Bericht von Sozialverband: Armut erreicht neuen Höchststand
Die Coronafolgen sowie steigende Lebensmittel- und Energiepreise treiben Millionen Menschen in die Armut. Der Paritätische fordert gezielte Hilfen.
So nahm die Einkommensarmut dem Bericht zufolge ungewöhnlich stark unter Erwerbstätigen zu. Bei Selbstständigen, die in der Pandemie besonders hohe Einbußen hatten, stieg die Armutsquote von 9 auf 13,1 Prozent. Höchststände wurden auch bei Rentnerinnen und Rentnern mit einer Armutsquote von knapp 18 Prozent und bei Kindern und Jugendlichen mit rund 21 Prozent registriert. Damit sei die Kinderarmut so hoch wie noch nie, sagte Schneider.
Im Jahr 2020 lag die Armutsquote noch bei 16,1 Prozent. Sie war trotz der Pandemie nur leicht gestiegen, was auf die Wirksamkeit der damaligen Corona-Hilfen zurückgeführt wurde. Jetzt hingegen schlügen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie und die stark steigenden Lebenshaltungskosten voll durch und träfen die Schwächsten, erklärte Schneider. Er forderte gezielte Hilfen für diese Menschen und kritisierte die Entlastungspakete der Ampel-Regierung als ungerecht.
Er habe kein Verständnis dafür, dass Unterstützung dort geleistet werde, wo sie überhaupt nicht gebraucht werde, sagte Schneider und nannte als Beispiele den Tankrabatt und die Abschaffung der EEG-Umlage, die vor allem jenen zugutekämen, die einen hohen Stromverbrauch im Eigenheim und einen SUV vor der Tür hätten, sagte Schneider. Für diese Haushalte seien die hohen Preise höchstens ärgerlich, stürzten sie aber nicht in Not.
Scharfe Kritik an Hartz-IV-Satz und Entlastungspaket
Demgegenüber werde die völlig unzureichende Einmalzahlung von 200 Euro an Grundsicherungsbezieher von der Inflation aufgefressen sein, noch bevor sie ausgezahlt werde, kritisierte Schneider. Er forderte eine Erhöhung des Regelsatzes um 200 Euro monatlich. Bei einer Inflationsrate von knapp acht Prozent entspreche der Hartz IV-Satz von 449 Euro derzeit noch einer Kaufkraft von 414 Euro im Vergleich zum Vorjahr. 1,6 Millionen Menschen müssten sich inzwischen an den Tafeln mit Lebensmitteln versorgen.
Außerdem forderte Schneider die Koalition auf, das Wohngeld und das Bafög zu erhöhen, um zielgenau zu helfen. Wenn die Regierung nicht handele, drohe Deutschland „am unteren Einkommensende schlicht zu zerbrechen“, warnte er. Tief gespalten zeigt sich dem Armutsbericht mit dem Titel „Zwischen Pandemie und Inflation“ zufolge Deutschland auch regional. Besonders niedrige Armutsquoten haben, mit Bayern auf Platz 1 (12,6 Prozent), Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und neuerdings auch Brandenburg.
Am unteren Ende bewegen sich Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Berlin, sowie abgeschlagen auf dem letzten Platz Bremen mit einer Armutsquote von 28 Prozent. Die Region, in der sich die größte Zahl armutsbetroffener Menschen ballt, bleibt das Ruhrgebiet. Im Länderranking läge es mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent auf dem zweitletzten Platz vor Bremen. Die Berechnungen des Verbandes beruhen auf Daten des Statistischen Bundesamts.
Die Armutsquote gibt Auskunft darüber, wie viele Personen mit ihrem gesamten Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland zur Verfügung haben. In der Regel verfügen sie über keine Rücklagen, kommen durch unvorhergesehene Ausgaben in Not und können sich Extras wie Kino, Urlaub oder Hobbys nicht leisten, wodurch sie und ihre Kinder vom normalen Leben abgehängt werden. Dieser relative Armutsbegriff wird EU-weit für statistische Berechnungen der Verbreitung von Armut in den Mitgliedsländern angewendet.
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