piwik no script img

Beschluss über Bundeswehr-SondervermögenStartschuss für olivgrünes Shopping

Ampel und Union finden Kompromiss zum schuldenfinanzierten Sondervermögen für die Bundeswehr. Die Ausgaben für Waffen steigen deutlich.

In einer Servicestation der Bundeswehr für Grundausstattung in Münster Foto: Marcel Kusch/dpa

Berlin taz | Drei Monate hat die Debatte gedauert. Nun haben sich die Ampelregierung und die Union auf das schuldenfinanzierte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die bessere Ausstattung der Bundeswehr geeinigt. Am späten Sonntagabend verkündeten sie ihren Kompromiss. Als „großen Erfolg“ bezeichnete es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag, dass die „Zeitenwende“ jetzt finanziell „unterlegt“ werde.

Die Ankündigung der militärpolitischen Zeitenwende und des Sondervermögens stammen aus der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Ein Konsens mit der Union ist nötig, weil die Ampel aus SPD, Grünen und FDP Stimmen der Opposition im Bundestag für die Änderung des Grundgesetzes braucht. Die dort verankerte Schuldenbremse schließt zusätzliche Kredite von 100 Milliarden Euro eigentlich aus. Deshalb soll das Sondervermögen jetzt ebenfalls ins Grundgesetz, „neben die Schuldenbremse“, wie Lindner sagte, „als einmalige Ausnahme“.

Die Regierung will die Ausgaben für die Bundeswehr auf 2 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt anheben, wie es die Nato vor Jahren beschlossen hat. Das wären augenblicklich etwa 70 Milliarden Euro jährlich, wobei der geplante Verteidigungshaushalt für 2022 bei gut 50 Milliarden Euro steht. Die fehlenden etwa 20 Milliarden sollen in den kommenden Jahren jeweils aus dem Sondervermögen hinzufließen. Dabei kann die konkrete Summe von Jahr zu Jahr schwanken, in Abhängigkeit von den zu finanzierenden Rüstungsvorhaben.

Wenn das Geld nach fünf oder mehr Jahren ausgegeben ist, will sich die Koalition nicht mehr an den 2 Prozent orientieren, sondern an „Nato-Fähigkeitszielen“, heißt es im Kompromissbeschluss. Entscheidend sei dann nicht die abstrakte Zahl, sondern „wie viele Fregatten oder Brigaden“ das Bündnis brauche, so Lindner. Die benötigten Summen könnten mal unter oder auch über 2 Prozent liegen. Damit hat die Koalition sich und ihren Nachfolgern eine gewisse Handlungsfreiheit bewahrt.

Transporthubschrauber, Kampfjets, Drohnen

Koalition und Union vereinbarten außerdem, die zusätzlichen Mittel nur für die Bundeswehr zu verwenden. Es geht also um Ausrüstung und Waffen, etwa um neue Transporthubschrauber, Kampfjets und bewaffnete Drohnen. Andere sicherheitsrelevante Vorhaben wie die Abwehr von Cyberattacken oder die Unterstützung befreundeter Staaten sollen dagegen aus dem normalen Haushalt finanziert werden.

Ein Wirtschaftsplan mit konkreten Beschaffungsvorhaben soll vorliegen, wenn der Bundestag das Gesetz über das Sondervermögen beschließt. Ein Begleitgremium des Haushaltsausschusses wird die Abarbeitung der Liste kontrollieren. Entscheidungen wird dieses Gremium, in dem auch die Union sitzt, wohl aber nicht treffen können – die bleiben dem Bundestagsausschuss insgesamt vorbehalten.

Für die Tilgung der zusätzlichen 100 Milliarden Euro wird ein Plan ausgearbeitet, sobald die Mittel ausgegeben sind. Die Kredite würden zurückgezahlt und nicht als Schulden des Bundes über Jahrzehnte mitgeschleppt, betonte Lindner. Ein ähnliches Verfahren gilt schon für die Coronaschulden. Diese angepeilte Tilgung schränkt den finanziellen Spielraum des Bundeshaushalts in einigen Jahren erheblich ein.

Ab 2023 halte die Ampel die Schuldenbremse wieder ein, erklärte der Finanzminister. Mit dem Bundeshaushalt 2023, den der Bundestag in den kommenden Monaten verhandelt, sei „das Ende der expansiven Finanzpolitik“ gekommen. Nach Corona und trotz der russischen Aggression werde die Regierung zu einer „Politik zurückkehren, die mit Knappheiten umgeht“. Lindner sagte: „Jetzt erst wird die Ampelkoalition geformt.“ Die großzügigen schuldenfinanzierten Haushalte 2021 und 2022 betrachtet der Finanzminister als notwendige, aber problematische Abweichung vom rechten Kurs seiner Finanzpolitik. Künftig „müssen wir die Inflation bekämpfen“. Zusätzliche staatliche Ausgabenprogramme oder Subventionen, die den Preisauftrieb beschleunigten, seien nicht ratsam.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Tja.. wenn's um eine existenzielle Bedrohung der Menschheit in Form von radikalen Klimaveränderungen gibt, ist kein Geld da - dafür aber für Clowns in Uniform mit Rechtsdrall, die besser rumballern können sollen.

    • @Piratenpunk:

      Sie haben sich ein Freibier gewünscht?

      • @Schnitzelbrötchen:

        Nö. Ich wünsche mir primär eine bessere Welt. Mit Alkohol und anderen Drogen kann ich eher weniger anfangen

  • Na, da bin ich ja mal gespannt.



    Wo doch unsere Verteidigungsministerin angesichts der desolaten Versorgungslage zu jeder Gelegenheit betont, wie komplex und langwierig die Beschaffungsprozesse sind.

    Da wird es vermutlich Jahrhunderte brauchen, bis das Geld verausgabt wurde.

    Und bei der Gelegenheit zeigt sich dann auch gleich, wie grün die Grünen sind:



    Olivgrün !

  • "Drei Monate hat die Debatte gedauert"



    meint Herr Koch.



    Kein Wort darüber, daß Scholz mit seinem Sondervermögen-Coup noch nicht mal seine eigene Fraktion über die Idee unterrichtet hatte, geschweige denn daß es in der SPD oder bei den Grünen oder sonstwo eine Debatte gegeben hätte.



    Das fordert Jessica Rosenthal ein:



    "Vor allem aber müssen wir strategische Debatten wie um das Zwei-Prozent-Ziel und eine strategische Aufstellung der Bundeswehr endlich miteinander gesellschaftlich wie parlamentarisch führen."



    www.spiegel.de/pol...-aefa-a212c2a9584b

  • wofür eigentlich? Um in der Nato hundert mal mehr Waffen als in Russland zu haben? Ehrlich. Kann es nicht mehr hören... und dann ist kein gd für Sozialleistungen mehr da. Nie wieder wähle ich grün....

    • @Christian Ziems:

      Wie kommt man darauf, die Grünen wären eine sozial eingestellte Partei? Eine Partei von Akademikern der Geisteswissenschaften mit zu viel Einkommen. Wenn man dann doch mal Regierungsverantwortung bekommt, merkt man, dass die Realpolitik andere Anforderungen hat als Lastenrad und Veggie-Day.

      Zum Titel, Olivgrün ist schon seit 25 Jahren nicht mehr vorherrschend in der BW, seit 1993 trägt man Flecktarn :)