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Berliner Abiturient über die Prüfungen„Man hat vieles ertragen“

Mit welchem Gefühl geht der Abitur-Jahrgang in die gerade begonnen Prüfungen? Abiturient Felix Gruner trauert vor allem um den Sommer danach.

Und los geht's: SchülerInnen auf dem Weg zur Prüfung Foto: picture alliance/Thomas Warnack/dpa
Anna Klöpper
Interview von Anna Klöpper

taz: Felix, seit dieser Woche laufen die Abiturprüfungen in Berlin – begleitet von massivem Protest aus der Schülerschaft, weil viele über schlechte Vorbereitungsbedingungen klagen oder Angst vor einer Ansteckung haben. Mit welchem Gefühl gehst du in die Prüfungen?

Felix Gruner: Die Verunsicherung ist da, aber eigentlich gehe ich mit einem ganz guten Gefühl. Ich habe Mitte März so richtig angefangen mit der Vorbereitung, meine erste Prüfung habe ich nächste Woche Donnerstag. Mathe, Deutsch, Englisch mündlich, dann noch die Präsentationsprüfung in Politik, als letztes kommt am 19. Mai Geschichte. Für Mathe und Englisch muss ich noch lernen, ansonsten bin ich gewappnet.

Was hast du gedacht, als Mitte März die Schulen in Berlin wegen der Corona-Pandemie geschlossen wurden und schnell klar war, dass sie auch nicht so schnell wieder aufmachen würden?

Ich hatte, ganz ehrlich, am Anfang schon ein bisschen die Hoffnung, dass ich die Abiturprüfungen vielleicht nicht schreiben muss. Aber es geht nicht nur um die Prüfungen, sondern auch um den Sommer danach. Wir waren jetzt alle zwölf Jahre lang in der Schule, haben die Hacken zusammen gehauen und das System ertragen und uns gefügt. Da war die Hoffnung, nach den Prüfungen frei zu sein, Interrail zu machen, vielleicht ein paar Monate Work and Travel, die Welt erkunden. Für die Abi-Feier wollte ein Teil von uns zum Fusion-Festival, ein Teil wollte in einen Party-Ort. Es ging eigentlich nur noch ums Wohin, und darum, wie viel darf es kosten. Das hat sich jetzt erledigt.

Fühlt man sich da ein bisschen betrogen?

Betrogen vielleicht nicht, kann ja keiner etwas dafür. Aber es ist enorm enttäuschend. Vieles hat man ertragen und durchgezogen, um dann erstmal frei zu sein. Das geht jetzt nicht. Aber ich bin da auch zwiegespalten: Einerseits sehnt man sich natürlich nach einem normalen Alltag zurück und andererseits ist einem völlig klar, dass man mit den Lockerungen vorsichtig sein muss, um Risikogruppen zu schützen und so weiter.

Nochmal zurück zu den Prüfungen: Wie hast du dich konkret vorbereitet?

Ich hatte die Aufzeichnungen aus meinen letzten vier Semestern. Eigentlich hätte ich die Bibliotheken gebraucht. Aber die waren ja auch geschlossen. Also blieb noch das Internet. Da ist natürlich die Frage, ob die Quellen, die man da findet, immer so verlässlich sind.

Im Interview: Felix Gruner

macht in diesem Jahr sein Abitur am Heinz-Berggruen-Gymnasium in Westend in Charlottenburg-Wilmersdorf. Ende Mai werden wir nochmal fragen, wie er das Abitur unter Corona-Einschränkungen gemeistert hat.

Wo waren die Lehrer bei der Vorbereitung?

Klar haben die Lehrer ihre Hilfe angeboten. Und ein-, zweimal gab es auch eine Video-Konferenz. Aber das ist natürlich kein Vergleich zu dem, was man sonst gehabt hätte. Und wenn man alleine zu Hause am Computer sitzt, ist natürlich auch die Verlockung durch Netflix und so groß.

Seid ihr benachteiligt im Gegensatz zu den anderen Abi-Jahrgängen?

Ich habe den Vergleich nicht. Ich weiß nicht, ob ich nicht auch sonst Netflix geguckt hätte, statt zur Lerngruppe zu gehen.

Alle gegen MSA-Prüfungen

Die Bezirkselternausschüsse haben in einem gemeinsamen Papier mit dem Landeselternausschuss die Aussetzung der Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss sowie für die erweiterte Berufsbildungsreife nach der 10. Klasse gefordert. In dem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben heißt es an die Adresse von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), die Organisation der Prüfungen binde anderswo viel dringender benötigte Personalressourcen – etwa für die stufenweise Öffnung der Schulen und die Abi-Prüfungen – und sei zudem ein unnötiges Ansteckungsrisiko.

Nur Berlin führt MSA-Prüfungen nach der 10. Klasse durch. In den anderen Bundesländern wird die Mittlere Reife ohne gesonderte Abschlussprüfungen verliehen. Deshalb würde ein Berliner MSA auch ohne Prüfungen anerkannt. Auch der Landesschülerausschuss spricht sich für eine Absage der Prüfungen aus, die am Dienstag begonnen haben. (taz)

Wie sehen das die Leute in deinem Freundeskreis?

Wir hatten nicht so das Problem, dass wir uns technisch nicht vorbereiten konnten: Internetzugang und Computer haben wir alle. Aber viele Diskussionen haben sich schon sehr um Corona gedreht, die meisten haben viel in den Medien darüber gelesen und die Situation hat viele ganz schön beeindruckt und war auch bestimmt nicht gut für die Konzentration. Und wenn man dann guckt, dass viele andere noch nicht mal die technischen Möglichkeiten für eine gute Vorbereitung haben: Ich glaube, man hätte die Prüfungen absagen müssen, das wäre fair gewesen.

Nun finden sie statt. Was erhoffst du dir?

Ich stehe jetzt bei einem Schnitt von 1,88. Das Beste, was klappen könnte, wäre 1,4. Aber da müsste ich in jeder Klausur die Maximalpunktzahl von 15 schaffen. Ich will Psychologie studieren. Da ist der NC 1,0. Ich glaube, da werden noch viele Klagen auf den Senat zukommen, weil viele die Abi-Ergebnisse anfechten werden. Aber ich werde das nicht machen, lohnt nicht, 1,0 schaffe ich sowieso nicht mehr.

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4 Kommentare

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  • Aber es geht (...) um den Sommer danach?



    Na ja, leiden auf hohem Niveau. Warum kann man/Frau nicht den Winter danach, bzw. ein Semester aussetzen & dann auf Tour usw. gehen?



    Das Leben hat so viele "Unwägbarkeiten", das werden unsere Abbi-Prüflinge auch noch mitkriegen.



    Kopfschüttelnd Sikasuu



    .



    Btw. Vom Gymnasium auf die UNI, BA/MA usw.... also noch reichlich Zeit für "mal sehen was hinter dem Zaun ist". Was sollen denn die Leute machen, die nach der Schule "Arbeiten" müssen & dann bis ans Lebensende für sich selbst sorgen?

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Respekt! Ich drücke fest die Daumen!

    Eben jene, welche jahrelang planmäßig und konsequent bei der Versorgung der Schulen mit brauchbaren Mitteln jämmerlich dabei versagt haben, die Lehrer und alle Schüler in die Lage zu versetzen, einen Unterrichtsausfall kompensieren zu können, sind auch jene, welche nolens volens und keineswegs notgedrungen die Abiturprüfung durchpeitschen. Nun wäre dagegen nichts einzuwenden, würde nicht die Abiturprüfung ein Drittel der Gesamtnote ausmachen und würde der Numerus clausus nicht auf die Gesamtnote angewendet. Wobei anzumerken ist, dass der Numerus clausus nicht erfunden wurde, um die Spreu vom Weizen zu trennen. da dies vom Bundesverfassungsgericht untersagt wurde, sondern um "Kapazitätsengpässe" zu managen, welche - wer hätte das gedacht - eben dieselben zu verantworten haben, welche diesen Ein-Drittel-zwei-Drittel-Zahlen-Hokuspokus erfanden. Was spräche dagegen, beim Numerus clausus auf das bessere Ergebnis zurückzugreifen, also entweder Gesamtnote oder Durchschnittsnote aus den Zensuren der letzten beiden Schuljahre? - Nichts.

    • @80336 (Profil gelöscht):

      Wenn man auf die bessere der beiden Noten zurückgreift, was ist dann gewonnen? Nichts.



      Denn das gilt dann wieder für alle und der Vergleich findet eh fast ausschliesslich innerhalb dieser Jahrgangsgruppe statt.

      Abgesehen davon, solange der Hauptverlust die kurzzeitige Freiheit nach dem "Ertragen des Systems" ist, sind die Auswirkungen überschaubar. Denn danach kommt das Ertragen des Universitätssystems, danach das Ertragen des Erwerbslebens, danach das Ertragen des Rentnerdaseins, so es denn so weitergeht.

      Und er scheint nicht die FFF Jugend zu repräsentieren, da doch "Erkundung der Welt" ein Jahrgangstraum ist. Ohne Flug wird das nicht gehen.

      • 8G
        80336 (Profil gelöscht)
        @fly:

        Zu "Wenn man auf die bessere der beiden Noten zurückgreift, was ist dann gewonnen? Nichts." :

        Soso. Siehe "Antrag auf Nachteilsausgleich – Verbesserung der Durchschnittsnote", bei dem nachweisen ist, dass die Durchschnittsnote in der Schule über lange Zeit viel besser war, bevor sie sich vor dem Abitur signifikant verschlechterte.

        "Man kann beim Studium der Wahrheit drei Hauptziele haben: einmal, sie zu entdecken, wenn man sie sucht; dann: sie zu beweisen, wenn man sie besitzt; und zum letzten: sie vom Falschen zu unterscheiden, wenn man sie prüft." (Blaise Pascal)