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Bewegungstermine in BerlinAlexa, vertreib die Anwohner

Amazon will in Friedrichshain einziehen. Gegen den Tech-Konzern, der das Spreeufer verschandelt und Ar­bei­te­r:in­nen ausbeutet, gibt es Protest.

Klare Ansage, die auch Jeff Bezos verstehen dürfte Foto: imago / Christian Mang

E ine der nervigsten Eigenschaften des neuen hippen Berlins ist es, dass sich die globalen Tech-Yuppies hier so widerwärtig wohl fühlen. Ginge es nach ihnen, soll Berlin zu einer durchneoliberalisierten „Creative City“ werden. Schon heute ploppen überall Start-Ups, „Gründer-Campusse“ und Co-Working-Spaces auf. Befeuert wird diese Entwicklung vom Berliner Senat, in dem seit Jahren der Traum von Berlin als nächstem Silicon Valley herumgeistert.

Nur konsequent in dieser Entwicklung ist der kommende Einzug von Amazon in den East Side Tower an der Warschauer Brücke, schließlich ist der Schritt vom flache-Hierarchien-Start-Up zum monopolkapitalistischen Gigakonzern viel kleiner, als gewöhnlich angenommen. Wohin diese Entwicklung führt, wissen die Ber­li­ne­r:in­nen längst aus erster Hand. Dass es aber noch schlimmer werden kann, zeigt sich an Städten wie San Francicso oder New York, wo auch der Zuzug von Tech-Konzernen die Mieten noch astronomischer als in Berlin in die Höhe getrieben hat.

Doch Städte wie New York sind nicht nur Negativbeispiel. Vor einigen Jahren ist Amazon hier im Stadtteil Queens mit Plänen für einen riesigen Firmen-Campus gescheitert. Nachbarschaftsinis wie Queens Neigherhood United liefen damals von Haustür zu Haustür und verknüpften den Kampf gegen Gentrifizierung mit den Kämpfen gegen Rassismus und Ausbeutung. Obwohl auch Berlin etwa mit Blick auf den verhinderten Google-Campus in Kreuzberg einiges an Erfahrung hat, was den Kampf gegen technofeudale Giga-Konzerne angeht – hier lässt sich noch einiges lernen.

Amazon: Dienstleister für Abschiebung und Krieg

Denn natürlich ist Amazon nicht nur Gentrifizierer, sondern auch gnadenloser Ausbeuter. In Befragungen berichten Beschäftigte, dass sie bei der Arbeit permanent überwacht werden. Beschäftigte fühlen sich durch die engen Arbeitsvorgaben und die technisierte Kontrolle wie Maschinen ohne körperliche Autonomie. Bereits seit 2013 streiken Amazon-Beschäftige immer wieder an verschiedenen Standorten in Deutschland. Noch immer verweigert Amazon die Anerkennung der Flächentarifverträge im Einzelhandel.

Amazon hat aber sogar noch dunklere Seiten. Der Cloud-Dienst Amazon Web Services (AWS) dient etwa der US-Abschiebebehörde als zentrale technische Infrastruktur für die Verfolgung und Festnahme von illegalisierten Migrant:innen. Der gleiche Cloud-Dienst spielt Recherchen des +972 Magazines zufolge auch eine wichtige Rolle für Israels entgrenzten Krieg in Gaza. Hier werden auf Amazon-Servern riesige Mengen Überwachungsdaten über die Bevölkerung des Gazastreifens gespeichert. Amazon-Beschäftigte haben in der Vergangenheit gegen solche Kollaborationen protestiert.

Diese Dinge gilt es im Kampf gegen den Amazon-Tower zu verknüpfen, der natürlich scheiß Nachbar für Friedrichshain ist. Höchste Zeit deshalb, dem steuerscheuen Konzern des Multimilliardärs Jeff Bezos (der so bodenständige Hobbys hat, wie sich ins All schießen zu lassen) zu zeigen, dass er und sein auf Überkonsum basierender Laden in Berlin nicht willkommen ist. Um das deutlich zu machen, ruft ein Protestbündnis auf die Straße. Die Demo startet am Samstag (26. 10.) um 16:30 Uhr am Schleidenplatz nahe des S- und U-Bahnhofs Frankfurter Allee.

Da man sich auch in Kreuzberg, auf der anderen Spreeseite, Forderungen wie der nach bezahlbaren Wohnungen statt Luxusbüros anschließen kann, hat die Initiative Görli 24/7 eine Zubringerdemo auf die Beine gestellt (Start: Lausitzer Platz, 16:30 Uhr). Denn aus ihrem Kampf gegen die nächtliche Schließung und den Umbau des Görlitzer Parks wissen die Ak­ti­vis­t:in­nen genau, dass in der kapitalistischen Stadt nur die Interessen der Besitzenden durchgesetzt werden, während sich die Polizei um die sozialen Konsequenzen dieser Politik kümmert.

Protest gegen Kai Wegner

Für so ein autoritäres Politikverständnis steht zum Beispiel Kai Wegner, der seine Pläne für den Görli notfalls mit Polizeigewalt durchsetzen wird. Doch gleichzeitig will Wegner gerne „bürgernah“ sein – zumindest im Prinzip. Diejenigen, die in den Genuss der wegner'schen Bürgernähe im Rahmen der Gesprächsreihe „Kai Wegner vor Ort“ kommen wollen, müssen sich zuvor schriftlich anmelden, ihren Personalausweis zeigen und sich bereit erklären, dass der Senat alle Aufnahmen der Veranstaltung propagandistisch ausschlachtet. Gegen all das gibt es lauten Protest – mit Topfdeckeln, Hupen, Trillerpfeifen und mehr (Montag, 28. 10., Statthaus Böcklerpark, 17 Uhr).

Vor dem Statthaus ebenfalls anwesend sein, werden Beschäftigte der freien Träger Berlins, die immer noch nicht wissen, ob sie die 150 Euro Hauptstadtzulage erhalten werden, die für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes inzwischen tarifvertraglich geregelt ist. Die Unklarheit ist eine Sauerei, schließlich leisten die Beschäftigten bei freien Trägern die gleiche Arbeit und verdienen denselben Respekt. Auch sie rufen deshalb zum Protest gegen Wegner auf (Montag, 28. 10., Statthaus Böcklerpark, 16:30 Uhr).

Gegen Leerstand im Kaskelkiez richtet sich ein Herbstfest, bei dem unter anderem das Kiezteam von Deutsche Wohnen & Co. enteignen dabei ist. Das leerstehende Haus in der Türrschmidtstraße 1 soll durch ein familienfreundliches Herbstfest wachgeküsst werden. Es werden Lampions gebastelt, es gibt Kaffee und Kuchen, Kiezspaziergänge, Kinderschminken, ein Kiez-Quiz und mehr. Los geht es am Sonntag (27. 10.) ab 14 Uhr.

Persönlich mit den Auswirkungen des Ausverkaufs der Stadt konfrontiert? Wie jede Woche bietet Rechtsanwalt Henrik Solf mit Unterstützung der Bezirksgruppe Prenzlauer Berg der Berliner Mietergemeinschaft am Montag (28. 10.) von 18:30 Uhr bis 19:30 Uhr in der Kultur- und Schankwirtschaft Baiz eine kostenlose Beratung an. Denn gegen die kapitalistische Stadt hilft bekanntlich vor allem eines: Solidarität.

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