Berliner Humboldt Forum öffnet: So ein schönes Boot
Die Debatte um die Herkunft der besten Exponate im Humboldt Forum ist in vollem Gange. Besonders brisant ist die Geschichte des „Luf-Boots“.
Man könnte meinen, die Staatlichen Museen im Humboldt Forum seien in den bahnbrechenden Lernprozess eingetreten, endlich. Drei Wochen sind es noch bis zur Eröffnung der ersten Ausstellungen im 680 Millionen teuren Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft hinter den cremegelben Barockfassaden des Berliner Hohenzollernschlosses. Dann wird die Öffentlichkeit die mit 14.000 Quadratmetern größte Präsentation des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst besichtigen können, wo rund 20.000 Exponate ausgestellt werden sollen.
Am Mittwochvormittag erlaubte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) einigen Journalist*innen unter der Führung von Präsident Hermann Parzinger und Direktor Lars-Christian Koch einen Einblick in diese Schau. Gerade in letzter Zeit ist diese wieder hoch umstritten – Stichwort Provenienzforschung, Rückgabeforderungen, deutsche Kolonialzeit und Benin-Bronzen. Darum war es erwartbar, dass bei den Museumsmacher*innen vor allem von Offenheit die Rede war. “Es wird sich vieles verändern im Laufe der nächsten Jahre“, so Parzinger. „Wir lernen konstant dazu“, so Koch. Das Humboldt Forum werde vor allem ein Ort für die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen aus den Herkunftsländern der Exponate.
In einem Raum für die Debatte um die Kunst Afrikas, wo kaum Originale zu sehen sein werden, füllt Provenienzforscherin Julia Binter diese Einsicht mit Inhalten. Sie berichtet von einer Reise nach Namibia – und wie die Forscher:innen vor Ort über den Völkermord der Deutschen an den Herero denken. Vor allem erzählt sie von einem Kunstwerk der Modeschöpferin Cynthia Schimming aus Namibia, die für die Ausstellung ein Herero-Kleid neu interpretiert hat.
Raum für Diskussionen
Wie viele andere Ausstellungsmacher*innen im Humboldt Forum geht Binter in die richtige Richtung, dank ihnen wird das Humboldt Forum tatsächlich so etwas wie eine Plattform für Diskussionen werden. Viele Kurator*innen, darunter die der Ausstellung Berlin Global aus dem Berliner Stadtmuseum und Humboldt Labor aus der Berliner Humboldt Universität, verstehen sich schon jetzt eher als Moderator*innen. Sie sprechen schon jetzt nicht mehr nur von Zusammenarbeit, sondern davon, dass sie die Ausstellungen in weiten Teilen an zivilgesellschaftliche Organisationen oder Studierende abgegeben haben.
Anders als in anderen Ländern galt das Museum in Deutschland eher als Bewahrer denn als Räuberhöhle. Doch diese Auffassung gerät gerade mächtig ins Wanken. Noch im Winter hieß es aus dem Humboldt Forum, die Benin-Bronzen würden ein Publikumsmagnet. Nun wird Deutschland diese restituieren. Doch ist die Diskussion trotzdem längst nicht, wo sie sein müsste.
„Das Prachtboot“
Das wird im Humboldt Forum besonders deutlich, als die kleine Führung am eindrucksvollen, 15 Meter langen „Luf-Boot“ aus dem heutigen Papua-Neuguinea ankommt, einem der Herzstücke des neuen Vorzeigemuseums. Anfang Mai hat der Berliner Journalist und Historiker Götz Aly mit seinem Buch „Das Prachtboot“ eine ganz neue Phase der Debatte eröffnet.
Bis dahin hatte die SPK behauptet, das Boot sei rechtmäßig erworben worden. Doch Aly erzählt noch einmal anschaulich, was eigentlich bekannt ist: Wie die deutschen Kolonialherren im „Schutzgebiet“ Deutsch-Neuguinea töteten, vergewaltigten und die Bewohner zur Zwangsarbeit auf ihren Plantagen verschleppten. 1882 sorgte der deutsche Unternehmer Eduard Hernsheim dafür, dass deutsche Marineinfanteristen im Rahmen einer „Strafaktion“ etwa die Hälfte der Einwohner von Luf umbrachten, ihre Dörfer, Felder und Boote verbrannten. 20 Jahre später besuchte Max Thiel die Insel, der inzwischen Direktor von Hernsheim & Co geworden war, und brachte das Boot unter nicht geklärten Umständen in den Besitz der Firma.
Aus dieser gut erforschten Geschichte einen „rechtmäßigen Erwerb“ zu machen ist ein starkes Stück – und das wissen die Museumsleute eigentlich. Umso hilfloser wirkt es, wenn Dorothea Deterts, Kuratorin der Sammlung Ozeanien im Ethnologischen Museum, am Mittwoch davon spricht, an diesem Ort gehe es um „Mensch und Meer in Ozeanien“ – und damit Schluss.
Keine offensive Auseinandersetzung
Über die blutigen Hintergründe des Erwerbs werde man dann in einer Broschüre berichten – sowie an anderer Stelle im Haus. Parzinger springt ihr bei, er habe kürzlich Kontakt zum Honorarkonsul gesucht und sich so rückversichert, es gebe von dort keine Rückforderungen. „Man freut sich, dass das Boot hier ist.“ Aha!
Auf die Frage, warum direkt am umstrittenen Objekt keine offensive Auseinandersetzung stattfindet, weiß man keine Antwort. Die Staatlichen Museen sind nicht nur unbeweglich, sondern sie verteidigen nach wie vor knallhart die Pfründen, die ihnen noch bleiben. Ihre bisherige Rolle als Fels in der Brandung der Kolonialismusdebatte werden sie so jedenfalls kaum los.
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