Berliner Clubs sollen Kulturgut werden: Jenseits von Bumm, Bumm, Bumm
Clubs stehen verwaltungstechnisch auf der Stufe von Bordellen. Rot-Rot-Grün will sie als Kulturstätte anerkennen und so besser schützen.
30 Jahre also, nachdem Techno und damit vor allem die Clubs, die diese elektronische Musik in vielen Weiterentwicklungen spielen, das Nachtleben Berlins weltberühmt gemacht haben, will die rot-rot-grüne Koalition diese kulturelle Leistung endlich politisch offiziell anerkennen: Clubs sollen fortan Kulturstätten sein.
Sie stünden damit nicht mehr auf einer Stufe wie Bordelle oder Spielhallen, die bisher ebenfalls als Vergnügungsstätten gelten. Das sieht ein Antrag ans Abgeordnetenhaus vor, den die drei Regierungsfraktionen am Rande des letzten Plenums vergangenen Donnerstag fertig gestellt haben und der, wenn es gut läuft, noch bis Ende des Jahres beschlossen sein könnte. Begründet wird der Plan unter anderem damit, dass die Berliner Clubkultur „ein global bekanntes Aushängeschild und ein kultureller Motor der Musikszene“ sei.
Das ganze Vorhaben klingt so gar nicht nach Party und ekstatischem Tanzen, sondern eher nach bürokratischer Aktenwälzerei. Aber tatsächlich liegen da auch viele Probleme, mit denen Clubs seit Jahren in Berlin konfrontiert sind und deren Folgen immer mal wieder als „Clubsterben“ beklagt werden. Denn bei Genehmigungen gilt die Baunutzungsverordnung, und da haben „Clubs und Live-Spielstätten“, sprich Konzerträume, in Wohngebieten etwa überhaupt nur eine Chance auf eine Genehmigung, wenn sie als Kultur gelten, erläutert der grüne Abgeordnete Georg Kössler, einer der Initiatoren des Antrags. Für ihn wäre die Anerkennung ein „politisches Signal“ in dem Sinne, dass Clubs geholfen werden soll, wenn sie Probleme mit Lärm, Nachbarn, neuen EigentümerInnen etc. bekommen.
Was übers Bumm, Bumm, Bumm hinaus geht
Dafür braucht es nach guter deutscher Tradition natürlich eine Beschreibung, die über das Bumm, Bumm, Bumm hinaus geht. Schützenswert, so formuliert es der Antrag, sollen Clubs und Konzertstätten sein, „wenn sie einen regelmäßigen Spielbetrieb und ein anerkanntes künstlerisches Profil aufweisen, das durch kuratiertes Programm, musikästhetischen Anspruch und ein raumgestalterisches Konzept gekennzeichnet ist.“ Offen bleibt da nur die Frage, wer feststellt, wann ein Profil „anerkannt“ ist.
Der Senat soll künftig dafür sorgen, dass alle Bezirke bei den Genehmigungen von Clubs einheitlich vorgehen. Schließlich, so Kössler, gebe es in Berliner Verwaltungen immer noch Menschen, die das Wort nicht kennen. Zudem solle sie eine Clubkataster anlegen, also eine Liste aller Clubs, um bei der städtebaulichen Entwicklung die Anliegen der Clubs „konfliktarm“ zu berücksichtigen. Und Berlin soll eine Bundesratsinitiative starten mit dem Ziel, die Baunutzungsverordnung zu reformieren und eine Anerkennung der Clubs auch auf Bundesebene zu erreichen. Ähnliche Anträge haben im Bundestag bereits die Linken und die Grünen gestellt.
Mit der aktuellen Coronakrise, die die Clubs härter trifft als alle anderen kulturellen Einrichtungen, hat der Antrag nichts zu tun, berichtet der grüne Abgeordnete. Ein Jahr lang habe die Abstimmung in der Koalition gebraucht. Damals war vor allem die Verdrängung durch stark steigende Mieten eine Gefahr. Kössler hofft, dass dank der kulturellen Anerkennung Clubs künftig häufiger auf landeseigene Ersatzräume zurück greifen können.
Was Corona angeht, ist seine Prognose hart, aber klar: Bis nächstes Jahr werden die Clubs nicht öffnen können. „Sie müssen deshalb von der öffentlichen Hand finanziert werden, sonst machen sie ganz dicht.“ Der Kampf für diese Gelder und wer sie dann genau erhält, dürfte schwieriger werden als der für den rot-rot-grünen Antrag.
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