugehen", oder? Dann wüsste man jedenfalls, woran man ist. ;-)

          Bis dahin ist aber Alles Spekulation - auch Ihre offenbar recht stramm vorgefassten Überzeugungen, welche Ansagen dieser Interimsregierung absolut ernstzunehmen sind und welche man als nur so dahergesagt behandeln kann...

          • @Normalo:

            Es geht übrigens schon los mit dem Massakrieren von Demonstranten. Von welchen 'Vorurteilen' schreibst du eigentlich? Die Entwicklung war klar und deutlich abzusehen.

          • @Normalo:

            Ist schon richtig, dass es jetzt erstmal nur um die nächste Wahl geht, und zwar spätestens im Februar. Kann mir aber nicht vorstellen, dass das glatt läuft. Viel zu riskant, denn die MAS mit Morales hatte ja immer die Mehrheit, Stichwahl hin oder her. Bin überzeugt, dass die bisherige Opposition, mit all ihrem Einfluss und Geld im Hintergrund, die wiedergewonnene Regierungsgewalt nun mit Zähnen und Klauen verteidigen wird. Ihr triumphales Auftreten zeigt das schon jetzt überdeutlich.



            An Morales gibt es viel berechtigte Kritik. Nicht zuletzt, dass er v. a. Klientelpolitik für die Aymara und Quechua im Hochland gemacht und sich die Lage etwa für die Guarani im Tiefland insgesamt eher verschlechtert hat. Aber das ist vmtl. nichts gegen das, was der gesamten armen, hauptsächlich indigenen Bevölkerungsmehrheit unter einer erneuten rechten Regierung blühen würde.

            • @Ruhig Blut:

              Die Gefahr ist sicher da, aber nicht Jeder, der ein Motiv und die Mittel für eine Untat hätte, wird damit automatisch zum Verbrecher. Mir geht diese Vorverurteilerei auf den Senkel. Warum muss man Menschen, die andere politische Standpunkte vertreten als man selbst, immer gleich als moralbefreite Böslinge sehen?

              Das Triumphgeheul ist auch ohne unterstellte Machtgeilheit aus Sicht der Opposition(!) sicher angebracht. Sie hat etwas rechtzeitig und weitgehend ohne Blutvergießen beendet, was für sie erhebliche Merkmale einer aufknospenden Diktatur zeigte. Aus deren Sicht: Alles richtig gemacht.

              • @Normalo:

                "Mir geht diese Vorverurteilerei auf den Senkel. Warum muss man Menschen, die andere politische Standpunkte vertreten als man selbst, immer gleich als moralbefreite Böslinge sehen?"



                Es leider kein Vorurteil. Uns hat die Südamerikanische Geschichte das belehrt.



                Wenn Sie die konservativen in der BRD mit denen in Bolivien vergleichen, ist es als ob Sie Äpfel mit Birnen vergleichen. Hr. Seehofer hat Hrn. Maas oder Hrn Scholz nie als TIER bezeichnet, das gejagt werden soll. Diese Sprache ist eine rechtextremistische Sprache, welche man früher nur bei der NSAP zu finden war und jetzt in Teilen der AfD oder NPD zu finden ist. Leider ist dieser Teil der Bevölkerung in Südamerika stark vertreten bei den Militärs. Diese rechtsgerichtete Gruppe hat zusammen mit dem Sicherheitskräfte in ganz Südamerika (Operation Condor) fast eine ganze Generation vernichtet. Verschleppt, Im Kerker gesteckt ohne Anklage geschweige ein Urteil und größtenteils verschwinden lassen. Also mit den einfachen Worten des jetzt von Añez designierten Innenministers. Sie wurden "Gejagt".



                Nein, leider ist es kein Vorurteil...

              • @Normalo:

                „Warum muss man Menschen, die andere politische Standpunkte vertreten als man selbst, immer gleich als moralbefreite Böslinge sehen?“

                Sehe ich, was die Diskussion zwischen Gleichberechtigten unter demokratischen Bedingungen betrifft, genauso. Zumal hier im Forum.



                Für die Beurteilung der Politik in Bolivien ist das allerdings wenig relevant. Dort geht es nicht um ideelle Unterschiede bei der Suche nach dem besten politisch-ökonomischen Weg für alle, sondern primär um einen Machtkampf zwischen den neuen Emanzipations- und Befreiungsbewegungen wie der von Morales und den alten Machteliten, welche das Land – mal stark heruntergebrochen – seit der Conquista feudal beherrschen und ausbeuten. Nicht anders als in den Nachbarstaaten. Deren abgrundtief rassistische Herrenmenschenmentalität, ihr Standesdünkel und nationaler Chauvinismus, die übrigens tief in die mestizische Mittelschicht hineinreichen und im Alltagsleben allerorten immer noch selbstverständlich sind, findet im flauschigen Europa unserer Zeit kaum ihresgleichen; dagegen ist auch die AfD nur ein Vogelschiss. Vergleichbar wäre es eher mit unserem 19. Jhd.



                In ihrem Selbstverständnis ist und war Bolivien schon immer IHR stolzes Land (spiegelt sich etwa auch in der, unsereins abstoßend anachronistisch anmutenden, Propaganda bzgl. des Uraltkonflikts mit Chile und Peru wider), nicht das pittoreske Indigenenidyll aus Reisebroschüren. Eine Kränkung ohnegleichen, dass ungebildete, indigene Bauern so lange die Regierungsgewalt innehatten. Und man kann davon ausgehen, dass diese Eliten nicht ruhen und rasten werden, bis sie die alte Ordnung, wenn auch in zeitgemäß veränderter Form, wiederhergestellt haben.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Pullach - wieder schwer aktiv?

    Jungs, es geht 'nur' um Bolivien. Oder übt Ihr schon mal im Kleinen für spätere Zeiten?

    Glückauf.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      "'nur' um Bolivien" ?



      Es geht hier u.a. um das größte Lithium-Vorkommen der Welt, dessen Ausbeutung durch ein deutsch-bolivianisches Joint Venture eine Woche vor dem Putsch durch Morales gestoppt wurde.



      Unsere Schlapphüte sind übrigens vor kurzem von Pullach nach Berlin umgezogen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @jhwh:

        Danke für die Infos.

        Wir könnten als Duo weitermachen: Sie auf der sachlichen Seite, ich auf der semantischen, wenn nötig auch vehementen.

        Schön, dass Sie Pullach trotz meines Faux-pas richtig zu deuten wussten.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          ... danke für die freundliche Art, mich auf gelegentliche semantische Defizite hinzuweisen :)



          Das mit dem Duo (Waldorf + Statler ?) wird sich bei Bedarf schon ergeben.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @jhwh:

            Asche über mein Haupt.

            Ich sprach nicht von Ihren semantischen Defiziten (die können Sie viel besser selbst diagnostizieren), sondern von meinen semantischen Stärken. ;-)

            Ich hätte auch als Gegensatzpaar 'Form und Inhalt' nehmen können. Ist nie gänzlich polar. Dem Meister der Form steht ein Minimum an Inhalt zur Verfügung - und umgekehrt.

            W&S: super!!! Hauptsache: Lästern. Für mich wichtig wie die Luft zum Atmen.

            • @76530 (Profil gelöscht):

              "W&S: super!!!"

              Naja, wenn alle geeigneten Kandidaten hier sich zusammentun, muss man allerdings den Balkon deutlich vergrößern...

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @Normalo:

                Als integrativer Mensch: Kein Einwand. Eine Eingabe bei der taz-Redaktion könnte erfolgsversprechend sein.

                Freies Lästern für alle. Ganz basisdemokratisch - liberal.

  • Der Karren wurde tief in den Dreck gefahren...



    Der „Fahrer“ ist flüchtig...



    Die Verfassungskonform gebildete „Notfall“ Regierung tritt an...



    In diesem Kontext sind Spekulationen über politische Positionen erst relevant wenn erste Chaos beseitigt ist.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @alterego:

      Vorbild: Chile 1973?

    • @alterego:

      Chaos beseitigen heißt bis alle Morales Anhänger von der Machtbasis entfernt, die Proteste erfolgreich unterdrückt wurden?

    • @alterego:

      Was wolltest du aussagen?

      • @Hampelstielz:

        ...dass die Regierung Morales durch Fehler die Bevölkerung gegen sich aufgebracht hat und sich der Verantwortung durch Flucht entzieht.

        • @alterego:

          Die Regierung Morales hat eine bedenkliche Entwicklung genommen. Die folgende rechte Regierung, welche die Verfassung ignorierend einen Putsch, gestützt durch die Exekutive des Landes angezettelt hat, wird nun wiederum viel Blut vergießen, hat bereits angekündigt, die Sozialausgaben zu senken und wird Gesetze, geeignet zur Unterdrückung, verschärfen.

        • @alterego:

          Ich habe den Eindruck, Sie haben den Artikel gar nicht gelesen...



          Es ist ein großer Teil der Bevölkerung, der gerade auf der Strasse ist. Morales möchte sogar zurück. Hat aber keine Garantie durch die Sicherheitskräfte.

          Das Verhalten der Sicherheitskräfte, (welche in Südamerika eher sehr rechts gerichtet) lässt sehr zu wünschen übrig. Gegen das Teil der Bevölkerung der gegen einem legitimen President (Morales) den Aufstand probte, wollte sie nicht vorgehen.



          Jetzt geht sie sogar mit Panzerwagen dagegen und verhindert sogar Senatoren an die Sitzung teilzunehmen.



          Wenn jetzt sogar von "Jagd" gesprochen wird...



          Ist das Ihr Verständnis von Demokratie?

  • Morales hat leider den Zeitpunkt zum Abtreten verpaßt. Er hätte schon vor Jahren in seiner Partei einen Nachfolger aufbauen müssen und die Verfassung respektieren müssen. So hat er sein Erbe nachhaltig beschädigt.

    • @Generator:

      Das hätte sein "Erbe" wohl kaum bewahrt, denn es stehen sich politische, ökonomische unterschiedliche Interessen gegenüber, die von Seiten der ehemaligen Opposition nicht mehr in Kompromissen "versöhnt" werden sollten. Es werden dann halt alle konformen/unkonformen Mittel genutzt um den politischen Gegner zu Fall zu bringen, sobald das Dafür die nötige Notwendigkeit, Unterstützung erfährt.

    • @Generator:

      Es geht nicht um das "Erbe Morales" sondern darum, wie es nun mit Bolivien weitergeht, und mit diesem "Gruselkabinet" sehe ich die Zukunft des Landes in ziemlich düsteren neoliberalen, evangelikalen, rassistischen und autoritären Farben.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Sandor Krasna:

        Warum sollten die Bolivianer auch klüger sein als wir Deutschen (inkl. Zugereisten)?