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Besuch von Joe Biden in EuropaDen Weckruf nicht gehört

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Europa hat es verpasst, sich von den USA zu emanzipieren. Viele EU-Politiker sind aus der Zeit gefallen und schwärmen für ein Amerika, das es nicht mehr gibt.

An der Küste von Newquay, Cornwall, am Donnerstag Foto: Jon Super/ap

N ordirland, die Steuerpolitik und die Coronakrise: Das sind die großen Themen, die US-Präsident Joe Biden beim G7-Gipfel in Cornwall erwarten. Glorreich klingt das nicht – jedenfalls nicht so bombastisch, wie es EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei Bidens Wahl Ende 2020 versprochen hatten. Einen „Gründungspakt“ wollte Michel mit den USA schließen. Eine „neue transatlantische Partnerschaft“ wollte von der Leyen begründen.

Viel ist davon nicht geblieben. Biden ließ die EU am ausgestreckten Arm verhungern und verfolgte seine eigene Agenda. Mit den großen Sprüchen der Transatlantiker hat sie nicht viel zu tun.

Im Gegenteil: Wie schon Amtsvorgänger Donald Trump setzt auch Biden auf „America first“. Ob in Afghanistan, im Nahen Osten oder bei der Handelspolitik: Immer wieder traf der neue Präsident einsame Entscheidungen, die die Europäer vor den Kopf gestoßen haben. Sogar die von Trump verhängten Strafzölle sind noch in Kraft. Wundern kann dies nur jene, die über ein kurzes Gedächtnis verfügen.

Schon unter Barack Obama hat die Entfremdung zwischen den USA und Europa begonnen. Unter Trump war sie mit Händen zu greifen. Doch die EU hat den Weckruf nicht gehört und die Chance verpasst, sich von den USA zu emanzipieren.

Aneinander vorbeireden

Und so werden wir in den nächsten Tagen einem merkwürdigen Schauspiel beiwohnen: einem US-Präsidenten, der in Europa verweilt, in Gedanken aber längst in China ist – und EU-Politikern, die aus der Zeit gefallen sind und für ein Amerika schwärmen, das es nicht mehr gibt. Man wird gemeinsame Werte beschwören und aneinander vorbeireden.

Nutzlos muss der Gipfelreigen aber dennoch nicht sein. Schon G7 bietet Gelegenheit, gemeinsam etwas zu erreichen. Biden kann die EU in der Nordirland-Frage unterstützen, die EU könnte Biden bei den Patenten für Corona-Impfstoffe entgegenkommen. Und in der Steuerpolitik könnten sie sogar an einem Strang ziehen – und die großen Konzerne zur Kasse bitten. Es wird höchste Zeit.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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12 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Wundern kann dies nur jene, die über ein kurzes Gedächtnis verfügen.""



    ==

    Wer führt in Europa Krieg?



    Wer konterkariert das Völkerrecht?



    Wer missachtet die Chemiewaffenkonvention?

    2..Original UVDL/EU:



    fordert anlässlich G7 Konsens über die fortgesetzte Unterstützung der Wirtschaft um diese nachhaltig zu stärken und widerstandsfähiger zu machen



    (siehe den von der EU aufgelegten Hilfsfond über 803 Millarden Euro verbunden mit Reformen und staatlichen Investitionen in die Wirtschaft der Empfängerländer)



    und die Reform des regelbasierten Multilateralismus.

    sowie Solidarität bei der weltweiten Bekämpfung der Pandemie mit Appell zur Begrenzen der globalen ErdErwärmung auf +1,5 ° C und fordert die Unterstützung für die dafür notwendigen Veränderungen ein.



    ===



    Multilateralismus = Zusammenarbeit innerhalb der EU - und Abstimmung gemeinsamer Ziele innerhalb der G7 Staaten - sind grundlegende Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Klimafolgenpolitik.

    Massnahmen gegen die Erderwärmung in Algermissen, Peine und im Allgäu allein werden nicht reichen.

    3.. ""Nordirland, die Steuerpolitik und die Coronakrise: Das sind die großen Themen, die US-Präsident Biden beim G7-Gipfel erwarten.""

    ==

    In der Coronakrise trommelt Boris Johnson - wobei er entgegen der EU in kein einziges Land -- entgegen der EU -- auch nur eine einzige Impfdose geschickt hätte.

    Die Besteuerung der international agierenden Großkonzerne kommt - angeregt von Joe Biden.

    Im Nordirlandkonflikt unterstützt Biden die Einhaltung des Good Friday Agreements.



