Bezahlung beim Hochschulsport: Gut – und ziemlich günstig
Acro-Yoga, Volleyball, Problemzonengymnastik: Beim Hochschulsport ist alles schön günstig. Die Kursleitenden verdienen entsprechend wenig.
Die körperliche Betätigung, so ahnten schon die antiken Griechen und auch Turnvater Jahn, hat viele positive Auswirkungen auf Körper und Geist. Sport schult die Körperwahrnehmung, maximiert die Sauerstoffversorgung des Gehirns, stützt die Gelenke durch Muskelaufbau. So belegen es immer mehr wissenschaftliche Studien. Es ist nur eine logische Konsequenz, dass Sport entsprechend auch an jenen Orten der Wissenschaft selbst praktiziert wird – an Hochschulen und Universitäten.
Von Fußball über Modern Jazz Dance und Faszien-Fitness zu Problemzonengymnastik: Der Hochschulsport bietet Studierenden jedes Semester ein großes Angebot an Kursen. Ganze 90 sind es an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. 3.000 bis 4.000 Studierende nehmen daran Teil.
Dass die Kurse so beliebt sind, liegt vor allem daran, dass sie so günstig sind. 25 Euro etwa kosten fünf Monate Badminton für Studierende, Schüler:innen und Azubis an der HTW. Man muss dabei nicht einmal selbst dort eingeschrieben sein, es reicht an einer kooperierenden Hochschule zu studieren.
Zum Vergleich: Für eine Mitgliedschaft in einem Verein in Berlin, der Badminton anbietet, zahlen Studierende für ein halbes Jahr ungefähr das Vierfache. Bei Yoga ist das Gefälle sogar noch größer. Zahlt man an der HTW 32 Euro als Student:in für einen halbjährigen Kurs in Hatha-Yoga, so kostet das in einem Berliner Studio schon mal über 200 Euro für denselben Zeitraum. Die Preise variieren natürlich von Studio zu Studio. Trotzdem kann man sagen: Günstiger als an der Hochschule wird einem der herabschauende Hund nicht beigebracht.
Schwer, davon zu leben
Super für alle Teilnehmenden. Für die Kursleitenden nicht – denn die verdienen wenig. „Es ist auf Dauer nicht schaffbar, nur davon zu leben, Kursleiter beim Hochschulsport zu sein“, sagt die Kursleiterin Luise Gedrath der taz. Sie heißt eigentlich anders, über ihre Einkommenssituation will sie nicht unter echtem Namen sprechen. Gedrath studiert Sport- und Ernährungswissenschaften im Master.
Schon während des Bachelors begann sie, Kurse zu leiten. Wegen ihres Studiums und weil sie zwei Trainerlizenzen hat, wird sie an den Unis in die höchste Honorarkategorie eingeordnet. Mittlerweile hat sie im Rahmen des Hochschulsports an der Technischen Universität, an der HTW und an der Humboldt-Universität verschiedenste Kurse unterrichtet.
Zwischendurch hat Gedrath mal versucht, anderthalb Jahre lang hauptberuflich vom Leiten der Unikurse zu leben. Ihr Fazit: „Man muss ganz schön viele Kurse schrubben, um auf das Geld zu kommen, wovon man dann am Ende leben möchte.“
An den Hochschulen werden Kursleiter:innen zum größten Teil nicht fest angestellt, sondern arbeiten auf Honorarbasis Semester für Semester. An der HTW Berlin richten sich die Honorarsätze der Kursleiter:innen nach der Qualifikation – sprich danach, ob sie eine Trainer:innen-Lizenz, eine entsprechende Ausbildung oder ein Studium vorweisen können. Wer das nicht kann, bekommt 10 Euro die Stunde, für die höchste Qualifikationsstufe gibt es 28 Euro.
Teure Lizenzen
An anderen Hochschulen und Universitäten verhält sich das ähnlich. Auf Nachfrage gaben die Beuth Hochschule für Technik in Berlin, die Universität Potsdam, die Leibniz Universität Hannover und die Technische Universität München an, die Kursleitenden abhängig von ihrer Qualifikation zu bezahlen. Die Sätze variieren. An der Beuth liegt die Spanne zum Beispiel zwischen 12 und 22 Euro die Stunde, an der Universität Hannover zwischen 11,50 und 30 Euro – alle Beträge beziehen sich übrigens auf die tatsächlich unterrichtete Zeit.
Das ist nicht viel. Denn zum einen können die Lizenzen, mit denen man in eine höhere Qualifikationsstufe eingeteilt wird, mehrere hundert bis mehrere tausend Euro kosten. Und zum anderen arbeiten die Kursleitenden auf Honorarbasis, sie müssen also gegebenenfalls noch ihre Krankenversicherung und Einkommenssteuer von dem Stundensatz zahlen.
Das könnte dann so aussehen: Eine Person, die 28 Euro die Stunde bekommt, muss 18 einstündige Kurse die Woche geben, um rund 2.000 Euro zu verdienen. Davon gehen dann ungefähr 300 Euro Einkommensteuer und bis zu 340 Euro gesetzliche Krankenversicherung ab. Bleiben 1.360 Euro für den Monat übrig. Wer in der niedrigsten Qualifikationsstufe eingeordnet ist, muss für das gleiche Geld 50 Stunden die Woche arbeiten.
