Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Natürlich muss die StVO der Politik Spielraum bieten, dass sie Schwächere unterstützen darf, da sollte man gar nicht drüber diskutieren müssen. Allerdings gibt ein Verkehrsminister, der die kleinsten Verbesserungen, die ihm versehentlich unterlaufen sind, prompt wieder zurückzieht, nicht wirklich Grund zur Hoffnung auf Besserung.
In beiden Fällen: Gerichte als Garanten des Status-Quo. Veränderung ist illegal. Dann wundert man sich, dass nichts voran geht.
Das Verwaltungsgericht Berlin teilte am Montag mit, Radwege dürften nur dort angeordnet werden, wo es konkrete Hinweise auf Gefahren im Verkehr gebe und die Anordnung zwingend notwendig sei. In der Logik der Vergangenheit würde dies ja bedeuten, dass erst Radwege angelegt werden dürften, wenn bereits jemand zu Schaden gekommen ist. Gutmütig könnte man jetzt hier argumentieren, dass es schon ausreichend wäre, dass eine Gefahrensituation besteht. Und mal realistisch: überall dort, wo der MIV mehr als 30 km/h unterwegs sein darf, besteht immer eine erhöhte Gefahr für Radfahrer. Aber dies ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen. Radwege sind also das eine, ein allgemeines Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften dann das nächste dringende Thema. Ein weiteres wichtiges Thema wäre dann ein verschärfter Bußgeldkatalog. Es gibt also noch viel zu tun.
Bleibt zu hoffen, dass das Urteil ebenso folgenlos bleibt, wie die zahlreichen Rechtsbeugungen durch die Polizei ;-)
Eigentlich eine gute Gelegenheit aus den temporären Radwegen dauerhafte zu machen.
Der Gerichtsentscheid offenbart keine Autolastigkeit von welchem Gesetz auch immer, sondern möglicherweise den populistische Diletantismus des Berliner Senats.
Und die Rechten haben Oberwasser - echt peinlich.
@rero Sollte natürlich "Dilettantismus" heißen.
Auch ich leide manchmal an Dilettantismus beim Tippen. Sorry!
Bei der Friedensdemo im Berliner Tiergarten ist BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht die Umjubelte – ganz im Gegensatz zu SPD-Mann Ralf Stegner.
Berliner Urteil zu Pop-up-Radwegen: Mitten im Kulturkampf
Die Berliner Corona-Radwege sind rechtswidrig. Der Gerichtsentscheid offenbart die Autolastigkeit der StVO – sie muss dringend überarbeitet werden.
Der Corona-Radweg in Berlin soll rechtswidrig sein – hauptsache, die Autos haben weiterhin viel Platz Foto: Karsten Thielker
Die Straßen in den wachsenden Städten sind schon vor Corona zu Orten eines Kulturkampfes geworden: Stetig mehr Autos, Lkws, Räder, Busse, Bahnen, FußgängerInnen beanspruchen den – und meist mehr – Platz für sich. Wem die Sicherheit der gefährdetsten VerkehrsteilnehmerInnen wichtig ist, weiß: Es muss Raum umverteilt werden zugunsten von RadlerInnen und FußgängerInnen, zuungunsten von Autos. Wem das egal ist, versucht solche Veränderungen mit allen Mitteln zu verhindern.
Etwa die AfD. Eines ihrer Mitglieder im Berliner Landesparlament hat gegen die kurz nach Beginn von Corona ausgewiesenen sogenannten Pop-up-Radwege vor dem Verwaltungsgericht geklagt – und Recht bekommen. Die Pandemie könne nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, so das Gericht; vielmehr müsse auf eine konkrete Gefahrenlage hingewiesen werden.
Die temporären Radspuren, die es inzwischen in vielen Städten Deutschlands gibt, stehen damit auf der Kippe. Und Berlins AfD feiert sich als Retterin des Autoverkehrs. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Manche ExpertInnen bezweifeln, dass er Bestand haben wird, und verweisen auf eine Einschätzung der Bundestags-JuristInnen. Sollte er bestätigt werden, wäre das ein Auftrag an die VerkehrspolitikerInnen in Berlin und anderswo, ihre Maßnahmen besser zu begründen.
So oder so bleibt eine Signalwirkung dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts: Solange die Straßenverkehrsordnung zuungunsten schwächerer VerkehrsteilnehmerInnen interpretiert werden kann, so lange muss sie überarbeitet werden. Das ist ein klarer Auftrag selbst für konservative lobbyhörige Bundesverkehrsminister.
Es kann nicht sein, dass kreative Maßnahmen für mehr Sicherheit und weniger Tote auf den Straßen, noch dazu mitten in einer Ausnahmesituation wie dieser Pandemie, von Autofans als „illegal“ gebrandmarkt und von Gerichten verboten werden. Schließlich sind wir längst tief im 21. Jahrhundert angekommen, das das Ende der „Auto-Kratie“ markieren wird. Und jede/r weiß das.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Radfahren in Berlin
Kommentar von
Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Themen
mehr von
Bert Schulz