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Bezahlbare Mieten in DeutschlandWeniger Sozialwohnungen

Die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland sinkt. Die Entwicklungen sind in den Bundesländern aber unterschiedlich.

Es gibt es immer weniger Sozialwohnungen, hier etwa in Köln Foto: Christoph Hardt/imago

Berlin afp/epd/dpa | Die Zahl der Sozialmietwohnungen in Deutschland ist auch im vergangenen Jahr weiter gesunken. 2020 gab es bundesweit 1,129 Millionen Sozialwohnungen, das waren rund 26.340 oder 2,28 Prozent weniger im Jahr zuvor, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, Christian Kühn, hervorgeht.

In den Bundesländern gibt es demnach große Unterschiede. Baden-Württemberg, Hamburg, das Saarland, Sachsen und Thüringen schafften es den Daten zufolge, im vergangenen Jahr ihren Bestand an Sozialwohnungen zu erhöhen. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg dagegen verzeichneten den Angaben zufolge hohe Rückgänge beim Sozialwohnungs-Bestand.

Christian Kühn machte für die Entwicklung die große Koalition verantwortlich: „Union und SPD haben den sozialen Wohnungsbau in dieser Wahlperiode unterfinanziert. Sie tragen so große politische Verantwortung für diesen neuen Tiefststand“, sagte er den Funke-Zeitungen. Der Grünen-Politiker forderte mehr finanzielle Mittel des Bundes für den Sozialwohnungsbau und grundlegende Änderungen. „Das System der nur kurzfristigen Bindung müssen wir durchbrechen.“

Sozialwohnungen sind geförderte Mietwohnungen, deren Mietpreise begrenzt sind. Die Vergabe der Wohnungen ist an bestimmte Einkommensgrenzen der MieterInnen gebunden. Diese Sozialbindungen fallen je nach Projekt nach zehn bis 40 Jahren weg. Danach ist die Wohnung wie eine freifinanzierte Wohnung vermietbar und fällt damit aus der Statistik der Sozialwohnungen heraus. Es gelten dann aber weiterhin der Mieterschutz und die gesetzlichen Begrenzungen von Mieterhöhungen für die BewohnerInnen.

Höhere Kosten für den Neubau

Der Rückgang bei den Sozialwohnungen ist ein langfristiges Phänomen. Dem Deutschen Mieterbund zufolge gab es im Jahre 2000 noch zwei Millionen Sozialwohnungen. Der Rückgang durch den Wegfall der Sozialbindung wird nicht durch den Neubau von gefördertem Wohnraum ausgeglichen.

Unabhängig von der Staatsförderung war der Bau einer Wohnung im vergangenen Jahr bereits fast doppelt so teuer wie im Jahre 2000. Dies geht aus Zahlen des Wohnungswirtschaftsverbandes GdW hervor, der 3.000 Wohnungsunternehmen mit insgesamt sechs Millionen Wohnungen vertritt. Darunter sind viele Genossenschaften, kommunale und kirchliche Gesellschaften, die unterdurchschnittliche Mieten verlangen.

GdW-Präsident Axel Gedaschko hatte auf die steigenden Kosten für den Neubau von Wohnungen hingewiesen. „Wenn die Kosten derart explodieren, geht sozialpolitisch eine Schere auf, die wir auch beim besten Willen nicht mehr schließen können“, sagte Gedaschko. Dem Verband zufolge treiben hohe Grundstückspreise, die Vorgaben für energiesparendes Bauen und die Verteuerung von Baustoffen die Baukosten in die Höhe.

Im vergangenen Jahr wurden der GdW zufolge deutschlandweit 306.000 Wohnungen fertiggestellt. Darunter waren aber nur 30.000 Sozialwohnungen.

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17 Kommentare

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  • taz: "Der Rückgang bei den Sozialwohnungen ist ein langfristiges Phänomen. Dem Deutschen Mieterbund zufolge gab es im Jahre 2000 noch zwei Millionen Sozialwohnungen. Der Rückgang durch den Wegfall der Sozialbindung wird nicht durch den Neubau von gefördertem Wohnraum ausgeglichen."

