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Binnenhandel in AfrikaDie Zäune fallen

Die Krise trifft die Exporteure Afrikas. Deshalb besinnt sich der Kontinent auf den Binnenhandel. An Kongos verrufenen Grenzen soll der Aufschwung beginnen.

Ob zu Fuß oder per LKW, der erleichterte Handel verbessert auch die Beziehungen zwischen den Ländern. Bild: ap

GOMA taz | Schwere Lastwagen mit Kennzeichen aus Uganda und Tansania stauen sich, die Grenzer im kongolesischen Goma haben viel zu tun. Wo einst durch struppige Bäume der Kivu-See zu sehen war, prangt eine neue Abfertigungshalle aus grauem Beton für den Zoll.

Afrikas Wirtschaftskrise

Prognose: In einer neuen Wirtschaftsprognose der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird Afrika für 2009 ein Wachstum von 2,8 Prozent vorausgesagt, halb so viel wie 2008, und pro Kopf Nullwachstum. Die Weltbank fürchtet, dass dies 700.000 Kindern das Leben kosten wird. Besonders getroffen: der Süden mit 0,2 Prozent. Ostafrika steht am besten da: 5,5 Prozent.

Beratung: Die Afrikanische Entwicklungsbank kommt heute und morgen in Senegals Hauptstadt Dakar zu ihrer Jahrestagung zusammen. Hauptthema: Die Weltwirtschaftskrise. "Die Notwendigkeit, Kräfte zu bündeln und Ressourcen und Expertise zusammenzulegen, kann gar nicht genug betont werden", sagte vorab der aus Ruanda stammende AfDB-Präsident Donald Kaberuka.

Aktionsplan: Am Montag unterschrieben die wichtigsten regionalen Investitionsbanken der Welt in Dakar einen "Aktionsplan", wonach sie in den nächsten zwei bis drei Jahren ihr Engagement in Afrika um "mindestens 15 Milliarden US-Dollar" erhöhen wollen. Das soll die Finanzierung von Infrastruktur- und Energieprojekten sowie Kredite für Privatunternehmen vor allem im Agrarbereich sicherstellen.

Auch auf der ruandischen Seite, in Gomas kleiner Zwillingsstadt Gisenyi, wird der Warenverkehr jetzt in einer großen Halle kontrolliert, und die österreichische Baufirma Strabag ist dabei, die Hauptstraße bis an die Grenze auszubauen.

Bessere Zusammenarbeit, das haben die Demokratische Republik Kongo und Ruanda erkannt, hilft, die Weltwirtschaftskrise zu meistern. In Kongo platzen die Träume vom exportorientierten Bergbauboom, in Ruanda geht die Sorge um sinkende Budgethilfen und Tourismuseinnahmen um.

Nun kooperieren die beiden einst verfeindeten Länder militärisch gegen Rebellen, die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen steht kurz bevor, und die Grenzen werden modernisiert.

Der deutlichste Erfolg: Der konfliktfördernde Schmuggel von Mineralien aus Kongos Kriegsgebieten geht drastisch zurück. Letztes Jahr stieg der registrierte Export von Zinn, Ostkongos Hauptausfuhrgut, auf 13.311 Tonnen - über viermal so viel wie zwei Jahre davor.

Ein Grund war eine von den Händlern durchgesetzte deutliche Senkung der kongolesischen Mineralienexportsteuern auf ein Fünftel des bisherigen Niveaus - eine klassische wirtschaftsliberale Maßnahme.

Das Problem: Die beiden Länder koordinieren ihre Anstrengungen nicht richtig. Der Grenzposten "Petite Barriére" zwischen Gisenyi und Goma, den Ruanda ausgebaut hat, liegt zwei Kilometer nördlich der "Grande Barrière" , in den Kongos Behörden investieren.

Die "Petite Barrière" verbindet die Märkte der beiden Städte, hier soll der lokale Kleinhandel angekurbelt werden. An der "Grande Barrière" rollt der Großhandel am Seeufer entlang: Lastwagen mit kongolesischen Mineralien in die eine Richtung, ostafrikanische Tanklaster mit Benzin aus Übersee in die andere. Der Wille ist auf beiden Seiten da - an der Umsetzung hapert es.

200 Kilometer weiter nördlich kehren sich zwei Länder komplett den Rücken zu. In Ugandas westlicher Grenzstadt Mpondwe am Rand der schneebedeckten Rwenzori-Berge endet eine breite Teerstraße. Tempo 50 gilt für die Lastwagen mit chinesischen Schriftzeichen, die sich mit riesigen Stapeln asiatischer Konsumgüter durch die Marktstände schlängeln. Dann kommt der ugandische Grenzposten, dahinter fließt ein Bach, über den eine schmale Brücke führt.

Auf der anderen Seite schrumpft die Teerstraße zu einem holprigen Feldweg in hohem Gras mit einer gefährlichen Schieflage. Ein Verkehrsschild hebt Tempo 50 ersatzlos auf, so, als ob man hier wirklich mehr als Schritt fahren könnte. Hier endet die ugandische Ordnung, hier beginnt Kongo.

Der Zollchef auf der kongolesischen Seite am Grenzposten Kasindi hat seinen ugandischen Amtskollegen in Mpondwe noch nie getroffen. In Mpondwe haben die Zöllner Computer und feste Regeln, in Kasindi wird alles per Hand in Kladden eingetragen, und erst vor einem Jahr wurden überhaupt Kongos geltende Zollgesetze hier eingeführt.

Wenn es in Kasindi 17 Uhr ist, ist es jenseits der Grenze in Uganda eine Stunde später. Im Kongo wird Französisch benutzt, in Uganda Englisch. Alles scheint inkompatibel. "Die Händler müssen ihre Waren drüben ausladen und deklarieren, und wenn wir ihnen sagen, dass sie auch hier zum Zoll müssen, beschweren sie sich", seufzt Kasindis Zollchef Djuma Shauri. Sein ugandischer Amtskollege in Mpondwe wiederum klagt: "Die Waren aus dem Kongo haben keine Herkunftszertifikate, und die Händler sagen immer: Das sind nur Transitgüter, das geht euch nichts an."

Aber der Grenzhandel ist lukrativ. Direkt neben dem Büro des Uganders stapeln sich kongolesische Edelhölzer, deren Dimensionen allen ugandischen Waldschutzregeln widersprechen. Kasindi ist der zweitgrößte Außenhandelsumschlagplatz ganz Kongos: Viel mehr noch als in Goma landen hier tonnenweise Konsumgüter aus Asien, die über Dubai und Kenia in den Kongo gelangen.

Afrikas Regierungen wissen, dass ihre Grenzen untereinander das größte Hindernis für ihre Volkswirtschaften sind. Die innerafrikanischen Zölle sind die teuersten der Welt, die Abfertigungszeiten die längsten, die Transportkosten die höchsten. Wenn ein Kongolese Waren aus China einführt, ist der Seetransport aus Asien nach Ostafrika billiger als der verbleibende relativ kurze Landweg aus Kenia nach Kongo. Umgekehrt sind für einen Ostafrikaner Geschäfte mit China einfacher als mit den direkten Nachbarländern. Weniger als zehn Prozent des afrikanischen Außenhandels finden innerhalb des Kontinents statt.

Die Weltwirtschaftskrise könnte daran etwas ändern. Weil Exportmärkte einbrechen und die Rohstoffpreise auf breiter Front sinken, sind exportorientierte Länder am schwersten getroffen, während Importeure es vergleichsweise gut haben. Afrikas größtes Ölförderland Angola, noch vor kurzem Weltmeister beim Wirtschaftswachstum, erwartet dieses Jahr eine Schrumpfung von über sieben Prozent. Der Kupferexporteur Sambia hat seinen diesjährigen Staatshaushalt um über ein Viertel gegenüber 2008 reduziert. Ostafrika hingegen, Afrikas Tor nach Asien, steht vergleichsweise gut da, mit einer Wachstumsprognose von 5,5 Prozent dieses Jahr.

Ein Grund dafür ist Ostafrikas zunehmende Orientierung auf den regionalen Binnenhandel. "Kenia hat die regionale Wirtschaft genutzt, um von seinen Handelsbeziehungen zu profitieren", sagt Louis Kasikende, der Chefökonom der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). Ähnlich wie Kenia im Osten geht es Senegal an der Westspitze Afrikas: "Bis Mitte 2008 hat Senegal massiv unter den deutlich steigenden Preisen für Öl und Nahrungsmittel gelitten", sagt Roger Peltzer, deutscher Afrika-Wirtschaftsexperte. "Mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise hat sich die Lage entspannt, die Leute haben wieder deutlich mehr Kaufkraft, der Konsum zieht an und vermutlich auch das Wachstum."

