Proteste in Hongkong: Übergriffe auf Demonstranten
Hunderttausende demonstrieren friedlich für demokratische Rechte. Dann eskalieren die Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungszone.
Hunderttausende hatten am Sonntag erneut gegen die Regierung und für Ermittlungen gegen das Vorgehen der Polizei bei vorangegangenen Protesten demonstriert. Die Demonstranten waren zum großen Teil schwarz gekleidet und trugen gelbe Helme. Am Vortag hatte es eine Solidaritätskundgebung für die Polizei gegeben, bei der Teilnehmer weiße Kleidung trugen. Protestierende vermuteten Triaden, die chinesische Mafia, hinter den Angriffen.
Beim Protestmarsch am Sonntag war es auch zu neuen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Beamte in voller Schutzausrüstung setzten am Abend Tränengas ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Viele der Demonstranten hatten sich für die Konfrontation ebenfalls mit Atemschutzmasken, selbst gemachten Schilden und Helmen gerüstet.
Rund 430.000 Menschen hatten nach Angaben der Organisatoren zuvor friedlich für demokratische Rechte demonstriert. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl mit 138.000 an. Nach Ende der Kundgebung bewarfen einige Demonstranten das Verbindungsbüro der regierenden Kommunistischen Partei Chinas mit Eiern, besprühten die Überwachungskameras am Gebäude und beschmierten das dort angebrachte chinesische Wappen mit schwarzer Tinte. Einige errichteten auch Straßensperren.
Widerstand gegen das Auslieferungsgesetz
Als die Menge sich weigerte, sich zu zerstreuen, setzte die Polizei das Tränengas ein und rückte gegen die Demonstranten vor. Über Verletzte und Festnahmen wurde zunächst nichts bekannt. Mehrere Demonstranten mussten nach Kontakt mit dem Tränengas von Helfern versorgt wurden. Über ihre offiziellen Konten in den sozialen Medien teilte die Polizei später mit, Demonstranten hätten Backsteine und Molotowcocktails auf Beamte geworfen und die zentrale Polizeiwache attackiert.
Pläne für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz, durch das Bewohner von Hongkong auf dem chinesischen Festland vor Gericht hätten gestellt werden können, hatten im Juni massive Proteste losgetreten. Die Demonstranten erreichten, dass die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, den Gesetzentwurf auf Eis legte, doch den Aktivisten geht es mittlerweile noch um viel mehr. Sie wollen einen Rücktritt Lams und die Absicherung der demokratischen Freiheiten, die Hongkong für Jahrzehnte garantiert worden waren, als es 1997 von Großbritannien an China zurückgegeben wurde.
Bei dem Protestzug proklamierten Teilnehmer fünf Forderungen aus einem Manifest, das bei der Erstürmung des Hongkonger Parlaments am 1. Juli erstmals präsentiert worden war: Allen Bewohnern Hongkongs solle ein direktes Wahlrecht gewährt, alle Vorwürfe gegen die bei den Protesten festgenommenen Demonstranten sollten fallengelassen werden, eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstranten dürfe nicht mehr als „Unruhen“ bezeichnet und der Legislativrat Hongkongs müsse aufgelöst werden.
Chinesische Medien hatten die Proteste in der Sonderverwaltungszone lange ignoriert. Am Sonntag schrieb das kommunistische Parteiorgan Renmin Ribao, „radikale Extremisten“, hätten am 1. Juli das Hongkonger Parlament gestürmt und die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten.
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