Berliner Rufbus vor dem Aus: Der Tod holt den Berlkönig
Rot-Rot-Grün spricht sich dagegen aus, den Rufbus mit Subventionen in Millionenhöhe zu unterstützen. Damit dürfte das Projekt am 30. April enden.
Das Modellprojekt Berlkönig läuft seit zwei Jahren als Kooperation zwischen der BVG sowie dem Unternehmen Viavan, an dem zur Hälfte Mercedes Benz beteiligt ist. Per App können Kunden die Fahrzeuge ordern, müssen aber damit rechnen, dass Mitfahrer mit einem ähnlichen Ziel entlang der Strecke zusteigen. Allerdings gilt das Angebot bisher nur in der östlichen Innenstadt – weite Teile Berlins sind damit gar nicht zu erreichen. Das wollte die BVG ändern.
Die Verkehrsbetriebe hatten in der vergangenen Woche versucht, die drei Fraktionen zu überzeugen, das umstrittene Projekt fortzusetzen. Am Montag hatte sich sogar der Koalitionsausschuss – wichtigstes Gremium bei Streitfragen – mit dem Berlkönig beschäftigt. Letztlich war die Ablehnung aber deutlich: „Die Zahlen überzeugen uns nicht“, bilanzierte Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, den Tenor der Fraktionssitzung am Dienstag. Der Rufbus habe sich zwar dem Ziel, Verkehr einzusparen und zu bündeln, angenähert, dieses aber nicht erreicht.
Tino Schopf, Verkehrsexperte der SPD, nannte die finanzielle Forderung schlicht zu hoch: „43 Millionen Euro jährlich – da müssten wir bei anderen wichtigen Verkehrsprojekten sparen“, sagte Schopf am Mittwochmorgen der taz. Er nannte unter anderem die Anschaffung von neuen Bussen, den Ausbau des Radnetzes und neue Ampelanlagen für Fußgänger.
Kommunikation „unterirdisch“
Irritiert zeigte sich Schopf auch über die Kommunikation der BVG. Erst Anfang Februar habe man erfahren, dass überhaupt eine solche Finanzierungslücke auftauche. Eigentlich war das Pilotprojekt Berlkönig für vier Jahre genehmigt, bis September 2022. Doch die BVG hat den Vertrag mit Viavan lediglich für zwei Jahre geschlossen. Warum, sei ihm unklar, so Schopf. Auch habe die BVG frühere Gespräche nicht genutzt, um auf das Problem hinzuweisen. Er nannte die Kommunikation seitens der BVG „unterirdisch“.
Die BVG verweist hingegen auf eine frühe Pressemitteilung, in der bereits die Zweijahresfrist öffentlich gemacht worden sei. Offiziell erklärte sie in einer Mitteilung: „Wir bedauern sehr, dass bisher keine Lösung zur weiteren Finanzierung des Projekts gefunden wurde.“ Man habe sich sehr bemüht, mit „Zahlen, Daten und Fakten die Bedeutung und Entwicklungschancen des Berlkönigs“ darzulegen. Denn in der BVG ist man überzeugt: Der König funktioniert und trage schon jetzt zur Reduktion des Verkehrsaufkommens bei.
Für Schopf ist trotz der vorenthaltenen Zuschüsse das Projekt dennoch nicht ganz tot – die Genehmigung laufe ja bis 2022. „Die zuständige Senatsverwaltung für Verkehr und die BVG sind jetzt in der Pflicht, mit dem Kooperationspartner ViaVan über die Fortsetzung zu verhandeln“, sagte er. Er geht davon aus, dass auch bei dem Unternehmen ein Interesse und das nötige Geld dafür vorhanden sei: „Berlin ist schließlich keine irrelevante Stadt.“
Mitteilung der BVG
Auch der Grüne Harald Moritz hält eine Fortsetzung im aktuellen Bereich für sinnvoll: „Wenn die BVG das Angebot der östlichen Innenstadt weiter anbietet, kann sie das machen.“ Er sieht hingegen die von der BVG geforderte Ausweitung des Angebots auf das ganze Stadtgebiet kritisch. „Im Außenbereichen wurde das gar nicht getestet.“ Sollten die Erlöse dort nicht den Erwartungen entsprechen, könnte der Zuschuss des Landes sogar noch über die 43 Millionen Euro pro Jahr steigen. „Das ist viel zu viel im Vergleich zu den Zuschüssen für Busse und Bahnen der BVG.“
Die BVG sieht das anders. Aus Kosten-Nutzen-Sicht empfehle sich eine Ausweitung auf ganz Berlin, heißt es in der Präsentation für die rot-rot-grüne Koalition. Eine Konzentration lediglich auf die ganze Innenstadt, für die lediglich Zuschüsse in Höhe von 11 Millionen Euro jährlich nötig wären, beurteilen die Verkehrsbetriebe eher negativ, weil „die verkehrstechnische Überlegenheit der Innenstadtlagen“ zementiert werde – sprich jene profitierten, die jetzt schon das beste Angebot hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?