Regionale Kooperation ist das Gebot der Stunde. Im Oktober 2008 vereinbarten drei der wichtigsten Wirtschaftsblöcke Afrikas - die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) und der Gemeinsame Markt des östlichen und südlichen Afrika (COMESA) - auf eine gemeinsame Freihandelszone hinzuarbeiten. Sie würde von Südafrika bis Libyen reichen, zwei Drittel des Kontinents.

Quer durch die EAC-Region aus Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda und Burundi werden bereits grenzüberschreitende Straßen ausgebaut, neue Eisenbahnlinien und Stromnetze konzipiert, Finanz- und Steuersysteme harmonisiert. Ostafrikas Staatschefs predigen unermüdlich, man müsse sich von der Abhängigkeit von ausländischem Kapital lösen. "Wir treten in eine Zeit ernster ökonomischer Unsicherheit ein", sagte Ugandas Präsident Yoweri Museveni am 6. April auf einem Gipfeltreffen in Sambia. "Unsere Antwort darauf ist die Vertiefung unserer kollektiven Unabhängigkeit."

Wer sieht, welche Millionen in Nairobi, Kampala, Kigali oder sogar im kongolesischen Goma in protzige Immobilien fließen, weiß, wie viel privates Kapital in der Region vorhanden wäre, um die Infrastruktur aus eigener Kraft zu modernisieren. Viel Geld stammt aus Profiten aus dem informellen Großhandel, der von Kongo bis Somalia die Wirtschaft der Region dominiert. "Das sind Leute, die immer ohne jegliche Papiere gearbeitet haben", erklärt Patient Ssemuswa, Chef der Exportkontrollbehörde OCC in Goma. "Sie fahren mit 10.000 Dollar Bargeld in der Tasche aus Kongo nach Uganda, kaufen ein, kommen zurück und wollen einfach am Zollposten zahlen." Dass sie dafür jetzt Frachtpapiere und Nachweise der Kontrolle vor der Beladung brauchen, störe sie. "Die Zöllner sagen: Wir würden euch gerne abfertigen wie früher, aber wir dürfen nicht mehr."

Die Antwort der Regierungen lautet: Steuern senken, Zölle abschaffen, Bürokratie vereinfachen. Die Ostafrikanische Gemeinschaft EAC ist bereits eine Zollunion. Die Staatengemeinschaft COMESA entwirft an Kongos Grenzen ein Programm, wonach Händler und Offizielle von beiden Seiten der Grenzen eine gemeinsame Liste von Alltagsprodukten aufstellen, deren Handel für Mengen unter 500 US-Dollar zollfrei sein soll. Das entlastet die Marktfrauen und Kleinhändler, die die lokale Wirtschaft am Leben halten. Ruandas und Sambias Regierungen haben diese Produktlisten bereits akzeptiert - wenn Kongo mitzieht, kann der legale zollfreie Kleinhandel aufblühen.

Kongos nächster Unabhängigkeitstag, der 30. Juni, soll die Verwandlung von Gomas Grenzposten von verrufenen Schmuggelwinkeln in Vorreiter des Aufschwungs amtlich machen. Präsident Joseph Kabila persönlich kommt nach Goma zum Fest; es gibt eine grenzüberschreitende kongolesisch-ruandische Agrarhandelsmesse. Noch vergangenes Jahr stieß eine erste solche Veranstaltung auf Befremden. Heute ist sie offizielle Politik.

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1 Kommentar

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  • BW
    bernhard wagner

    Zusammen mit einem Studenten aus Afrika hab ich mal folgendes interessante Beispiel im Zusammenhang eines Green New Deal für Kongo + der DR Kongo durchgerechnet:

     

    Würden z. B. diese beiden Länder nur auf der Hälfte ihrer Landesfläche,

    also auf ca. 1,3425 Mio km²,

     

    je 90 km² nur ein kleines 2 MW Geothermiekraftwerk bauen,

     

    so wären das fast 30.000 MW bzw. 30 GW,

     

    also etwa soviel eletkrische Leistung wie von 30 Atomreaktoren -

     

    allerdings ohne Atommüll und ohne Tschernobyl-Risiken.

     

    Schon ein Bruchteil davon würde reichen, um ein Mehrfaches des aktuellen Strombedarfs zu decken.

     

    Malaria, Aids und viele andere Dinge, wären damit freilich nicht behoben, aber es zeigt, was ein Puzzleteil eines Green New Deal sein könnte, der sich durch Beschäftigung etc. - wenn damit ein großes Ausbildungsprogramm einher ginge - auch auf andere Bereiche positiv auswirken könnte.