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Bericht der EU-KomissionWenig Weitsicht in der deutschen Bildungspolitik

Deutschland investiert im Vergleich zu anderen EU-Ländern wenig in Bildung. Dabei würden höhere Ausgaben langfristig Wirkung zeigen.

Unterrichtsstunde an einer Gesamtschule in Göttingen: Investitionen in Bildung zeigen sich erst auf lange Sicht Foto: Michael Gottschalk/photothek/imago

Angesprochen auf einen Bericht der EU-Kommission zu Bildungsinvestitionen, wirkte die Politikwissenschaftlerin und Bildungsforscherin Nina Kolleck erst mal geschockt. Sie findet es „krass“, dass Deutschland unterdurchschnittlich wenig in Bildung investiert. Der am Mittwoch veröffentlichte EU-Bericht zeigt genau das.

Demnach investierten die EU-Länder im Jahr 2023 im Schnitt 9,6 Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben in Bildung, Deutschland allerdings nur 9,2 Prozent. In Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt liegt der EU-weite Schnitt bei 4,7 Prozent, in Deutschland sind es 4,5. Unter den insgesamt 27 Staaten liegt die Bundesrepublik Deutschland damit auf Platz 23. Den größten Anteil ­ihrer öffentlichen Ausgaben investieren Estland und Schweden in Bildung, Schlusslicht sind Griechenland und Italien.

Nur kurzfristige Lösungen

Dass Deutschland unterdurchschnittlich abschneidet, sei fatal, meint Nina Kolleck. Denn eigentlich bräuchte es eine Bildungsoffensive. Einen Grund für ihr Ausbleiben sieht Kolleck in fehlender politischer Weitsichtigkeit: „Aufgrund der aktuellen Krisen möchten Politikerinnen und Politiker kurzfristige Lösungen präsentieren. Investitionen in Bildung zeigen sich aber erst auf lange Sicht.“ Dieses Phänomen werde auch beim Klimawandel sichtbar, der aktuell, genau wie Bildungspolitik, nur wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Auch die föderale Struktur der deutschen Bildungslandschaft ist Kolleck zufolge ein Problem: „Hätte der Bund mehr Kompetenzen, könnte er mit einem ganzheitlichen Plan eingreifen und so auch Bildungsungleichheit entgegenwirken.“ Die ergebe sich schließlich auch daraus, dass sich die Bundesländer in ihren finanziellen Möglichkeiten und sozioökonomischen Bedingungen sehr unterscheiden.

Größter Posten: Personalkosten

Der Bericht der EU-Kommission beleuchtet auch die Verteilung der Bildungsausgaben in den Mitgliedsländern auf die verschiedenen Bereiche des Bildungssystems. Rund 70 Prozent der Gelder investieren die Länder demnach im Schnitt in Schulen. Dort, aber gerade auch in der frühkindlichen Bildung, der Hochschulbildung und außerschulischen Bildungsangeboten, müsse Deutschland nachbessern, fordert Kolleck: „Das gilt nicht nur vor dem Hintergrund fehlender Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen, sondern gerade auch angesichts der Zunahme menschenfeindlicher Ansichten, Verschwörungsideologien und Desinformation“, so Kolleck. Für eine starke Demokratie sei Bildung fundamental.

Anteilig stellen Personalkosten den Großteil der Bildungsausgaben der EU-Länder dar. Auch in Deutschland bildet der Personalposten etwas mehr als die Hälfte. Mit 43 Prozent ist der Anteil in Schweden am geringsten, während dort die Gesamtinvestitionen in Bildung mit einem Anteil von 14,5 Prozent aller öffentlichen Ausgaben am höchsten sind.

Der Bericht der EU-Kommission betont zudem den wirtschaftlichen Nutzen von Investitionen in Bildung. Diese seien ein „Motor für Wettbewerbsfähigkeit“, steigerten die Produktivität und förderten Innovationen. Auch angesichts dessen, so Nina Kolleck, seien langfristiges Denken und größere Investitionen in Bildung endlich geboten.

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4 Kommentare

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  • Junge Menschen und Kinder haben in Deutschland keine Lobby, nicht mal die Eltern. Wenn neue Lasten zu tragen sind, dann werden erst mal die Jungen herangezogen, wenn "gespart" werden muß, wird erst mal bei den Jungen "gespart".

  • Anstatt jetzt reflexhaft über eine Erhöhung der Bildungsausgaben zu sinnieren, sollte über eine Absenkung andere Ausgaben nachgedacht werden. Die Quote im Bildungsbereich würde hierdurch automatisch steigen.

    Ferner, bevor weiter Geld im Bildungsbereich versickert sollte zunächst einmal die Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich auf den Bund über gehen und ein bundesweites Rahmenprogramm aufgestellt werden.

  • „Das gilt nicht nur vor dem Hintergrund fehlender Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen, sondern gerade auch angesichts der Zunahme menschenfeindlicher Ansichten, Verschwörungsideologien und Desinformation“, so Kolleck. Für eine starke Demokratie sei Bildung fundamental.

    Diese Art von Bildung ist hierzulande allerdings bestenfalls nachrangig. Das kann man in kürze wieder beobachten, wenn der unsägliche Bildungsmonitor des IW/INSM wieder durch die kritiklos durch die Presse getrieben wird.

  • Das die mit Abstand grösste Volkswirtschaft (nach BIP) der EU prozentual weniger für Bildung ausgeben muss als ärmere Länder leuchtet unmittelbar ein. Sinnvoller, wenn auch nicht viel aussagekräftiger, wäre die Ausgaben pro Schüler zu vergleichen.