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Beschuldigter Linker Johann G.JVA beschlagnahmt „Nova“-Shirt von Antifa-Inhaftiertem

Der Antifaschist Johann G. solidarisierte sich in seinem Prozess mit einem Shirt mit dem israelischen „Nova“-Festival – nun beschlagnahmte es die JVA.

Statement vor dem Oberlandesgericht Dresden: Johann G. im „Nova“-Shirt mit seinem Anwalt Martin Schaar Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Es war ein Statement. Zum Prozessauftakt gegen sieben An­ti­fa­schis­t*in­nen vor dem Oberlandesgericht Dresden am vergangenen Dienstag betrat der Hauptbeschuldigte Johann G., in Handschellen und von Wachleuten hereingeführt, den Verhandlungssaal in einem grünen Shirt, darauf das Logo des israelischen Ravefestivals „Nova“. Das Festival, auf das Hamas-Terroristen im Oktober 2023 ein Massaker mit gut 360 Toten verübten – einer der Ausgangspunkte des jüngsten Nahostkriegs.

Nun gibt es dazu ein Nachspiel: Denn die JVA Dresden, in welcher der 32-Jährige in Untersuchungshaft sitzt, beschlagnahmte laut Auskunft seiner Ver­tei­di­ge­r*in­nen nach G.s Auftritt im Gericht das besagte „Nova“-Shirt – weil es für Unruhe in dem Gefängnis sorgen könnte.

Die JVA Dresden wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern. Aus Gründen des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte mache man zu einzelnen Gefangenen keine Angaben, sagte eine Sprecherin der taz. Sie erklärte aber, dass grundsätzlich in der JVA Kleidung untersagt werden dürfe, wenn sie verboten oder verfassungsfeindlich sei oder wenn damit „eine Botschaft gesendet werden soll, die das geregelte Zusammenleben in der Anstalt gefährdet“. In der JVA Dresden seien Gefangene unterschiedlicher Ethnien und Nationen untergebracht, die dabei berücksichtigt werden müssten, so die Sprecherin. Wenn mit Kleidung etwa zu Hass oder Gewalt aufgerufen werde oder Religionszugehörigkeiten diskriminiert würden, könne das Tragen untersagt werden.

„Kaum zu ertragende Argumentation“

Die Ver­tei­di­ge­r*in­nen von Johann G. haben für die Beschlagnahmung keinerlei Verständnis. „Dass ein Kleidungsstück, auf dem nichts weiter abgedruckt ist als der Name des Festivals, dessen Besucher am 7. Oktober 2023 Opfer des größten Verbrechens an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust wurden, nach Ansicht der Verantwortlichen der JVA Dresden die Sicherheit und Ordnung einer Justizvollzugsanstalt in Deutschland beeinträchtigen soll, ist eine kaum zu ertragende Argumentation“, kritisierte Martin Schaar, einer der Anwälte. „Wir werden einen Antrag an die zuständige Strafvollstreckungskammer stellen, um dies überprüfen zu lassen.“

Auch zum Prozessauftakt hatte das „Nova“-Shirt von Johann G. für Aufsehen gesorgt – und für Diskussionen in der linken Szene. In Social-Media-Beiträgen lobten einige dieses als Zeichen gegen Antisemitismus, andere kritisierten G. als „Zionisten“. Politisch hatte sich der Leipziger schon vorher innerhalb der Antifa-Szene positioniert. Er soll auch Teil der „Nakam“-Graffiti-Crew gewesen sein, was die Gruppe einerseits mit „Nazis kaputt machen“ übersetzte, sich andererseits aber auf eine gleichnamige jüdische Gruppe bezog, die nach 1945 Rache für die NS-Verbrechen nehmen wollte. Nakam steht hebräisch für „Rache“.

In dem Dresdner Prozess wird Johann G. von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, mit fünf Mitangeklagten eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, die von 2018 bis 2023 mehrere schwere Angriffe auf Rechtsextreme verübte. Ein weiterer Angeklagter gilt als Unterstützer. Johann G. soll laut Anklage eine „herausgehobene Stellung“ gehabt, soll Trainings, Ausspähungen und Angriffe organisiert haben und bei fast allen Taten dabei gewesen sein.

Vor seiner Festnahme am 8. November 2024 war Johann G. fast vier Jahre abgetaucht. Zu den Vorwürfen schweigt er bisher. Seine Ver­tei­di­ge­r*in­nen kritisierten zu Prozessbeginn eine Vorverurteilung von G.: durch Festlegungen in einem früheren Prozess gegen vier weitere An­ti­fa­schis­t*in­nen, darunter seine Ex-Verlobte Lina E., durch Medienberichte und durch seine Haftbedingungen.

Tatsächlich hatte die JVA Dresden Johann G. direkt nach seiner Festnahme unter strengsten Bedingungen inhaftiert. So wurde G. anfangs in einem besonders geschützten Sicherungshaftraum untergebracht und stand mit einer sogenannten Sitzwache unter Dauerbeobachtung. Wenn er die Zelle verlassen durfte, wurden seine Hände und Füße gefesselt. Über mehrere Wochen befand sich Johann G. in „Absonderung“, durfte keine anderen Gefangenen treffen oder an Gemeinschaftsveranstaltungen teilnehmen. „Unser Mandant befand sich praktisch in Isolationshaft“, kritisierte Anwalt Schaar. Er und seine Mit­ver­tei­di­ge­r*in­nen hatten gegen diese Auflagen geklagt – und zuletzt Recht bekommen. Das Oberlandesgericht Dresden erklärte nach Schaars Auskunft die Maßnahmen nachträglich für rechtswidrig.

Im Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden drohen Johann G., der einschlägig vorbestraft ist, derweil mehrere Jahre Haft – auch weil die Bundesanwaltschaft zwei der Angriffe auf Rechtsextreme, in Dessau-Roßlau und Erfurt, als versuchten Mord wertet. Die Ver­tei­di­ge­r*in­nen ziehen vor allem bei diesen beiden Angriffen jedoch die angeführten Indizien in Zweifel, dass G. am Tatort war – ein vermeintlicher DNA-Treffer und Videoaufnahmen der vermummten Angreifer durch Passanten.

Die Vorwürfe gegen G. seien schwer und man nehme sie sehr ernst, sagte seine Anwältin Kristin Pietrzyk zu Prozessbeginn. Man erwarte aber auch, dass das Gericht ernsthaft prüfe, ob diese Vorwürfe stichhaltig seien oder auf Mutmaßungen beruhten.

Der Prozess gegen Johann G. und die sechs Mitangeklagten geht am Montag weiter. Wegen der vielen Tatvorwürfe sind bisher Prozesstermine bis ins Jahr 2027 angesetzt.

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19 Kommentare

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  • So lange man nicht selbst in einer JVA arbeitet kann man das gut kritisieren. Aber wenn es unter den Häftlingen zur Unruhe kommt müssen die JVA Mitarbeiter auch leiden.

    Da ist auch ein Grund wie Zb. das man Gefangene nicht bei Brot und Wasser einsperrt. Sondern das sie TV gucken können, Musik hören, das viele tagsüber geöffnete Zellen haben. Ja da müssen die Rechte einzelner auch mal zurück stehen. "Draussen" kann er anziehen was er möchte, für Häftlinge gelten nun mal Einschränkungen.

  • Ich bin völlig dabei, wenn die Rechtsanwälte gegen unrechtmäßige Haftbedingungen vorgehen und dann deren Aufhebung erreichen. Aber das T-Shirt? Vielleicht sollte man mal akzeptieren, dass da jemand im Gefängnis sitzt (und das nicht das erste Mal) und dann nicht immer die gleichen Rechte gelten wie für die Bürger, die sich zumindest größtenteils an die Gesetze halten und dementsprechend in Freiheit sind. DA kann ich anziehen was ich will. Im Gefängnis haben die Beamten eine Fürsorgepflicht für jeden einzelnen Gefangenen, und der sind sie (offensichtlich) nachgegangen. Vielleicht sollte man ab und zu mal das grundsätzliche Polizei-Bashing beiseite wischen und den Gedanken zulassen, dass auch diese Menschen im Sinne des Gefangenen handeln, auch wenn der und seine Anwälte auf Grund von Aufmerksamkeitshascherei lieber auf Provokation setzen (und diese "Provokation" ist für einige Mitinsassen ganz sicher gegeben).