    Die Europäische Union hat im Konflikt um das NI - Protokoll entgegen den Vereinbarungen im WA und NIP zugestimmt das auch zukünftig UK Medikamente unabhängig von einer EMA Zulassung nach NI schicken darf.

    Dieses Eingeständnis bedeutet aber auch klare Kante der EU hinsichtlich der Vereinbarung im NIP das auch künftig die Zollgrenze in der irischen See liegen wird.

    NIP & NI werden also sicher kein Thema auf dem G7 Gipfel sein.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      "Wie schon Amtsvorgänger Donald Trump setzt auch Biden auf „America first“."

      Darum geht es im Artikel.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Bitte den Artikel noch mal lesen.

  • Der naive Proamerikanismus wird noch erschreckender, wenn man sieht, wie stark das amerikanische Wahlsystem durch maßgerechtes Zuschneiden von Wahlbezirken und Ausschluss von immer mehr Menschen von der Wahl inzwischen manipuliert ist. In Georgia beispielsweise hat die republikanische Regierung auf den knappen Sieg der Demokraten bei Präsidentschafts- und Senatswahlen sofort mit Änderungen am Wahlgesetz reagiert.

    Biden konnte nur in der absoluten Ausnahmesituation der Coronakrise Präsident werden, aber der Regelfall wird in Zukunft sein, dass ein sehr rechter republikanischer Präsident bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung gewählt wird, auch ohne Mehrheit im Popular Vote. Nicht Trump ist in diesem manipulierten System der "Unfall" sondern Biden. Das schein man in Europa noch gar nicht realisiert zu haben..

    Fassungslos macht einen da die ausßenpolitische Positionierung der deutschen Grünen. Wenn man translatlantisches Vasallentum und - in Bezug auf Russland - die Wiederbelebung des schlichten Gut-böse-Schemas des kalten Kriegs als "rechts" definieren würde, dann stehen die Grünen außenpolitisch inzwischen rechts von der Union, zumindest die Führung um Bärbock, Habeck und Özdemir.

    • RS
      Ria Sauter
      @Lenning Köstler:

      Kann Ihnen nur zustimmen!

    • @Lenning Köstler:

      "Fassungslos macht einen da die ausßenpolitische Positionierung der deutschen Grünen."

      Mehr als fassungslos, sogar beklemmend finde ich die außenpolitische Positionierung der Grünen. Da frage ich mich manchmal, in welchem Interesse das sein soll und woher diese bedingungslose Unterwerfung bezüglich der Durchsetzung amerikanischer Interessen kommt.

  • Tja, Partnerschaft hat eben auch danit zu tun, dass man etwas zu bieten hat. Die EU hat aber nicht viel zu bieten und zwar weil sie viel zu wenig EU- Politik entwickelt und durchsetzt. Die Schwärmerei für den großen Bruder war und ist immer zuerst ein Ausdruck von Faulheit und Egoismus. Zu einer wirklich gemeinsamen europäischen Politik ist auch vor allem gerade Deutschland noch nie so richtig bereit gewesen. Und wenn jemand einen anderen "am ausgestreckten Arm" hat verhungern lassen, dann war das Merkel gegenüber Macron und seinen Reformvorschlägen.Partner wie uns braucht man wirklich nicht oder nur wenn man keine anderen hat.

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @Benedikt Bräutigam:

      Es ist vor allem Egoismus, aber von vielen Seiten. Viele Politiker in Europa haben noch nicht kapiert, dass nationaler Kuhhandel ausgedient haben sollte, und ebenso die starre Beharrung auf dem Nationalstaat.

      • @68514 (Profil gelöscht):

        Die USA mache aber auch unter Biden eine nationalistische Politik. Die Europäer interessieren nur in so weit, wie man sie vor den eigenen Karren spannen kann...

        • 6G
          68514 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Im politischen Geschäft war's doch noch nie anders. Aber viele hier in Europa haben eben nicht verstanden, dass man als Nationalstaat-Einzelkämpfer nicht mehr weit kommt. Insofern ist eine Einigkeit in der EU sehr wichtig. Nur ist dies bei der derzeitigen Interessenlage schwer vorstellbar. Da müssten viele ja mal über den eigenen Tellerrand hinausgucken.

          • @68514 (Profil gelöscht):

            Nur sollten die zusammengeschlossenen Europäer nicht einer selbst ernannten Supermacht hinterher dackeln, sondern ihr eigenes Ding machen.

            • 6G
              68514 (Profil gelöscht)
              @warum_denkt_keiner_nach?:

              Da bin ich ganz Ihrer Meinung. :-)