    Und heute fehlen zwei Millionen Sozialwohnungen in Deutschlands Städten. Allein in Berlin fehlen 310.000 bezahlbare Wohnungen und in Hamburg 150.000 Sozialwohnungen. Zu diesem Ergebnis kam 2019 eine Studie von Stadtsoziologen der Humboldt-Universität Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Und dann fallen ja auch noch jedes Jahr viele Sozialwohnungen aus derPreisbindung heraus,können also teurer vermietet werden. Nach Schätzungen der BAGW (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) sind ca. 52.000 Menschen in Deutschland schon obdachlos (leben also auf der Straße) und ca. 678.000 Menschen sind in Deutschland wohnungslos - was bei näherer Betrachtung eigentlich auch Obdachlosigkeit bedeutet. Und was macht die Politik dagegen? Nichts, denn Menschen die arbeitslos werden und irgendwann Hartz IV beantragen müssen, werden vom Amt sogar noch aufgefordert sich eine günstigere Wohnung zu suchen - die es aber nicht mehr gibt.

  • Man sollte sich auch anschauen wieso die Eigentumsquote in Deutschland so niedrig ist.



    In Belgien ist diese zum Beispiel viel höher auch wenn Belgien keineswegs als „neoliberaler“ oder „unsozialer“ Staat gilt.



    Aber bei vielen Details wie zum Beispiel Grunderwerbssteuer oder Regelungen zur Vorfälligkeit hat man in Belgien Regelungen gefunden, die es Bürgern erleichtern WohnEigentum zu erwerben.



    Heute sind Kredite viel günstiger als Mieten, aber leider profitieren Davon zwar sozial schwache, ärmere Belgier aber nicht sozial schwache Deutsche

  • "...Nordrhein-Westfalen und Brandenburg dagegen verzeichneten den Angaben zufolge hohe Rückgänge beim Sozialwohnungs-Bestand."

    Herr Laschet hat den Bau von Sozialwohnungen versprochen. So sieht die Realität unter ihm aus.

  • So lange Gemeinden und Kommunen Bauland zu Höchstpreisen verkaufen um ihr Kasse zu sanieren, so lange können sich Familien und Niedriglöhner kein Wohneigentum leisten. So lange die Kommunen für die Wohnkosten von Hartz4-Empfängern aufkommen müssen, haben sie kein Interesse für diese Wohnraum zu schaffen, eben weil es ihre Kasse nur noch mehr belasten würde.



    Wenn ich mir überlege, dass 30km von Stuttgart entfernt der m² Bauland für 700€ angeboten wird und eh kaum Bauland verfügbar ist, halte ich es für unmöglich überhaupt Sozialwohnungen zu bauen oder günstigen Mietraum anzubieten.



    Dass Menschen verzweifelt nach bezahlbarem Wohnraum suchen und oft nicht finden ist ein Armutszeugnis für unser Land.



    Was alleine dieser sinnlose Afghanistan-Einsatz und andere fragwürdige Militäreinsätze an Geld verschlungen hat, hätte für hunderttausende Sozialwohnungen locker gereicht.

    • @Rudi Hamm:

      " So lange die Kommunen für die Wohnkosten von Hartz4-Empfängern aufkommen müssen, haben sie kein Interesse für diese Wohnraum zu schaffen, eben weil es ihre Kasse nur noch mehr belasten würde."

      Nein. Günstige Wohnungen würden entlasten.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Nein. Günstige Wohnungen würden entlasten."



        Ja würden sie. Nur günstig lässt sich heute nicht mehr bauen. Für die nächsten 20-30 Jahre wäre es für die Gemeinden teurer als nur die Miete zu bezahlen. Und heute plant keine Gemeinde mehr auf 20 Jahre im voraus. Viele Gemeinden sind so verschuldet, dass die "von der Hand in den Mund" planen.

  • Alle privat gebauten Sozialwohnungen verlieren eben irgendwann ihre Sozialbindung, aber für öffentlich gebaute und betriebene Sozialwohnungen ist kein Geld da - Schuldenbremse sei Dank ...

    • @nappy:

      Wenn der Staat baut und somit in dauerhafte Immobilienwerte investiert, ist die sogenannte Schuldenbremse keine Ausrede. Die gilt meines Wissens nur für Ausgaben, die keine Investitionen darstellen.

      In der derzeitigen Niedrigzinsphase könnte der Staat ohne Weiteres viele Milliarden aufnehmen, durch die Negativzinsen dadurch sogar Geld verdienen, und damit Sozialwohnungen bauen. Es fehlt nur der politische Wille. Nicht einmal die Landesregierungen aus dem linken Lager bringen dazu den Entscheidungswillen auf. Gleichzeitig verkünden sie gerne "Wir haben Platz!" - es ist alles so widersprüchlich...

