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Besetzung des Hongkonger ParlamentsSchnell wieder beendet

In der Sonderzone Hongkongs kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen. Die Regierungen Hongkongs und Chinas haben das scharf verurteilt.

Demonstranten zerstören eine Glasscheibe am Parlamentsgeäude in Hongkong Foto: dpa

Berlin taz | Die Regierungen Hongkongs und Chinas haben die gewalttätigen Ausschreitungen einiger hundert Demonstranten in der Sonderzone scharf verurteilt. Am späten Montagabend waren vermummte und mit Bauarbeiter- und Motorradhelmen ausgerüstete Demonstranten gewaltsam in das Gebäude des Hongkonger Legislativrates, des Parlaments der autonomen südchinesischen Stadt, eingedrungen.

Dort besprühten sie Wände mit Parolen, hissten eine britische Kolonialflagge im Plenarsaal und beschädigten Porträts prochinesischer Abgeordneter. Als nach zwei Stunden gegen Mitternacht die Polizei mit Tränengas auf das Gebäude vorrückte, flohen die Besetzer. Festnahmen gab es nicht.

Hongkongs Peking-nahe Regierungschefin Carrie Lam, deren Politik zur schwersten Krise in der Stadt seit der Rückgabe an China 1997 ­geführt hatte, verurteilte den „extremen Einsatz von Gewalt“ der Demonstranten. „In Hongkong ist nichts wichtiger als die Rechtsstaatlichkeit“, sagte sie. Dabei mobilisiert genau die Sorge um die Rechtsstaatlichkeit seit Wochen Hunderttausende Demonstranten. Diese befürchten eine Aufweichung des lokalen Rechtssystems durch das von Lam initiierte Auslieferungsgesetz. Es würde Auslieferungen an China ermöglichen, das nicht rechtsstaatlich verfasst ist.

Die Regierung in Peking forderte Ermittlungen gegen „gewalttätige Angreifer“ und sprach von einer „unverhohlenen Herausforderung“ für das Autonomieprinzip „ein Land, zwei Systeme“, das der Stadt Freiheiten gewährt, die es in China nicht gibt. Die „soziale Ordnung“ müsse wieder hergestellt werden. Chinesische Staatsmedien, die bisher kaum über die Massenproteste berichtet hatten, forderten eine Null-Toleranz-Politik“. Beobachter befürchten, die Regierungen in Hongkong und Peking könnten die Gewalt als Vorwand nehmen, um hart gegen die Proteste vorzugehen.

Wieder Protest gegen das Auslieferungsgesetz

Die Erstürmung des Gebäudes war möglich geworden, weil die Polizei sich nach Stunden der Belagerung plötzlich zurückgezogen hatte. Die prodemokratische Abgeordnete Denise Ho deutete an, dass dies eine Falle der Polizei gewesen sein könnte, die zuvor das Gebäude mit Tränengas und Schlagstöcken verteidigt hatte.

Hongkongs Polizeichef begründete den Rückzug damit, dass Demonstranten an elektrischen Anschlüssen des Gebäudes hantiert hätten und ein Stromausfall gedroht habe. Der hätte dazu führen können, dass die Situation völlig entgleitet. Prodemokratische Abgeordnete hatten die Demonstranten vergeblich aufgefordert, das Gebäude nicht anzugreifen.

Fast zeitgleich demonstrierten erneut Hunderttausende friedlich gegen das Auslieferungsgesetz. Das hat die Regierung bisher nur suspendiert, aber nicht offiziell aufgegeben. Hongkongs Aktienmarkt blieb am Dienstag unbeeindruckt von der Gewalt und schloss höher ab.

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1 Kommentar

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  • > Auslieferungen an China ermöglichen, das nicht rechtsstaatlich verfasst ist.

    Okay. Dann nennt mir _ein_ Land, was es heute wirklich gibt, was ein real funktionierender Rechtsstaat ist, und wo dieser Begriff nicht zur Farce gehört, um ein Legitimitätsgefühl zu erzeugen.