Berliner Mietendeckel: Linke linkt SPD
Der erste Entwurf des Berliner Mietendeckels geht weit über die ursprünglichen Vorschläge der SPD hinaus. Die Opposition tobt.
Seit dem vergangenen Wochenende ist klar, dass die Mietendeckel-Idee nicht ohne Weiteres wie erhofft aufs Konto der SPD einzahlen wird. Im Juni hatte der Senat erste Eckpunkte verabschiedet, mit dem Entwurf des Gesetzes war die linke Stadtentwticklungssenatorin Katrin Lompscher betraut. Am Samstag veröffentlichte der Tagesspiegel einen ersten Entwurf, der weit über das hinausgeht, was die SPD geplant hatte. So sollen Höchstmieten für alle Gebäude je nach Errichtungsjahr gelten. Die höchste zulässige Kaltmiete für zwischen 1991 und 2013 erbaute Wohnungen liegt bei 7,97 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen geringe Modernisierungszuschläge für Wärmedämmung oder Aufzüge. Neubauten sind ausgenommen.
Damit würde erstmals ein Gesetz beschlossen, mit dem hohe Mieten wieder gesenkt werden können. Bei allen bisherigen Überlegungen, auch zur Mietpreisbremse auf Bundesebene, war es stets nur darum gegangen, Mieten nicht weiter steigen zu lassen. Die Immobilienlobby konnte daher etwa in den Verhandlungen um die bundesweite Mietpreisbremse stets auf eine Verzögerungstaktik setzen: War der jeweiligen Novelle der entscheidende Zahn gezogen, konnten die bis zur nächsten Gesetzeskorrektur erfolgten Mietsteigerungen nie wieder rückgängig gemacht werden. Lompscher betritt mit ihrer Idee einer Mietensenkung ebenso juristisches Neuland wie mit dem Mietendeckel als solchem.
In der Berliner Politik hat Lompschers Entwurf Frontstellungen wiederbelebt, die in langen Jahren pragmatischen Regierens vergraben geblieben waren. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kündigte an, „jegliche Mittel auszuschöpfen, um die Sozialismusfantasien des Senats zu beenden“. Dazu gehöre „selbstverständlich auch eine Normenkontrollklage vor dem Verfassungsgericht“. Am Sonntag twitterte er: „Die Linke brennt die Stadt nieder.“ Der Mietrechtsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak, sagte: „Ich hoffe, dass die SPD mit ihrem Regierenden Bürgermeister Michael Müller noch einen Rest an Verstand und Führungsstärke aufbringt, um die Pläne der Senatorin zu stoppen.“
Zurückhaltende Reaktionen
Die Sozialdemokraten, die mit dem Mietendeckel reüssieren wollten, könnten nun allzu große Erwartungen an ihn stoppen. In diese Richtung äußerte sich Lompschers Amtsvorgänger Andreas Geisel, heute Innensenator und stellvertretender SPD-Landesvorsitzender: „Nicht der radikalste Vorschlag ist der beste, sondern der wirksamste. Wir brauchen einen Mietendeckel, der den Mieterinnen und Mietern schnell und rechtssicher hilft.“ Julian Zado, ebenfalls SPD-Landesvize und einer der drei Erfinder des Mietendeckels, twitterte vorsichtig: „Finde die Ideen von Katrin Lompscher spannend, habe aber noch Fragen dazu.“
Auch die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, äußerte sich zurückhaltend: „Die Herausforderung ist: Der Mietendeckel muss rechtssicher, fair, sozial und praktikabel sein. Und wie das geht, beraten wir gerade.“
Am Montag gaben die Aktienkurse von Vonovia um 2,3 Prozent nach, die der Deutschen Wohnen zeitweilig sogar um 5 Prozent. Laut dpa würden die Pläne Vonovia mit 20 bis 25 Millionen Euro im Jahr belasten. Eine Sprecherin der Deutschen Wohnen sprach von einem „Frontalangriff auf den Rechtsstaat“.
Katrin Lompscher wollte den geleakten Entwurf am Montag nicht kommentieren. Es handele sich um einen „Vorbereitungsstand für einen Referentenentwurf“, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Am 15. Oktober will der Berliner Senat das Gesetz beschließen, im Januar 2020 soll es in Kraft treten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen