piwik no script img

Betätigungsverbot der PKKAnachronistische Kriminalisierung

Kommentar von Müslüm Örtülü

Seit über 30 Jahren darf die kurdische PKK in Deutschland nicht tätig werden. Nach der Selbstauflösung der Partei sollte das Verbot aufgehoben werden.

Wollen nicht mehr kämpfen: Milizen der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die ihre Auflösung bekanntgegeben hat Foto: Ceerwan Aziz/AP/dpa

S pätestens mit der Festnahme des kurdischen Aktivisten und Politikers Yüksel Koç am 20. Mai in Bremen sollte allen klar sein: Die Ankündigung der PKK-Auflösung, das Ende des bewaffneten Kampfes – all das tut für das deutsche Innenministerium (BMI) nichts zur Sache: Es setzt die Kriminalisierung der Kurden auf Grundlage des Verbots in Deutschland wie gehabt fort.

Müslüm Örtülü

ist Politik­wissenschaftler und ehrenamtlich tätig bei Civaka Azad – dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit mit Sitz in Berlin.

Damit hat ein echtes Demokratiedefizit in Deutschland weiter Bestand, denn Yüksel Koç hat sich jahrelang in legalen kurdischen Organisationen engagiert – stets gewaltfrei. Er hat Demonstrationen organisiert, auf Veranstaltungen geredet, Netzwerkarbeit betrieben, war 2019 wochenlang im Hungerstreik und hat 2012 sogar im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags gesprochen.

Eigentlich ein vorbildlicher Bürger. Doch weil sein Engagement den Rechten der Kurden galt, befindet er sich nun in Untersuchungshaft. Der Vorwurf lautet „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“. Die Kriminalisierung kurdischer Aktivisten in Deutschland begründet das BMI mit dem PKK-Betätigungsverbot von 1993. Die kurdische Community mit mehr als einer Million Menschen in Deutschland beklagt schon seit Langem, dass dadurch ihre Grundrechte massiv eingeschränkt werden.

Trotz der Selbstauflösungsankündigung der PKK muss dieses Verbot endlich aufgehoben werden, denn das Beispiel Koç zeigt: Das Betätigungsverbot kann zur Grundlage genommen werden, um jeglichen kurdischen Aktivismus staatlicher Verfolgung auszusetzen. Nachdem Abdullah Öcalan Ende Februar aus der Haft heraus die PKK zur Selbstauflösung aufgerufen hatte, begrüßte das Auswärtige Amt noch am selben Abend diese Erklärung und bot sich als Vermittler zwischen der Türkei und den Kurden an.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Wenn die Regierenden in Berlin dieses Angebot ernst meinen, sollten sie zuerst damit beginnen, die Kriminalisierung kurdischer Aktivisten in Deutschland zu beenden und das PKK-Betätigungsverbot endlich aufzuheben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Man kann hier klar differenzieren. Die Aktivitäten der PKK selbst sind in vielen Fällen schwierig und klar zu verurteilen. Was aber erlaubt sein sollte, ist für kurdische Autonomie und alevitische Rechte einzustehen. Mittlerweile vertritt ja ein Großteil der Kurdinnen und Kurden (vor allem Demirtas und seine Leute) in der Türkei eher eine Anerkennung der Kurd*innen als autonome Bevölkerungsgruppe. Die türkische Regierung, MHP und auch Teile der CHP nutzen bis heute leider das Recht als Möglichkeit diese Aktivitäten zu verfolgen und jede kleinste Aktivität für kurdische Rechte zu brandmarken. Und das ist etwas, was klar verurteilt gehört! Genauso sind ja auch Fragen wie die Armenienresolution bis heute leider ein Tabu. Aber das sind deutliche Unterschiede zu dem was die PKK als Ideologie verfolgt. Deswegen ist hier auch eine klare Differenzierung angebracht, um nicht alle kurdischen Kräfte in denselben Topf zu werfen.

  • 1) Wenn die PKK aufgelöst wird, weshalb braucht es dann noch eine Legaliesierung?

    2) Selbst im Falle einer Aufhebung des Verbotes würden bereits erfüllte Straftatbestände nicht obsolet (Im Falle von Herrn Yüksel Koç geht es um Begehungszeiträume zwischen 2016 und 2023).

    Für die rechtmäßige Meinungsäußerung und die Organisation von Demonstrationen von Kurden in Deutschland braucht es eine Organisation abseits der PKK.

  • Man kann es auch umgekehrt sehen. Wenn sich die PKK und alle ihre Alibigruppierungen auflösen, ist niemand mehr vom Verbot betroffen. Und wenn diese Gruppierungen weiter existieren, ist das Verbot weiterhin sinnvoll.



    Was Herrn Koç angeht: dass er vor 13 Jahren mal vorm Petitionsausschuss gesprochen hat, sagt nichts über seine heutige politische Ausrichtung aus.

  • Merkwürdige Logik: Eine Partei, die sich gerade aufgelöst hat, möchte in Deutschland wieder zugelassen werden? Wenn ich das zu Ende denke, würde ich vermuten (oder befürchten), dass die alten Kader in Deutschland (mit schlecht organisierten bzw. relativ regulierten Geheimdiensten) nicht legale Aktivitäten erledigen möchten, die für sie in der Türkei entweder dann nicht mehr möglich oder zu gefährlich sind. Ich sehe eigentlich keine anderen (logischen) Gründe.

  • "Seit über 30 Jahren darf die kurdische PKK in Deutschland nicht tätig werden. Nach der Selbstauflösung der Partei sollte das Verbot aufgehoben werden."



    Warum? Wenn es sie nicht mehr gibt, ist es eh wurscht.

    • @Encantado:

      Es ist nicht wurscht. Es geht um den Schutz vor Strafverfolgung der ehemaligen Mitglieder. Bis zur Verjährung können sie dafür Strafrechtlich belangt werden.

  • Verbrecherische und terroristische Organisationen sollten auch im nachhinein nicht legalisiert werden.

  • 3G
    34783 (Profil gelöscht)

    Warum soll das Betätigungsverbot in einer ausländischen Organisation auf deutschen Staatgebiet aufgehoben werden ? Es gibt kein Grundrecht auf Aktivismus für Kurden in Deutschland, so kann es auch nicht massiv eingeschränkt werden !

    • @34783 (Profil gelöscht):

      Aber die Ülkücü-Bewegung, die grauen Wölfe, eine der größten rechtsextremen Organisationen in Deutschland, kann hier völlig ungestört agieren. Hier wird mal wieder mit zweierlei Maß gemessen.

      • @Andreas J:

        Dann wäre die einzige sinnvolle Alternative, sich für ein Verbot der "Ülkücü-Bewegung" stark zu machen und nicht, die Legalisierung weiterer zwielichtiger Vereine zu fordern.