    • @MarsiFuckinMoto:

      Es gibt keine unterschiedlichen Rechte für unterschiedliche Menschen. Der Mensch hat seine Strafen verbüßt und jetzt werden ihm neue vorgeworfen. Bis zur Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung, so wie für viele andere auch.



      Der Typ sitzt derzeit in Untersuchungshaft und nicht in strafhaft und da gilt die Menschenwürde auch und keine anderen Massstäbe

  • Unruhe: Tja, diese Anstalten haben ihre ganz eigene Logik. Unruhe, vorausgesetzt, andere Gefangene sehen und verstehen den T-Shirt-Aufdruck.



    Haftbedingungen: einfach mal machen.



    Zum Glück gibt es seit ein paar Jahren eine GG-BO: Gefangenengewerkschaft bundesweite Organisation.

  • Die fürsorgliche Geisteshaltung um die Unversehrtheit eines Linken wegen seines Shirts ist wirklich bemerkenswert. Wenn aber Nazis in Horden, sie nenen das Demo, mit ihren verfassungsfeindlichen Symbolen, "Ausländer raus" und verächtlich machenden Gesten durch unsere Strassen laufen, dann werden Gegendemonstranten (Linke) regelmässig von der Staatsmacht verprügelt.

    Summa summarum heißt das dann jawohl, wenn Nazis, sorry die heißen ja jetzt Neurechte, mit ihrem provokanten Scheiß der andere aufstachelt durch unsere Straßen laufen, ist das okay. Wenn ein Linker ein Shirt trägt, dass an einen Massenmord erinnert, wird es ihm "zu seinem Schutz" weggenommen.

    Wenn unsere Staatsmacht so fürsorglich gewesen wäre und den Naz... äh Neurechten mal die Kutten, Shirts, Flaggen und Tätowierungen wegnehmen würde, brauchte man auch keine Naz... Neurechte zu verprügeln.



    Streng betrachtet ist das also unterlassene Hilfeleistung im Amt.

    • @Bernhard Dresbach:

      Es geht nicht nur um die Fürsorge des Gefangenen, wenn es Unruhen Schlägereien usw. gibt müssen die auch daruter die Bediensteten leiden.

      Und in welcher JVA dürfen Nazis Kutten tragen, Nazifahnen in ihrer Zelle aufhängen usw. Und draussen darf Johann G. natürlich das T Shirt tragen, aber Nazis mit Zb. Hakenkreuz Tätowierungen müssen die im Knast und draussen verdecken.

      Und wie sollen die deutsche Staatsmacht verhindern das in Ungarn Nazis aufmarschieren. Und finden sie es richtig das Deutsche nach Ungarn fahren um dort den Menschen zu zeigen was Recht ist. Durch Selbstjustiz. Erinnert mich an dunkle Zeiten.

      • @Martin Sauer:

        Die Nazis erinnern mich an noch viel dunklere Zeiten. Manchmal ist Recht auch nur das, was man sich nimmt wenn Staatsorgane ganz offensichtlich versagen.



        Und Ungarn hat doch viele schöne Ecken. Wenn man dann ganz nebenbei noch ein wenig Bildung vermitteln kann, ist das doch wunderbar.

  • Das Verbot wird kaum haltbar sein, ausser mit fadenscheinigen Begründungen. Wer den nun aber als Zionisten beschimpft bräuchte mal nen Realitätscheck. Im Spiegelbild findet sich da kein Linker, sondern ein gewöhnlicher Antisemit.

    • @TV:

      Doch, das Verbot wird sehr wohl haltbar sein. Johann G. sitzt in einer JVA, und da gelten andere Bedingungen als in der Freiheit.

