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Bezahlkarte für GeflüchteteEin bisschen Bargeld für Flüchtlinge

Am Freitag will die Ampel im Bundestag die Bezahlkarte für Asylsuchende beschließen. Bei der Umsetzung könnten noch Gerichte mitreden.

Bezahlkarte statt Bargeld für Asylbewerber

Berlin taz | Um 10.20 Uhr am Freitag wird die Bundestagsdebatte laut Tagesordnung vorbei sein. Die Abstimmung danach ist nur noch Formsache, die Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz schon jetzt fest vereinbart. Eine weitere Bild-Schlagzeile springt bei der Debatte vielleicht noch heraus, danach haben die Grünen das Gröbste überstanden.

„Schon wieder! Grüne blockieren Bezahlkarte“, hatte das Boulevard-Blatt Anfang März getitelt – gefolgt von einer Reihe wenig schmeichelhafter Texte. „Bezahlkarten-Blockade: Machen die Grünen so die AfD noch stärker?“, „Wegen Grünen-Blockade: Union reißt bei Bezahlkarte der Geduldsfaden“, oder: „Bezahlkarte kommt! Grüne knicken ein“.

Richtig sind diese Schlagzeilen nur zum Teil. Am 1. März hatte sich das Bundeskabinett auf eine von den Ländern geforderte Gesetzesänderung verständigt: Die Ampel sollte rechtlich eindeutig festschreiben, dass sie Leistungen für Asyl­be­wer­be­r*in­nen statt in bar auch auf Bezahlkarten auszahlen dürfen. Je nach Ausgestaltung können solche Karten nur für Einkäufe in Geschäften genutzt werden, nicht aber zum Geldabheben oder für Überweisungen. Die Begründung: Den Behörden entstehe weniger Aufwand, Geflüchtete könnten kein Geld an ihre Schlepper abdrücken und Deutschland werde als Fluchtziel unattraktiver.

Vor allem die FDP drängte auf eine schnelle Verabschiedung der Gesetzesänderung. Die grüne Bundestagsfraktion hatte aber mehr Verhandlungsbedarf als ihre Minister*innen. Sie forderte ein, das Vorhaben im Parlament in Ruhe zu beraten – so, wie es in Gesetzgebungsverfahren die Regel ist. Zumal schon der Kabinettsbeschluss mit einem Prüfauftrag versehen war – also einem Vermerk, dass sich die Ampel in den Details noch nicht einig war.

ProAsyl fürchtet Ausgrenzung

Strittig war vor allem, für welche Gruppen die Bezahlkarte genau in Frage kommt. Konsens war das für Geflüchtete, die relativ neu im Land sind und noch in staatlichen Unterkünften leben. Schon das bisherige Gesetz sieht vor, dass die Behörden sie komplett mit Sachleistungen statt mit Bargeld versorgen dürfen.

Anders sieht das bei Geflüchteten aus, die schon lange genug in Deutschland leben, um Sozialleistungen analog zum Bürgergeld zu erhalten. Bisher war das nach 18 Monaten der Fall. Die Ampel hat die Frist kürzlich auf 36 Monate erhöht. Für sie hatten Geldleistungen bislang Vorrang vor Sachleistungen. Laut den Kabinettsplänen sollen Länder und Kommunen aber auch bei ihnen auf Bezahlkarten umschwenken dürfen. Die Grünen wollten zumindest einen Teil dieser Gruppe von der Neuregelung ausnehmen – insbesondere Erwerbstätige, Auszubildende und Studierende. Das haben sie nicht geschafft.

Falsch ist aber auch, dass der Bundestag die Kabinettspläne jetzt „ohne inhaltliche Änderungen“ umsetzen wird, wie FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler zuletzt betonte. Stattdessen müssen Betroffene zumindest über einen Teil der Leistungen auch zukünftig in bar verfügen können.

Laut dem finalen Gesetzentwurf muss sichergestellt sein, dass die Be­zie­he­r*in­nen von Analogleistungen „Bedarfe des monatlichen Regelbedarfs“ auch wirklich bezahlen können. Hinter dieser Formulierung verbergen sich Punkte wie Vereinsmitgliedschaften, Bustickets oder Kleingeld für Schulausflüge. Ausgaben also, für die eine Geldkarte ohne Überweisungs- oder Auszahlungsfunktion nicht praktikabel ist. Für Geflüchtete, die zwar noch keine 36 Monate im Land sind, aber schon in eigenen Wohnungen leben, sieht der Entwurf eine ähnliche Ausnahme vor.

Teilhabe verhindert

Nicht im Gesetz steht, wie viel Geld genau in bar verfügbar sein muss. Die Ausgestaltung ist Sache der Länder und Kommunen. Am einen Ende der möglichen Skala stehen Modelle wie das von Hannover, wo es unter dem grünen Oberbürgermeister Belit Onay schon länger Bezahlkarten gibt: Dort können die Betroffenen den kompletten Betrag abheben. Ziel war es nur, den Aufwand für Geflüchtete wie auch die Verwaltung zu reduzieren.

Im Gegensatz dazu fordert die CDU etwa in Brandenburg und Bremen, Auszahlungen auf höchstens 50 Euro zu begrenzen. Ob das ausreichen würde, um die Anforderungen der neuen Rechtslage zu erfüllen, ist fraglich. Entscheiden müssen das in Zukunft aber wohl Gerichte.

Mit der Bezahlkarte würden geflüchtete Menschen vielerorts „noch stärker ausgegrenzt und selbst in kleinsten Alltagsentscheidungen eingeschränkt“, kritisiert Wiebke Judith von Pro Asyl. Von der „Flucht vor Verfolgung oder Krieg“ aber werde die Karte niemanden abhalten.

Ganz ähnlich sieht es der Ökonom und Migrationswissenschaftler Herbert Brücker. „Die Einführung der Bezahlkarte wird sehr wahrscheinlich negative Auswirkungen auf die Integration und Teilhabe haben, nicht zu vernachlässigende Kosten für den Staat verursachen und ihr Ziel, die Reduzierung der Fluchtmigration, verfehlen“, erklärt er in einer Stellungnahme für das Dezim-Institut. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) prognostiziert eine „Vielzahl von Widerspruchs-, Eil- und Klageverfahren“. Zu erwarten sei eine „erhebliche Mehrbelastung der Verwaltung und der Justiz“.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Gewonnen haben die Statistiker, die nun endlich die Lebensweisen der Schutzbedürftigen analysieren können. Gewonnen hat VISA. Die nun endlich mitverdienen dürfen. Gewonnen haben auch findige Leute, die Ware gegen Geld tauschen und hiermit einen neuen Schwarzmarkt begründen werden. Da wird dann ein TV auf pump im Elektronikfachmarkt gekauft und gegen Bargeld wieder verkauft. Ist im übrigen nichts Neues. Das machen die Menschen heute schon.

    Denn, dem Zwang Geld nach Hause schicken zu müssen, können sich die Zugereisten nicht entziehen. Der ist groß, sehr groß. Und der Wunsch, sich das kärgliche Leben gestalten zu wollen ebenfalls.

    Ach, übrigens, kauft VISA Aktien. Die sind nun noch stabiler.

  • Die Bezahlkarte ist der richtige Weg.



    Vom Bund beschlossen, brauchen wir auch nicht die Gerichte damit belästigen zu lassen.



    ProAsyl bleibt eben immer wieder in alten Schemata verhaftet , immer die gleichen "reflexartigen" Beghauptungen.



    Das ist schon bezeichnend, traurig, ha bisweilen gefährlich.

  • Ich denke, die Karte kann nur dann rechtsstaatlich funktionieren, wenn man wie bei einer Kreditkarte auch wirklich alle Leistungen, also z.B. auch Urlaub und den eigenen Anwalt damit bezahlen kann. Dann aber ist es nur ein weiterer Schritt zur Abschaffung des Bargelds, der am Ende vor allem unseren lokalen Banken schadet. Denn wofür braucht man die dann eigentlich noch, wenn alles biliger und schneller über FinTech Apps läuft? Für den Baukredit? Ich fürchte, auch da wird es bald günstigere Lösungen als die Filialbank geben.

  • In Deutschland kann man so gut wie alles mit Karte bezahlen. Bargeld wird nur sehr selten für Kleinigkeiten benötigt und das auch immer weniger.



    Die Bezahlkarte finde ich absolut akzeptabel.

    • @Filou:

      Das stimmt nur dann, wenn Sie nicht darauf angewiesen sind, den Großteil Ihrer Kleidung und sonstigen Gebrauchsgegenstände gebraucht zu kaufen. Auf Flohmärkten, in Second-Hand-Läden oder und Sozialkaufhäusern ist sehr oft Kartenzahlung nicht möglich. Und Sie können nicht denselben Gegenstand einfach in einem anderen Laden mit Kartenzahlung kaufen, da es gebrauchte Ware in der Regel nicht in derselben Größe/Qualität in mehreren Läden gibt.

    • @Filou:

      Ja, Sie sind ja auch nicht davon betroffen.

  • "Schon das bisherige Gesetz sieht vor, dass die Behörden sie komplett mit Sachleistungen statt mit Bargeld versorgen dürfen."

    Das ist Realität, in Erstaufnahmen werden Räumlichkeiten, Duschen, Toiletten, Verpflegeung gestellt, teilweise auch Angebote bzw. Kleiderkamern und andere Dinge. Hängt vom Bundesland ab.

    Ich glaube, dass die Karte mehr Probleme erzeugen wird, als Lösungen, zumal die Karte weder für die Verwaltung noch für die Unterkünfte die Lösung eines dringenden Problems ist.

    Ich glaube, dass ein radikaler Systemwandel immer mehr Problem erzeugt, als das er Lösungen schafft. Hier wurde ja primär als Grund angegeben, die Anzahl an Asylantragsstellungen drastisch zu senken, weil es sozusage kaum noch Bargeld für Geflüchtete gibt. Dafür wird die Bezahlkarte keine Lösung sein.



    Was soll sie dann? Nun sie soll wohl dazu führen, dass Barauszahlungen nicht mehr auf dem Niveau ablaufen, wie es bisher der Fall ist. Ob das wirklich das größte Problem der Verwaltungen ist. Ich habe daran große Zweifel.



    Bleibt eben die Tatsache, dass Geflüchtete deutlich weniger Zugang zu Bargeld haben werden. Und da sehe ich sehr viele Probleme. Und auch beim Übergang zum Jobcenter bzw. zu SGB II-Leistungen und bei der Aufnahme von Arbeit (auch Minijobs). Ich befürchte, dass dies den Prozess der Integration drastisch verlangsamt und viel Beratungs- und Verwaltungsaufwand erzeugt, solche Situationen dann zu klären. Bisher konnten Geflüchtete sich ein Bankkonto einrichten und konnten diese Übergänge sehr gut machen. Das wird jetzt anders. Und was sollen Berater oder Sozialarbeiter denn machen, wenn die Übergänge an einer Bezahlkarte hängen? Die BAMF-Dienststellen sind unter Überlast. Dort liegen jetzt schon Berge an Akten und Anliegen rum.