    • @nappy:

      Die Schuldenbremse finde ich nicht prinzipiell falsch, aber sie darf nicht im Bereich Sozialpolitik angesetzt werden, sondern zuerst in den Bereichen Militärausgaben und getarnte EU-Schuldenübernahme durch Staatsanleihen, welche sicher nie völlig zurück gezahlt werden. Des weiteren sollen endlich die Steuerschlupflöcher für Konzerne gestopft werden und Skandale wie Cum-Ex endlich zu harten Strafen führen.



      Es kann einfach nicht sein, dass ein normaler Mittelständer das Mehrfache an Steuern zahlt als amazon & Co.



      Dann wäre Geld genug da für Sozialwohnungen.

  • Es gibt zwei Gründe warum die Kosten für den Wohnungsbau insbesondere in Ballons Räumen so stark gestiegen sind:



    Erstens die Grundstücke sind begrenzt, wenn immer mehr Menschen an einem bestimmten Ort wohnen wollen steigen eben die Preise, dieses Problem kann kein System der Welt durchbrechen.



    Mir wäre keine vernünftige Regel, außerhalb des Preises, bekannt und wenn man in Zukunft der Krankenschwester eine Wohnung gibt aber der Arzt bekommt dann keine, hätte man dadurch die Situation auch nicht verbessert.



    Zweitens der Wohnungsbau wird durch immer mehr Auflagen teuer die sind insbesondere Auflagen rund um das Thema Ökologie und Wärmeschutz.



    Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind es vernünftige Auflagen, aber man muss sich eben klarmachen dass diese Geld kosten.



    Hier kommt wieder der Zielkonflikt zwischen Ökologie und soziale Absicherung zu Tage

    • @Paul Rabe:

      "dieses Problem kann kein System der Welt durchbrechen"



      Es gab und gibt durchaus Kulturen in denen die Vorstellung, dass Boden eine handelbare Ware sein könnte als völlig absurd und lächerlich gilt.

      • @Ingo Bernable:

        Von welcher Kultur sprechen Sie denn genau? Haben diese Kulturen ähnliche ökonomische Ergebnisse wie unsere, ist also der Lebensstandard des Median Bürgers wirklich klar höher als bei uns?



        Wer ist das ??

    • @Paul Rabe:

      "...dieses Problem kann kein System der Welt durchbrechen."

      Doch. Ist dann eben kein kapitalistisches mehr :-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Richtig, das ist dann nicht kapitalistisch, die spannende Frage stellt sich aber dann, ob der Mediabürgwe dort besser oder schlechter lebt ,wenn man es materiell betrachtet.

        Wenn mir jemand 5-6 gute historische Beispiele nennen kann, in denen es für einige Jahrzehnte auch funktioniert hat, wäre ich durchaus für eine Systemwechsel bereit.

        Aber für eine Rolle als „Versuchskaninchen“ wäre ich persönlich nicht bereit und ich vermute die Mehrzahl meiner Mitbürger auch nicht…

        • @Paul Rabe:

          Nicht kapitalistische Systeme haben Jahrtausende lang funktioniert...

          Irgendwann waren sie überlebt und wurden abgelöst. Wird dem Kapitalismus auch passieren...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Welche Systeme genau meinen Sie, Mittelalter ? die Römerzeit ?oder noch früher die Bronzezeit die Steinzeit?



            Natürlich habe die funktioniert, ansonsten würde es uns heute nicht geben, aber die Frage ist schon ob der Median Bürger zu dieser Zeit materiell besser oder schlechter gelebt hat als der Median Bürger heute

            • @Paul Rabe:

              "...die Frage ist schon ob der Median Bürger zu dieser Zeit materiell besser oder schlechter gelebt hat als der Median Bürger heute..."

              Nein. Das ist nicht die Frage. Das ist nur die Frage für Menschen, die nur materiell denken können. Und es ist auch unsinnig, solche Vergleiche zu ziehen, da die technischen Grundlagen völlig anders sind. Außerdem kann man "besser Leben" nicht nur materiell definieren. Menschen waren auch früher glücklich.

              Letztlich geht es aber darum, dass jedes System eine endliche Zeit hat. Befriedigt es die Bedürfnisse der Menschen nicht mehr, wird es durch ein neues System ersetzt. Also ist der Kapitalismus auch nicht für die Ewigkeit...