Blinken in Nahost: Washington sieht Schlüssel in Riad
Erneut ist US-Außenminister Blinken in Nahost unterwegs. Sein Ziel: ein baldiges Ende des Krieges. Die USA setzen dabei vor allem auf Saudi-Arabien.
Denn diese Verhandlungen sind erneut ins Stocken geraten. Nach wie vor hat die Hamas kein offizielles Statement zu dem Vorschlag abgegeben, den Ägypten, Katar, die USA und Israel vor mehr als einer Woche in Paris erarbeitet haben. Laut Medienberichten sieht er eine längere Feuerpause sowie die Freilassung von palästinensischen Gefangenen im Austausch für israelische Geiseln vor.
Doch der Streit zwischen den Hamas-Führern darüber ist offensichtlich noch nicht beigelegt. Laut Wall Street Journal würde der Hamas-Chef des militärischen Flügels, Jahja Sinwar, eine sechswöchige Feuerpause akzeptieren. Der Kopf des politischen Flügels, Ismail Hanijeh, bestehe von Katar aus aber auf weitere Zugeständnisse und einen permanenten Waffenstillstand.
Seitdem Details über das mögliche Abkommen an die Öffentlichkeit durchgesickert sind, hat auch Israels Premier seine Rhetorik verschärft. Er werde einem Ende der Kämpfe nicht zustimmen und auch nicht „Tausende von Terroristen“ freilassen, stellte Benjamin Netanjahu klar. Am Montag ging er noch einen Schritt weiter und kündigte an, der Krieg werde nicht enden, bevor Israel die Führer der Hamas getötet habe.
Diese scheinbare Kompromisslosigkeit dürfte von seiner Sorge um sein Regierungsbündnis rühren. Seine rechtsextremen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir drohten mehrfach, dass sie einen „rücksichtslosen Deal“ mit einem Austritt aus der Regierung quittieren würden. „Rücksichtslos“ bedeutet in ihren Augen ein Ende der Kämpfe und die Freilassung vieler palästinensischer Inhaftierter.
„Nahkämpfe“ in Chan Junis
Doch die USA haben andere Pläne. Die Zeitung Times of Israel zitiert einen hochrangigen US-Beamten, dass eine Feuerpause der US-Regierung erlauben würde, „regionale Initiativen“ voranzutreiben. Geht es nach Washington, soll Saudi-Arabien eine größere Rolle im Nachkriegsszenario für Gaza und bei der Initiative für einen palästinensischen Staat spielen. Am Montag hatte Blinken in Riad mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman über die Notwendigkeit einer „regionalen Koordination“ gesprochen, „um ein dauerhaftes Ende der Krise im Gazastreifen zu erzielen“, wie Blinkens Sprecher mitteilte.
Saudi-Arabien zeigt sich trotz des Gazakriegs an einem Normalisierungsabkommen mit Israel interessiert. Jüngst hat Riad die Bedingung, dass dies an die Errichtung eines palästinensischen Staates gekoppelt sei, aufgeweicht: Es reiche, wenn Israel den Weg für eine künftige Gründung eines palästinensischen Staates bereite. Die Chancen dafür sind mit Netanjahu allerdings gleich null.
Gleichzeitig gehen die Kämpfe im Gazastreifen weiter – besonders heftig toben sie weiterhin in Chan Junis im Süden des Küstenstreifens. Israels Armee erklärte am Dienstag, dass das Militär in „Nahkämpfe“ in der Stadt verwickelt sei. Israel vermutet, dass die Führung der Hamas sich in der Gegend im unterirdischen Tunnelnetzwerk versteckt hält. Zudem hatte der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant am Montagabend angekündigt, dass die Armee nach Rafah an der ägyptischen Grenze vordringen wolle. Die Vereinten Nationen warnten am Dienstag vor diesem Schritt. Mehr als eine Million Menschen drängen sich dort auf engstem Raum, viele von ihnen sind zuvor vor den Bomben dorthin geflohen.
Unterdessen warfen Russland und China den USA im UN-Sicherheitsrat vor, mit den Luftangriffen vom Wochenende auf Ziele in Syrien und Irak den Nähostkonflikt weiter anzuheizen. Chinas UN-Botschafter sagte, die Attacken würden den „Teufelskreis“ von Gewalt und Gegengewalt in der Region verschärfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin