Bericht der Agrarkommission: Bauernverbände für mehr Öko
Bauern, Umweltlobbyisten und Verbraucherschützer haben gemeinsam Ideen für die Landwirtschaft entwickelt – und sich auf fünf wichtige Punkte geeinigt.
Seit einem Jahr berät die Zukunftskommission Landwirtschaft im Auftrag der Bundesregierung, wie es künftig auf Äckern, in Ställen und im Supermarkt aussehen soll. Am Dienstag hat das Expertengremium seinen gut 170-seitigen Abschlussbericht an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben. Es sei „ein bedeutsamer Tag“ in der Geschichte der Landwirtschaft, meinte sie. Der Bericht markiert eine Wende.
Noch vor Kurzem standen sich Vertreter der konventionellen Bauern und der Umwelt- und Tierschützer unversöhnlich gegenüber. Was tun gegen den Klimawandel, den Schwund von Insekten und zu viel Gülle? Der Druck, etwas zu ändern, ist gestiegen – etwa durch den Handel.
Erst vor wenigen Tagen hat zum Beispiel der Discounter Aldi angekündigt, bis 2030 nur noch Frischfleisch aus Ställen mit höheren Tierwohlstandards zu verkaufen. Dazu kommt der historische Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes Ende April, nach dem die Regierung ihre Klimaziele verschärfen musste, auch für die Landwirtschaft.
„Wir sind nicht aufeinander losgegangen“
Peter Strohschneider, Kommissionsvorsitzender und Ex-Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sagt: „Wir haben die Fragen versachlicht.“ Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, meint: „Wir sind aufeinander zu und nicht aufeinander losgegangen.“ Die entscheidenden 5 Punkte des Abschlussberichts:
Erstens: Die deutsche Landwirtschaft verursacht Kosten, weil sie das Klima anheizt, die Böden und das Grundwasser belastet und am Ende der menschlichen Gesundheit zu schaffen macht. Diese Kosten summieren sich laut Bericht auf 90 Milliarden Euro pro Jahr. Bisher trage diese die Allgemeinheit.
So koste ein Kilo Rindfleisch in Wahrheit fünf- bis sechsmal so viel wie derzeit auf dem Preisschild steht. Eier oder Käse seien zwei- bis viermal so teuer. Bauernvertreter erkennen damit erstmals an, was bisher vor allem Umweltschützer beklagten: Die derzeitigen Produktionsweisen überlasten den Planeten, aber nur die Gesellschaft zahlt.
Doch zugleich – Punkt zwei – ist die wirtschaftliche Lage der Bauern unstrittig schwierig: Habe es in der alten Bundesrepublik vor 50 Jahren noch über 1,1 Millionen Agrarbetriebe gegeben, ist deren Zahl bis heute auf insgesamt 263.500 in allen 16 Bundesländern gefallen, schreiben die Experten. In Westdeutschland machten jedes Jahr zwei bis drei Prozent der Höfe dicht.
„Ökonomisch tragbare Lösungen“
„Natürlich braucht es da ökonomisch tragbare Lösungen“, sagt Olaf Bandt, der Chef des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er verstand: „Wer will, dass Bauern umweltverträglicher wirtschaften, muss sie dafür besser bezahlen.“ Kühe, die in einem Boxenlaufstall mit Kraftfutter versorgt würden, gäben zum Beispiel mehr Milch als jene, die tierfreundlich auf der Weide grasten. Die Umweltverbände gingen auf die Bauern zu, verzichteten auf Öko-Vorschriften und Ordnungsrecht, etwa zur Minderung von Nitrat im Grundwasser.
Dass Naturschutz zur Einkommensquelle werden soll, es Geld für mehr Klima- und Umweltschutz geben soll – das ist so was wie der Schlüssel für die Einigung der Kommission. Er zieht Punkt 3 nach sich:
Jedes Jahr müssten, so rechnen die Mitglieder vor, bis zu elf Milliarden Euro aufgebracht werden, damit Landwirte in tiergerechte Ställe und ökologische Landwirtschaft investieren, Blühwiesen anlegen und Moore renaturiert werden können. Langfristig sollen die EU-Agrarsubventionen nicht mehr nach der Größe der Höfe gezahlt werden, sondern nur noch nach Umweltpraktiken. Allerdings bleibt eine Finanzlücke.
Diese soll – Punkt vier – etwa über eine Tierwohlabgabe geschlossen werden. Die von CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner eingesetzte Nutztier-Kommission hat unlängst 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, zwei Cent pro Liter Milch, 15 Cent pro Kilo Käse und Butter vorgeschlagen. Die Zukunftskommission macht sich zudem für eine Abgabe auf Zucker, Salz oder Fett stark. Im Gegenzug soll die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse gesenkt werden. Hartz-IV-Empfänger sollen zudem höhere Zahlungen für Lebensmittel erhalten.
Am Ende, so kamen die Kommissionsmitglieder überein – das ist Punkt 5 – sieht die Landwirtschaft anders aus. „Aller Voraussicht nach“ gehe der Umbau mit einer „Reduktion der Gesamtnutztierbestände“ einher, heißt es in dem Bericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen