Böhmermann und der Varoufakis-Finger: Eine Aspirin, bitte!

Hat Jan Böhmermann gefälscht – oder nicht? Das ZDF sagt: alles Satire. Aber letztlich ist das egal, denn die Geschichte liefert einige wichtige Erkenntnisse.

Auf den Thron mit ihm! Bild: dpa

Man bekommt Kopfschmerzen. Zweifelt plötzlich an allem. Fake? Oder Fake eines Fakes? Medien-Coup? Oder Medien-Gau? Oder beides? War der Mittelfinger von Varoufakis echt? Hat ihn ZDF-Moderator Jan Böhmermann gefälscht? Oder ist die Fälschung falsch? Was ist wahr und was ist Lüge? Es bleiben einige wichtige Erkenntnisse über Medien, Recherche, Aufmerksamkeit und Erregung.

Nachdem Jan Böhmermann Mittwochabend in einem Video behauptet hatte, den Mittelfinger von Varoufakis, der seit Sonntagabend halb Deutschland beschäftigt, gefälscht zu haben, tobt das Netz. Der Satiriker wird mit Lob überschüttet und mit Zweifeln konfrontiert.

Donnerstagmittag scheint die Geschichte eine weitere Wendung zu nehmen, aus dem #varoufake entwickelt sich ein #varoufakefake. Das ZDF teilte mit: „Das 'Neo Magazin Royale' ist eine Satiresendung. Die Redaktion hat die Debatte über das Varoufakis-Video nach der Ausstrahlung in der Jauch-Talkshow satirisch zugespitzt.“ Dafür habe Jan Böhmermann die Möglichkeiten der Video-Manipulation sehr anschaulich dargestellt.

Ist das die Auflösung? Also doch Fake-Fake? Oder kann man selbst der ZDF-Pressestelle nicht mehr trauen? Alles nur ein weiterer Dreh im Satire-Coup?

Varoufakis bleibt unterdessen bei seiner Darstellung: Den Finger habe er nie gezeigt. Auch Böhmermann reagiert in einem Video, das jedoch wenig zur Wahrheitsfindung beiträgt.

Subversiv-Organisator Srecko Horvat erklärt am Donnerstag der taz: „Was Jan Böhmermann mit seiner Satire beweist, ist nicht, ob der Finger echt oder falsch ist, sondern dass uns allen der Finger gilt.“ Unser Kontinent blute aus wegen der Austeritätspolitik. Überall werde man Zeuge von menschlichen Krisen, katastrophaler Arbeitslosigkeit und privater Verschuldung. „Und alles, was wir in der letzten Woche gemacht haben, ist, über den Mittelfinger zu sprechen.“ Wenn nur der das Problem Europas sei, dann „verdienen wir nichts anderes als den Finger.“ Zur Wahrheitsfindung trägt auch das wenig bei.

Wahrheit ist irrelevant

Letztlich ist es aber auch egal, welche Version stimmt. Die Wahrheit ist nicht immer relevant, auch wenn das gerade für Medienmenschen schwer auszuhalten ist und ihnen Kopfschmerzen bereitet, ist es doch ihre Aufgabe, die Wahrheit zu finden.

Die grandiose Aktion hält uns allen einen Spiegel vor. Sie zeigt, wie einfach die mediale Erregungsspirale heute in Bewegung zu setzen ist. Wie schnell sich Journalisten lieber auf Nebensächlichkeiten wie einen Stinkefinger stürzen, als über die wahren und komplexen Probleme der Eurokrise zu berichten. Ein Mittelfinger ist eben eindeutiger einzuordnen als Hilfspakete und Schuldenschnitte.

Böhmermann zeigt auch, wie gerne Medien Worte, Sätze, Gesten aus dem Zusammenhang reißen und ihnen so Bedeutung zu verleihen versuchen. Wie schwierig es ist, Hintergründe und Fakten auf Basis von Bildern und Videos zu recherchieren. Wie einfach Manipulation funktioniert. Von Bildern und von Journalisten.

Der Satiriker kennt die Medienlandschaft samt der Mechanismen dahinter sehr gut und weiß, wie er sie für sich nutzen kann. Das hat er mehrfach bewiesen. Für seine Finger-Aktion gebührt ihm Dank, Ehre und eine tiefe Verbeugung.

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