Berlin-Blockaden der Letzten Generation: Sie sind ganz lieb
Die Aufregung um die Letzte Generation legt sich. Zeit anzuerkennen, wie nett die Gruppe eigentlich ist – selbst nach einem Treffen mit Volker Wissing.
D ie zweite Woche der Stadtstillstand-Aktionen der Letzten Generation ist zu Ende – und die Aufmerksamkeit und Aufregung haben deutlich nachgelassen. Dabei war die Gruppe erneut täglich auf den Straßen, teils mit zwei Dutzend parallelen Blockaden. Auch der Straßenverkehr auf Teilen der Stadtautobahn A100 wurde wieder zum Stillstand gebracht.
Die Meldungen über die durch die Aktionen ausgelösten Staus sind inzwischen vom Top-Thema zum wenig kommentierten Teil der Verkehrsnachrichten herabgestuft worden. Es ist ganz so, als hätte Berlin sich einfach darauf eingestellt, dass zu den Staus aus der Übermenge von Autos oder als Folge von Baustellen und Unfällen eben noch jene durch die Klebeaktionen dazukommen. Eine Rolle spielt zudem die Logik medialer Aufmerksamkeit. Die tägliche Wiederkehr derselben Aktionen, oft an denselben Orten, ist eben kaum mehr eine Nachricht wert.
Für diejenigen, die über Recht und Ordnung walten und jenen, die den Status Quo verteidigen, ist das eine gute Nachricht. So versuchte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik diese Woche die Motivation der Aktivist:innen noch zusätzlich zu mindern, indem sie sagte, deren Blockaden verlören zunehmend an Wirkung, vor allem durch die bessere Vorbereitung der Beamten, die Blockaden immer schneller beenden würden.
Obwohl die Letzte Generation nach Aufmerksamkeit schreit, könnte die Entwicklung für sie zumindest einen positiven Effekt haben. Mit nachlassender Skandalisierung ihrer Aktionen könnte die Gefahr durch wütende Autofahrer:innen sinken. Denn die Befürchtung war groß, dass jemand so sehr die Nerven verliert, dass Aktivist:innen schwer verletzt würden. Das ist bislang zum Glück nicht passiert.
Wünschenswert wäre, wenn die nachlassende Empörung zu einer Entdämoniserung der Klimakleber:innen führen würde – und sich mehr und mehr ein realistisches Bild durchsetzt: Ja, sie mögen nerven, aber: Sie sind total harmlos.
Nett geplaudert
Wie nett die Aktivist:innen sind, wie wenig konfrontativ, zeigte sich am Dienstag nach dem Gespräch mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Das Gespräch sei „menschlich respektvoll und äußert ergiebig“ gewesen, und man habe sich über „die Notwendigkeit sehr raschen Handelns angesichts der drohenden Gefahr durch Kipppunkte im Klimasystem“ verständigt, jubelte die Gruppe im Anschluss. Statt Kritik folgte lediglich der Wunsch, Wissing möge „Vorurteile und Sorgen“ vor der notwendigen Verkehrswende abbauen.
Wären die Aktivist:innen nur halb so radikal, wie es die Konsequenz ihrer Aktionsformen vermuten ließe und wie sie von der Öffentlichkeit gezeichnet werden, hätten sie Wissing als den Klimasünder bloßgestellt, der er ist und sich in seinem Büro angeklebt. Ihrer Beliebtheit hätte es nicht geschadet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen