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Berlin beschließt MietendeckelFünf Jahre Schonfrist für Mieter

Die rot-rot-grüne Koalition hat ein weitreichendes Gesetz beschlossen: Mieten werden eingefroren, „Wuchermieten“ müssen gesenkt werden.

Der Mietendeckel: Berlin als Voreiter auf einem angespannten Wohnungsmarkt Foto: imago

Berlin taz | Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hat den sogenannten Mietendeckel beschlossen. Am Donnerstag votierte eine Mehrheit von 85 Parlamentariern bei 150 abgegebenen Stimmen im Abgeordnetenhaus für das Gesetz. Es sieht vor, dass Mieten rückwirkend zum Stand vom Juni 2019 für fünf Jahre eingefroren werden. Zudem müssen Vermieter hohe Mieten – die Kriterien legt das Gesetz fest – von sich aus senken. Die Opposition hatte bereits vorher angekündigt, dagegen juristisch vorzugehen.

Tatsächlich betritt die linke Koalition in Berlin damit neues Terrain. Bisher gibt es in Deutschland kein Vorbild für eine solche Mietbegrenzung. Umstritten war (und ist), ob das Land überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz in dem Bereich hat, und darüber hinaus, ob sie Mieten begrenzen oder sogar senken darf. Zahlreiche juristische Gutachten mit unterschiedlichsten Ergebnissen wurden dazu in den letzten Monaten erstellt, in der Regel im Auftrag der Parteien.

In der Parlamentsdebatte am Donnerstag betonten Vertreter der rot-rot-grünen Koalition, die Berlin seit Dezember 2016 regiert, die Notwendigkeit, auf dem Wohnungsmarkt regulierend einzugreifen, damit die grassierende Verdrängung von Mieterinnen und Mietern gestoppt werde. „Unser Handeln kommt drei Millionen Mietern zugute“, sagte die SPD-Abgeordnete Iris Spranger in der Aktuellen Stunde. Der Mietendeckel bremse die galoppierenden Mietpreise. „Diese Pause ist bitter nötig.“

Sie warf der Opposition vor, den Mietern in Berlin durch die Ablehnung des Mietendeckel-Gesetzes zu schaden. „Herr Dregger, schämen Sie sich, dass Sie sich gegen die Mieterinnen und Mieter dieser Stadt stellen“, so Sprenger, wohnungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, in Richtung von CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. Der Mietendeckel sei eine direkte Reaktion auf das Nichthandeln der CDU/CSU im Bund, die nicht verhinderten, dass die Mieten weiter stiegen, erklärte die SPD-Politikerin.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller bei der Abstimmung zum Mietendeckel Foto: dpa

Berlin hatte in der Vergangenheit unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Landes versucht, die Mietentwicklung zu begrenzen, etwa durch die Ausweisung von sogenannten Milieuschutzgebieten, in denen ein besonderer Schutz von Mietern gilt, etwa durch die Einschränkung von teuren Sanierungen. Geholfen hat das, wie auch die vom Bund beschlossene Mietpreisbremse, nur wenig: In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Angebotsmieten in Berlin etwa verdoppelt.

Die CDU, zuletzt selbst von der Verdrängung durch stark steigende Mieten betroffen, kritisierte im Abgeordnetenhaus den geplanten Mietendeckel scharf. Dieser deckele nicht die Mieten, sondern den Wohnungsbau, sagte der Fraktionsvorsitzende Dregger. Der Linksfraktion warf er vor, „jeglichen Realitätsbezug“ verloren zu haben.

CDU kündigt eine Normenkontrollklage an

Nicht die Einkommensschwachen profitierten von der Mietobergrenze, sondern die Einkommensstarken. „Um also zu verhindern, dass Reiche für Luxuswohnungen eine angemessene Miete zahlen, nehmen Sie den Genossenschaften und anderen die Möglichkeit, neue bezahlbare Wohnungen, auch Sozialwohnungen zu bauen.“ Dregger kündigte an, dass seine Fraktion mit einer Normenkontrollklage direkt vor das Verfassungsgericht ziehen werde, damit sich Mieter und Vermieter nicht durch alle Instanzen klagen müssten.

Die Grünen wiesen Dreggers Argumente zurück: Dieser solle „endlich mit dem Märchen“ aufhören, dass der Mietendeckel den Neubau einschränke. Dieser sei ausdrücklich ausgenommen. „Wir senden ein starkes Signal an die Immobilienwirtschaft. Jetzt ist endlich Schluss mit der Spekulation“, sagte die Grünen-Politikerin Katrin Schmidberger.

Auch aus Sicht der Linken-Fraktion ist der Deckel unverzichtbar. Der Mietenmarkt in Berlin sei aus den Fugen geraten, sagte der Linken-Abgeordnete Harald Wolf. „Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Wenn der Markt es nicht befriedigt, dann muss die Politik eingreifen.“

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5 Kommentare

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  • Jede politische Ecke argumentiert in eigener Wohlgefälligkeit mit Blick auf kurzfristigen Wählergefallen.



    Sorgen bzgl. der längerfristigen Auswirkungen werden ausgeklammert.



    Wenn Wohnungen nicht gebaut werden und bestehender Wohnraum durch Privatisierung dem Mietmarkt entzogen wird, verschärft sich das Berliner Problem. Billigwohnungen mit Investitionsstau sind für die wenigsten attraktiv.

  • "Um also zu verhindern, dass Reiche für Luxuswohnungen eine angemessene Miete zahlen..."

    Es sind also ausschließlich Reiche, die für Luxuswohnungen überteuerte Mieten zahlen?



    Degenerierter Lügenverein CDU / FDP.



    Wie viele CDU / FDP Senats- und Bundestagsabgeordnete haben eigentlich Einnahmen durch Vermietung? Leider müssen Abgeordnete dies nicht angeben...

  • Die Agitatoren der Parteien vertreten ihre Standpunkte natürlich vehement und ergötzen sich daran, unsachlich zu werden. Pars pro toto (weil dies im Artikel zitiert wird): "Schämen sie sich", "Märchen", "Spekulation".

    Die grundsätzliche Frage ist, ob aufgrund oder trotz dieses Gesetzes denn jetzt Mietwohnungen gebaut werden.

    Wenn ich die Möglichkeit hierzu hätte (selbst bei einem Baubescheid), würde ich dies nicht mehr tun, da ich dem Landesgesetzgeber und seinem Bestandsschutz für Neubauten nicht mehr vertraue. So werden wohl die meisten Menschen denken. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass in absehbarer Zeit, ausreichend Wohnungen entstehen werden.

    Die landeseigenen Wohnungsbaugenossenschaften haben sich ja bereits zurückgezogen und reduzieren ihre Neubauaktivitäten.

    Wir dürfen gespannt sein, was das Bundesverfassungsgericht sagt.



    Wir dürfen gepsannt sein, wie die Berliner Verwaltung, für Wohnraum sorgen wird (bei sinkenden Einnahmen des Landes).

    • @eicke81:

      Was auch immer sich bezüglich des Neubaus herausstellen wird - noch wichtiger ist es, dass die Menschen, die jetzt dort wohnen, ihre Mieten bezahlen können.

      • @Dörte Dietz:

        Das sehe ich anders. Dies aus 2 Gründen:



        - Die Menschen, die eine Wohnung mieten (also Mieter sind), werden ihre Miete wohl zahlen können. Ansonsten hätten sie die Wohnung wohl nicht gemietet.



        - Ohne eine ausreichende Zahl an Wohnungen, entsteht ein Mangel. Ob es jetzt ein Gesetz gegen Mieten über XX Euro gibt oder nicht, ändert nichts daran, dass es den Mangel weiterhin gibt. Bisher (und das zeigt auch West-Berlin) ganz deutlich, wird dieser Mangel zu höheren Preisen führen. Ob diese jetzt offiziell unter unter der Hand laufen, spielt da keine Rolle.

        Für mich ist und war es übrigens immer unverständlich, warum sich die Menschen nicht an die Verwaltung in Berlin wenden, wenn sie keine Wohnung haben. In der Berliner Verfassung gibt es ein Grundrecht auf angemessenen Wohnraum (Art. 28). Diesen muss und musste der Senat zur Verfügung stellen.