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Bildungsmesse DidactaDer AfD keine Bühne geben

Die AfD soll sich kommende Woche auf der Stuttgarter Bildungsmesse Didacta präsentieren dürfen. Die Kritik ist groß.

Große Aufregung im Vorfeld der Didacta Messe in Stuttgart: Die AfD wird dort einen eigenen Stand haben Foto: Arnulf Hettrich/picture alliance

Berlin taz | Knapp eine Woche vor der Eröffnung der Stuttgarter Bildungsmesse Didacta wächst der Druck auf die Veranstalter, eine umstrittene Entscheidung zurückzunehmen. Wenn die Messe kommenden Dienstag eröffnet, gehören erstmals überhaupt auch Parteien zu den Hauptausstellern. Eine entsprechende Anfrage der extrem rechten AfD beantworte die Stuttgarter Messe mit Ja, auch die baden-württembergischen Regierungsparteien Bündnis 90/Die Grünen und CDU wurden zugelassen.

Dass einer in Teilen rechtsextremen Partei eine solche Plattform geboten wird auf der Messe, die noch dazu das Thema „Demokratiebildung“ als Schwerpunkt 2025 gesetzt hat, stößt auf Unverständnis und Empörung. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Organisationen und Verbänden etwa bezeichnete es am Mittwoch als „fatalen Fehler, wenn sich die AfD auf der Didacta als Hauptaussteller präsentieren dürfte“. Sie fordern die Veranstalter auf, sich „unmissverständlich von der AfD zu distanzieren und sicherzustellen, dass die Messe kein Forum für demokratiefeindliche Parteien bietet“.

Die großen Bildungsgewerkschaften GEW und VBE, die auch dem oben genannten Bündnis angehören, hatten bereits zu Wochenbeginn protestiert und sich im Anschluss – nachdem ein unmittelbarer Erfolg ausblieb – direkt an die Geschäftsführung der Stuttgarter Messegesellschaft gewandt: „Wir bitten Sie dringend, Ihre Entscheidung […] noch einmal zu überdenken und einen Ausschluss auszusprechen.“

In der Bildungspolitik der AfD gibt es zwischen den Positionen des ehemaligen Geschichtslehrers und Rechtsaußen Björn Höcke und dem AfD-Landesverband Baden-Württemberg keine Differenzen. Die Landespartei polemisiert ebenso wie Höcke gegen „Gender-Ideologie“ und warnt vor einer Inklusion von Schülern mit körperlichen Handicaps „um jeden Preis“. Der Präsident der Lager­gemeinschaft Dachau, Ernst Grube, warnte deshalb am Mittwoch mit Blick auf die Didacta: „Die AfD nutzt Bildung als Instrument, um geschichtsrevisionistische Narrative zu verbreiten und Zweifel an historisch belegten Fakten zu säen.“

AfD sieht sich als Opfer

In der Gesamtpartei ist die Südwest-AfD mit tonangebend. Spitzenkandidatin auf der Landesliste zur Bundestagswahl ist AfD-Chefin Alice Weidel. Auf Facebook übt der Landesverband bereits die Opferrolle für den Fall, dass er doch noch von der Didacta ausgeschlossen wird: Bei der Kritik handele es sich um „alberne Empörungsrituale links-grüner Haltungsmenschen“, erklärt er.

Zu denen rechnet die AfD zweifelsohne auch die Publizistin Marina Weisband, die auf der Didacta 2025 als „Bildungsbotschafterin“ ausgezeichnet werden soll. Gegenüber der taz sagte sie: „Ich hoffe, dass der Druck auf die Messe groß genug wird, dass diese Akteure wieder ausgeladen werden.“ Ob sie zum Boykott der Messe aufrufen wird, weiß sie noch nicht: „In manchen Situationen macht Boykott Sinn. In anderen – Widerstand.“

Andrea Tures vom Institut für Kindheits- und Sozialpädagogik an der Uni Gießen fordert sicherzustellen, „dass keine antidemokratischen oder diskriminierenden Inhalte“ verbreitet werden. Messe und Didacta-Verband dürften die AfD-Präsenz „nicht weiterhin bagatellisieren“ und müssten sich ihrer Verantwortung stellen. Die Kinderbuch- und Ratgeberautorin Inke Hummel verlangt, „laut und konstruktiv“ für Inklusion, Partizipation und Schutz aller Kinder einzutreten – für die Ziele also, „die den Inhalten der AfD entgegenstehen“.

Hauptgesellschafter der Messe sind das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart – beide sind in der heiklen Causa auf Tauchstation. Die Messegesellschaft hatte die AfD-Präsenz zunächst verteidigt: Die von der AfD gezeigten „Inhalte und Produkte“ seien „mit der Nomenklatur der Veranstaltung vereinbar“, eine Messe sei „keine Zensurbehörde“, hieß es noch Ende vergangener Woche.

Mittlerweile scheinen die Veranstalter umzudenken. Diese Woche hieß es auf Nachfrage: „Die Messe Stuttgart wird die Messepräsenz dieses Ausstellers und die diesbezüglichen Diskussionen sehr aufmerksam verfolgen und fortlaufend bewerten.“

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13 Kommentare

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  • Wir habe da wirklich ein Problem mit Meinungsfreiheit und politischem Diskurs.



    Wenn alles so toll ist, warum hat man denn solche Angst vor anderen Positionen zur Gesellschaft und Bildung?

    • @Dromedar:In:

      Wie wär es mal mit einer Unterscheidung zwischen Meinungsfreiheit und Demagogie?

      • @snowgoose:

        Demagogie, Propaganda, Lügen - grundsätzlich ist all das von der Meinungsfreiheit gedeckt. Weshalb sie meines Erachtens ein ziemlich problematisches Grundrecht ist. Denn ich vermag den gesellschaftlichen Mehrwert von Unwahrheiten nicht zu erkennen. Weshalb man sie meines abschaffen und durch eine „Diskussionsfreiheit“ ersetzen müsste; mit dem Zwang, Aussagen, die in der Realität wurzeln müssten, auch beweisen zu müssen.

  • Die Köpfe dieser Partei sind immerhin intelligent genug, den Bildungsnotstand in der Bevölkerung für ihre Zwecke auszunutzen.

    Bildung ist ein Begriff, der viele Bedeutungen haben kann. Z. B. zeigt gerade bei der AfD, dass ein Diplom im Wirtschaftsingenieurswesen nicht unbedingt mit Bildung im bisher üblichen Sinn zu tun haben muss - von den Doktortiteln in dieser Partei will ich gar nicht erst sprechen.

  • Ist das wirklich wahr? Ich kann‘s nicht fassen.

  • Warum sollte man sie nicht auftreten lassen?



    Gibt es ein besseres abschreckendes Beispiel dafür was passiert wenn das mit der Bildung nicht so ernst genommen wird?



    Oder ist Einbildung nun doch auch Bildung?

  • Man blicke einmal die letzten zehn Jahre zurück.

    Was genau hat der Versuch der Ausgrenzung der AfD gebracht - außer Rekordergebnisse für sie?

  • So eklig, wie diese Partei auch ist: sie ist - leider - noch nicht verboten.



    Wenn alle anderen Parteien sich auf dieser Messe darstellen dürfen wird es eher schwierig sein, dem Abschaum für Deutschland dies zu verweigern.



    Gibt es nicht auch Möglichkeiten, es der Partei so schwer wie möglich zu machen? Sie z.B. zwischen Projekte für Inklusion, soziales Miteinander, Medienbildung, also Projekte, die der AfD in allen Bereichen diametral entgegenstehen zu platzieren? Und "Betreuer" daneben stellen, die sofort lautstark Contra geben, sobald die ihren Blödsinn von sich geben? Ist zwar sicher mühsam, aber auch eine Gelegenheit zur Demontage. Das Ganze natürlich mit reichlich Presse vor Ort.

    • @Squirrel:

      Ein (längst fälliges) Verbot spielt dabei keine Geige! Eine Messe für Bildungsmaterialien muss/darf auf kein Verbot warten! Fehlt nur noch, dass Herrschaften der blau-braunen Couleur in Schulen eingeladen werden (bin ich mir in Bayern, Sachsen … nicht sicher). Seltsam, wie es immer wieder gelingt, links zu verfolgen und rechts blind zu agieren.

    • @Squirrel:

      Gute Idee. Nur: welche Presse soll da berichten? Die Springermedien? FAZ? Da wird dann schon die zweite "Beobachtung" nötig sein...

  • Mit Bildung hat die AfD nun wirklich nichts zu tun,



    eher mit Verblendung. Der Zweite Weltkrieg in den Augen von Alexander Gauland ( AfD ), ein "Vogelschiss der Geschichte". Björn Höcke mit SS-Symbolik ... und das marschierende Fußvolk mit breiten Erinnerungslücken in der Geschichte, sollten keinen Platz auf einer Bildungsmesse erhalten.

    • @Salinger:

      Ja gauland hat sich nicht gerade gut ausgedrückt mit diesem "Vogelschiss", aber gemeint war ja der Zeitraum des Krieges, im Vergleich zur Geschichte Deutschlands und nicht der Zweite Weltkrieg an sich.

      • @Gurkenbrille:

        „… nicht gut ausgedrückt …“ ist doch wohl die Untertreibung des Jahrhunderts für beispielloses Quälen und Morden und anschließend weitestgehend fehlende Aufarbeitung (mit Einstellung schlimmster Täter auf ihre Posten).