Bewegungstermine in Berlin: Feuer auf beiden Seiten der Mauer
Längst brennt es auf beiden Seiten der Brandmauer lichterloh. Wie nach der Wahl in Brandenburg der Rechtsruck ganzheitlich bekämpft werden kann.
M anche gaben sich erleichtert: Die AfD ist in den Brandenburger Landtagswahlen nur zweitstärkste Kraft geworden. In einem Kraftakt ist es der SPD – unterstützt von Wähler:innen anderer demokratischer Parteien – noch einmal gerade so gelungen, den Vorsprung der Rechtsextremen aufzuholen. Doch ist Erleichterung wirklich eine angemessene Reaktion auf eine Situation, in der die Zustimmung zu faschistischer Politik immer weiter wächst? Hat in Brandenburg die Brandmauer wirklich gehalten?
Natürlich nicht. Und das ist auch kein Wunder. Die sogenannte Brandmauer kann das faschistische Feuer überhaupt nicht mehr aufhalten, weil es längst auf beiden Seiten lichterloh brennt. Schuld sind Brandstifter: Politiker:innen der meisten bürgerlichen Parteien haben das Feuer über den Schutzwall getragen, in der irren Hoffnung, sie könnten aus dem grassierenden Fremdenhass noch kurzfristig politisches Kapital schlagen.
So wurde während des Brandenburger Wahlkampfs vor allem über ein Thema gesprochen: Migration. SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke wetterte gegen irregulär eingereiste Asylsuchende, der CDU-Innenminister Michael Stübgen wollte gleich das Asylrecht abschaffen. Soziale Missstände fanden wenig Beachtung, wenn sie nicht auf „die Ausländer“ geschoben wurden. Es ist eine historische Dummheit bürgerlicher Politik, faschistoide AfD-Positionen zu legitimieren und normalisieren – um sich dann zu wundern, warum die AfD immer weiter wächst.
In dieser Situation reicht es nicht, „nur“ gegen die AfD zu kämpfen. Bevor sich diesem Feuersturm zugewendet werden kann, müssen zunächst einmal die Brände auf der eigentlich demokratischen Seite der Brandmauer gelöscht werden. Dazu gilt es aber anzuerkennen, dass für die Zustände, in denen die AfD gedeiht, wesentlich mehr Menschen verantwortlich sind, als die Partei Mitglieder:innen hat.
Menschenrechte sind mehr als eine Phrase
Beispiel europäische Außengrenzen: Warum sollen sich Hinz und Kunz im Brandenburger Kleingarten noch für rassistische Stereotype schämen, wenn die gesamte Abschottungspolitik der europäischen Institutionen auf Menschenverachtung aufbaut? Seit 2014 sind über 30.000 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken. Jede auf dem Meeresgrund verweste Leiche ist eine moralische Bankrotterklärung der EU. Wer deshalb will, dass die Leute in Menschenrechten wieder mehr als eine Phrase erkennen können, muss deshalb: Frontex den Kampf ansagen.
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Am 26. Oktober wird die europäische Grenzschutzagentur 20 Jahre alt. Das Netzwerk Abolish Frontex sagt dazu: Das sind genau 20 Jahre zu viel. In einer Aktionswoche vom 30. September bis zum 6. Oktober soll deshalb die Wut über die andauernde Grenzgewalt auf die Straße getragen werden – mit dem Höhepunkt einer Demonstration, die am Donnerstag, den 3. Oktober, um 14 Uhr am Potsdamer Platz stattfinden wird.
Bereits im Vorfeld findet am Donnerstag (26. 9., 19 Uhr) im Aquarium am Kottbusser Tor (Skalitzer Str. 6) eine Informations- und Diskussionsveranstaltung über die Institution Frontex statt, die seit der Gründung 2004 ihr Treiben immer weiter ausgeweitet hat. Aktivist:innen von Alarmphone – einer Hotline für Flüchtende in Seenot – werden dabei über die Konfrontation mit Frontex und anderen europäischen „Küstenwachen“ berichten. Am Sonntag (29. 9., ab 12 Uhr) können im New Yorck im Bethanien (Mariannenplatz 2a) gemeinsam Banner für die Demo gemalt werden.
Körperliche Selbstbestimmung gegen rechts
Ein weiterer Brandherd, der im Kampf gegen den Faschismus dringend gelöscht gehört, sind die rechten Angriffe auf das Recht auf körperliche Selbstbestimmung. Auch Konservative mischen hier gerne mal mit – und arbeiten dafür auch mit christlichen Fundamentalist:innen und Rechten aller Couleur zusammen. Statt aber die Verfügungsfantasien über Frauen*körper sogar noch zu befeuern, muss das antifaschistische Sturmfestmachen des demokratischen Staates bedeuten: Endlich dem Staat verbieten, in die körperliche Autonomie von Menschen einzugreifen.
Seit 1871 werden Schwangerschaftsabbrüche nun kriminalisiert, das sind über 150 Jahre. Um diesen Zustand endlich zu beenden, wollen Menschen zum Tag der sicheren Abtreibung am Samstag, den 28. September, auf einer Kundgebung protestieren. Los geht es um 14 Uhr am Zionskirchplatz in Mitte.
Antifa heißt Erinnerungskultur
Was noch für einen jeden erfolgreichen Antifaschismus elementar ist? Eine kritische Erinnerungskultur, die sich der Verbrechen des deutschen Faschismus bewusst ist. Das ist – entgegen der typischen deutschen Selbstbeweihräucherung – in diesem Land keineswegs gegeben. Denn zum Beispiel könnte mensch meinen, Mindeststandard für eine solche Erinnerungskultur wäre, dass etwa das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Rom*nja und Sinti*zze nicht gefährdet werden darf, nur weil der Senat unbedingt eine Berliner S-Bahn-Linie durchboxen will.
Genau das droht aber. Der erst 2012 nach Jahrzehnten der Leugnung des Genozids an Rom*nja und Sinti*zze eingeweihte Gedenkort droht ausgerechnet durch ein Projekt der Deutschen Bahn beeinträchtigt zu werden, der Vorgängerorganisation der in den Porajmos involvierten Deutschen Reichsbahn. Antifa heißt deshalb auch, zur Kundgebung zu kommen, die sich für den Schutz des Mahnmals einsetzt (Samstag, 28. September, Potsdamer Platz, 18 Uhr).
Und wer nach all dem immer noch keine Idee hat, wie er:sie sich antifaschistisch engagieren kann, darf sich zunächst einmal von Antifas vorhergehender Generationen inspirieren lassen. Der Film Antifa – Schulter an Schulter, wo der Staat versagte befasst sich mit den Kämpfen einiger Antifas in den als Baseballschlägerjahren bekannten 1990ern. Der Film wird im JUP in Pankow (Florastr. 84) am Donnerstag (26. 9., 19 Uhr) gezeigt. Anschließend soll diskutiert werden – wohl auch über die Bedeutung von Antifakämpfen dies- und jenseits der Brandmauer.
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