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Berlin im Zeichen von CoronaDemonstrieren bis Ostern verboten

Bis 19. April sind alle Demonstrationen mit mehr als 1.000 Teilnehmern untersagt. Abgeblasen wurden auch das MyFest und der Karneval der Kulturen.

Das wird diesmal traurig am 1. Mai ohne Myfest Foto: Nikita Teryoshin

Berlin taz | Die Angst vor dem Coronavirus droht nicht nur die Hochkultur zum Erliegen zu bringen, sondern auch die Protestkultur. Nach Paragraf 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) kann die Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn das die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten einschränkt.

Auf dieser Grundlage hat Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) die Berliner Bezirke am Mittwoch aufgefordert, alle Veranstaltungen und Versammlungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern zu untersagen. Der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) war der Erste, der am selben Tag eine entsprechende Allgemeinverfügung für Neukölln erließ. Versammlungen im Sinne von Artikel 8 des Grundgesetzes mit mehr als 1.000 erwarteten Teilnehmern dürften vom 12. März bis 19. April 2020 nicht mehr stattfinden, heißt es in der Neuköllner Verfügung.

Friedrichshain-Kreuzberg arbeitet nach Informationen der taz an einem ähnlichem Schriftsatz. Es ist davon auszugehen, dass alle anderen Bezirke in kürzester Zeit folgen. Tun sie das nicht, wird Kalayci vermutlich von ihrem Eingriffsrecht Gebrauch machen.

In der Konsequenz bedeutet das, dass Demonstrationen mit mehr als 1.000 Teilnehmern in naher Zukunft nicht so wie ursprünglich geplant abgehalten werden können. Wie die Versammlungsbehörde bestätigte, wäre das zum Beispiel bei der für den 28. März in Schöneberg, Mitte und Kreuzberg mit rund 10.000 Teilnehmern angemeldeten Großdemonstration gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn der Fall.

Aus Großdemo mach viele Kleindemos?

Ob kreative Alternativen möglich sind, wie die, die Großdemonstration in zehn kleinere Protestzüge aufzusplitten? Fragen wie diese werden in der nächsten Zeit bei Polizei und Anmeldern für Diskussionsstoff sorgen. Der Leiter der Polizeipressestelle, Thilo Cablitz, sagte dazu am Donnerstag nur so viel: Alle im fraglichen Zeitraum angemeldeten Demonstrationen seien von der Teilnehmerbeschränkung betroffen.

Die für den 11. April in Neukölln angemeldete Demo gegen die Räumung der Szenekneipe Syndikat immerhin wäre einstweilen noch auf der sicheren Seite. Angemeldet sind laut Polizei 300 Teilnehmer. Was aber, wenn über 1.000 Leute kommen?

Auch das Kreuzberger MyFest und der Karneval der Kulturen sind abgesagt worden. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg habe diese Entscheidung einvernehmlich getroffen, bestätigte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) am Donnerstag gegenüber der taz. Das seit 2003 existierende MyFest wurde in den vergangenen Jahren von bis zu 40.000 Gästen besucht. Der zu Pfingsten stattfindende Karneval der Kulturen sei von 100.000 Zuschauern gesäumt. Solche Veranstaltungen bedürfen einer langen Vorplanung.

Auch wegen möglicher Regressforderungen habe man das Fest frühzeitig absagen müssen, sagte Halis Sönmez vom MyFest-Team. Die Anwohner, die bei dem Fest Essen und Getränke verkaufen, hätten enttäuscht reagiert. Manche hätten die kommenden Einnahmen schon für den Kauf eines Fernsehers oder einen Türkei-Urlaub verplant. „Aber alle haben verstanden, dass es um unsere Gesundheit geht“, so Sönmez.

Dürfen die Clubs offen bleiben, zumindest ein bisschen?

Unklar war Donnerstagnachmittag, was mit den Clubs passiert. „Wir wissen es nicht“, sagte die Sprecherin der Clubcommission, Pamela Schobeß. Bei den Clubbetreibern gebe es ein großes Verständnis dafür, die Clubs eine Weile lang zu schließen. „Aber wir brauchen eine finanzielle Absicherung, sonst sind viele Clubs innerhalb von vier Wochen insolvent.“

Die Amtsärzte der Bezirke hatten von Gesundheitssenatorin Kalayci eine Schließung der Clubs gefordert. „Wir sind davon ausgegangen, dass sie es in Eigenverantwortung umsetzen,“ sagte Kalaycis Sprecherin dazu am Donnerstag zu taz.

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3 Kommentare

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  • R E I M E ()

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  • Den Clubbetreibern geht es wie allen anderen Veranstaltern auch: 'in Eigenverantwortung' schliessen geht nicht. Falls man irgendeine Ausfallversicherung erhofft oder eventuell öffentliche Gelder, braucht man schon irgendeinen amtlichen Zettel, den man vorlegen kann. Hat das die oberste Gesundheitsbürokratin Berlins nicht verstanden oder will sie lieber nicht über die Welle von Pleiten reden, die in zwei Monaten anfängt, wenn da niemand unter die Arme greift? Messebetreiber, Gastronomen oder auch Clubs haben meist keine Absicherung gegen so einen Fall. Wer rechnet denn auch mit sowas, mal ernsthaft? SPDler denken immer, jeder hat zu Hause noch einen Bausparvertrag auf Halde liegen, den man dann 'in Eigenverantwortung' auflöst, um seinen Laden zu retten. Das finde ich schon ziemlich bescheiden. Wenn Berlin in einem halben Jahr noch ein kulturelles Leben haben möchte, sollte sich die Stadt schon gut überlegen, was sie da macht und ob sie nicht wenigstens ein bisschen hilft. Altmaiers großspurige Milliarde wird bei Weitem nicht reichen.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Konrad Ohneland:

      Die Clubbetreiber müssen eben dann wie alle Arbeitnehmer aufs Amt.