      Und laut Strafvollzugsgesetz kann die Kleiderauswahl in U Haft auch eingeschränkt werden oder ganz verboten werden.

      U Haft Dotrtmund



      www.jva-dortmund.n...Kleidung/index.php



      Die Anstalt kann jedoch die Anzahl, die Art und die Qualität der privaten Kleidung beschränken, um Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Beispielsweise sind bestimmte Markenzeichen, Logos oder auffällige Farben oft nicht erlaubt.



      Die Genehmigung zum Besitz privater Kleidung und Bettwäsche kann bei Missbrauch oder Fehlverhalten widerrufen werden.

    • @TV:

      Word. Für manche scheint gerade die Paliflagge mehr Mode als Solidarität mit den Opfern auf jeglicher Seite zu sein. Links sein heist nicht in Ethnien, Nationalitäten oder Religionen zu denken.

  • Kann sich Irgendwer vorstellen, was passiert, wenn er mit diesem T-Shirt bei den anderen Insassen aufschlägt? Mir gruselt es bei dem Gedanken.



    Und dass da nur eine Logo drauf ist, tut nichts zu Sache, es zeigt seine Einstellung. Irgendwen verärgert er damit sicher.

    • @Donni:

      Ja, er verärgert damit antisemiten. Das ist mMn. völlig in Ordnung.

      • @Jesus:

        es könnte dann aber auch in "Selbstmord" enden. Und das darf die Gefängnissleitung nicht zulassen.



        In Freiheit gilt der Freie Wille, aber im Knast sollte er deutlich vorsichtiger sein.

  • Die JVA macht in diesem Fall alles richtig und zwar zum Schutz des Angeklagten. In Gefängnissen gelten andere Regeln als in Freiheit. In Freiheit kann ich tragen, was ich will. In einer JVA sind gedrängt Menschen, die dort unfreiwillig auf engstem Raum zusammen leben. Dort reichen Kleinigkeiten aus um zu eskalieren, ein solches Shirt ist durchaus geeignet einen gewissen Personenkreis zu triggern und nicht immer und überall kann ein Schließer eingreifen. Wenn dann etwas geschieht, wird auf die JVA von den selben Personen geschimpft, die jetzt fordern, das er das Shirt tragen darf.

    • @Reinero66:

      Wer könnte getriggert werden durch dieses T-Shirt und inwiefern, können Sie das bitte präzisieren?

      • @Friedel Castrop:

        Was wäre denn wenn ein Neonazi ein T Shirt mit einer Mohamed Karrikatur tragen würde, und sich muslimische Gefangene beschweren? Solte man das tragen trotzdem weiter erlauben, auch wenn es zu Übergriffen gegen den Gefangenen oder JVA Personal kommt.

        Eine JVA ist keine Privatwohnung, da gibt es Regeln damit es ruhig bleibt.

      • @Friedel Castrop:

        Antisemiten könnten getriggert werden, weil die es gar nicht gerne sehen, wenn man sich irgendwie mit den Opfern des "legitimen Widerstands" gegen Musikfestivals und Kibbuzim solidarisiert.

        • @nihilist:

          Dann sollten Antisemiten die sich von einem T-Shirt so triggern lassen in Einzelhaft und unter Beobachtung, wir müssen ja nun nicht auf jede rassistische oder sonstige menschenverachtende Meinung Rücksicht nehmen.

          • @Jesus:

            Waren Sie schonmal in einem Gefängnis? Sei es auch nur als Besucher oder Sozialarbeiter, da bekommt man auch schon manches mit.



            Lesen Sie doch nochmal den Taz-Ratgeber eines Schwerkriminellen für Neulinge:



            taz.de/Klimaaktivi...-Gericht/!6043625/



            Zitat: "Jede Angriffsfläche, die man bieten könnte, gilt es auszuschalten. Also auch Werte und politische Überzeugungen. 'Ihr werdet viel mit Nazis konfrontiert sein', sagt Hecht, der Hitlergruß sei häufiger gezeigt worden. 'Versucht euch davon freizumachen, dass ihr dagegen irgendwas tun könnt. Ihr könnt es nicht.'"