Wie kommt diese Bezahlung zustande? Sowohl im Berliner Hochschulgesetz als auch im Hochschulrahmengesetz ist die Förderung des Hochschulsports als Aufgabe der Hochschulen und Universitäten festgeschrieben. „Insofern erfolgt die Finanzierung der personellen und infrastrukturellen Ressourcen des Hochschulsports über den Globalhaushalt der Hochschulen beziehungsweise der Universitäten“, sagt Martina Rost, Vorsitzende der Landeskonferenz Hochschulsport Berlin.
Wirtschaften für niedrige Beiträge
Bedeutet: Die Hochschulen erhalten vom Landeshaushalt Geld, das die Hochschulen nach eigenem Ermessen einsetzen können – eben auch für den Sport. Eine detaillierte Auskunft dazu, wie die einzelnen Hochschulen ihren Unisport finanzieren, kann Rost nicht geben. Denn wie die Universitäten diesen gesetzlichen Auftrag umsetzen, ist ihnen selbst überlassen. Die Hochschulen müssen also mit dem Geld, das sie über den Landeshaushalt bekommen, und den Teilnahmegebühren wirtschaften, um die Kursgebühren niedrig halten zu können.
Das fällt von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich aus. Genaue Zahlen nennen auch die angefragten Institutionen nicht. Der HTW verrät nur so viel, dass dort „ein Gros“ der Kosten aus den Teilnahmegebühren bestritten werde. „Die Kosten sind relativ gering“, sagt Gisela Hüttinger, Pressesprecherin der HTW. „Die Immobilien gehören zum Bestand, die Kursleiter bekommen ein überschaubares Entgelt, dann ist es ein ganz schlankes Team, was alles organisiert.“
Das kommt alles noch aus Zeiten, als der Unisport als eine Art Austausch zwischen Studis gedacht war, nicht als Dienstleistung, die angemessen bezahlt werden muss. Früher, sagt die Vorsitzende der Landeskonferenz Martina Rost, sie die Teilnahme am Hochschulsport kostenfrei gewesen.
„Der Hochschulsport wird vor allem als Bildungseinrichtung verstanden, in der Studierende wichtige Bewegungs- und Körpererfahrungen sammeln können, soziale Kontakte knüpfen, den Austausch mit anderen Fachkulturen jenseits des Seminarraums erleben und schließlich einen physischen Ausgleich zum akademischen Hochschulalltag finden“, sagt sie. Mittlerweile ist an den meisten Unis eine Kostenpflicht der Sportangebote eingeführt worden. Doch als Bildungseinrichtung versteht sich der Hochschulsport noch immer.
Bezahlung nicht so wichtig
Das schätzen auch die Kursleitenden. „Der Hochschulsport ist immer offen für neue Ideen und unterstützt dich dabei, die umzusetzen“, sagt Kursleiterin Gedrath. „Du kannst dein eigenes Konzept schreiben, kannst Sachen ausprobieren.“ Man müsse sich nicht darum kümmern, dass Teilnehmer:innen kommen, müsse keine Werbung machen. „Dann hat man Leute im Kurs, die auch Lust haben, die man nicht motivieren muss. Und man kann sich auch die Zeiten aussuchen, zu denen man arbeiten will.“ Der kleine Minuspunkt Bezahlung stehe vielen weiteren, wichtigeren Faktoren gegenüber.
Cathrin Diesing schildert es ähnlich. Sie unterrichtet mittlerweile seit über zehn Jahren Orientalischen Tanz beim Hochschulsport in Berlin. Davon leben kann sie nicht. Sie ist Kinesiologin und betreibt eine Praxis. Aber sie sagt: „Ich finde die Bezahlung an der Hochschule in Ordnung. Insbesondere, wenn man die Preise sieht, die die Studenten dafür bezahlen.“ Klar könnte sie in einem Sportstudio mehr verdienen. „Aber große Sportstudios funktionieren einfach anders und haben eine andere Klientel. An der Universität ist es ein schönes Arbeiten.“
In der Präambel der Satzung zur Zentraleinrichtung Hochschulsport der HTW heißt es: „Ausgehend von der gesetzlichen Verpflichtung der Hochschule zur Wahrnehmung und Förderung des Hochschulsports erbringt die Zentraleinrichtung Hochschulsport Service-Leistungen in Form eines angemessenen Sportangebots.“ Dieses solle der sportlichen Betätigung aller Hochschulmitglieder dienen. Dieses Ziel sei eben nicht anders umzusetzen als über vergleichsweise geringe Stundenhonorare bei den Leiter:innen, sagt Gisela Hüttinger von der HTW.
Luise Gedrath, Kursleitende
Luise Gedrath sieht es so: „Ich lerne an der TU etwas und bringe anderen gleichzeitig etwas bei. Das geht so Hand in Hand.“ Sie versteht das Kursleiten beim Hochschulsport als Student:innenjob. Das ist es aber nicht für alle Kursleitenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“