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Beleg für Angabe zu Erntehelfertod fehltFalsche Infos von Klöckner?

Die Ministerin behauptet, ein infizierter Erntehelfer aus Rumänien sei nicht an Covid-19, sondern an einem Infarkt gestorben. Das Gesundheitsamt widerspricht.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der CDU Foto: Thomas Frey/dpa

Berlin taz | Bundesagrarministerin Julia Klöckner behauptet ohne Angaben von Quellen, dass der in Baden-Württemberg gestorbene Erntehelfer nicht an Covid-19 gestorben sei. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die CDU-Politikerin über den verschiedenen Rumänen am Donnerstagabend: „Was wir erfahren haben, ist, dass er nicht an Corona gestorben ist, sondern nach einer Corona-Infektion. Er ist an einem Herzinfarkt verstorben.“ Lanz fragte Klöckner nicht, woher sie das weiß. Ihr Ministerium ließ mehrere Fragen der taz nach der Quelle und einem Beleg für die Behauptung unbeantwortet.

Das zuständige Gesundheitsamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald dagegen widersprach Klöckner und teilte der taz am Montag mit, „dass Covid-19 vermutlich dazu beigetragen haben könnte, dass der Mann verstorben ist“. Auch die Staatsanwaltschaft Freiburg, die sich mit dem Fall befasst, kennt die Ursache nicht. Da „keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden oder strafbare Handlungen bestehen, wurde eine Obduktion von der Staatsanwaltschaft nicht veranlasst“, schrieb Martina Wilke, Sprecherin der Behörde, der taz auf Anfrage.

Der Rumäne hatte in einem Betrieb in Bad Krozingen bei Freiburg bei der Spargelernte geholfen und starb am 11. April. Der Fall ist politisch brisant, weil die Arbeitsbedingungen von ausländischen ErntehelferInnen umstritten sind. Zudem hat das Bundesinnenministerium am 25. März den normalerweise jährlich 300.000 Saisonkräften, etwa aus Rumänien, die Einreise wegen der Coronapandemie verboten. Auf Drängen Klöckners stimmte das Innenministerium dann doch der Einreise von insgesamt 80.000 Saisonarbeitern im April und Mai unter speziellen Hygieneauflagen zu. Der nun verstorbene Rumäne war bereits vorher eingereist. Die Grünen forderten, zu klären, ob alles getan wurde, um diesen Todesfall zu verhindern.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Klöckner durch falsche Behauptungen auffällt. Im Februar dementierte die Ministerin, dass sie dafür gekämpft habe, Lebensmittelimporte mit besonders gefährlichen, in der EU verbotenen Pestiziden zu ermöglichen. Ihre angeblichen Belege wurden durch eine taz-Recherche widerlegt.

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19 Kommentare

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  • Ich hätte mir hier ein paar mehr journalistische Ergebnisse gewünscht.



    Aber schon in den Leserkommentaren zum verlinkten Artikel: taz.de/Coronainfiz...lfer-tot/!5676684/ befindet sich von JOHANN1984 (taz.de/!ku56719/) der interessante Satz: "Laut seiner Witwe litt der Mann an einer schweren Herzkrankheit und starb an einem Infarkt. Also wieder ein toter, der nicht an den Folgen des Virus verstorben ist, sondern mit dem Virus."



    Denn auch wenn ich Frau Klöckner nicht wirklich über den Weg traue, sind gerade im Fall mit dem verstorbenen Erntehelfer Fakten wichtig.



    Und generell fehlen ja bezüglich der ganzen Corona-Berichterstattung Fakten und: Ohne Daten nur raten.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @rolf -berlin:

      Kann der unter Pseudonym postende Leser seine Behauptung belegen? Kann die Witwe das belegen? Hat sie das überhaupt gesagt? Sie verbreiten hier nichts als Gerüchte.



      Belegt dagegen ist: Das Gesundheitsamt schließt NICHT aus, dass der Erntehelfer an Covid19 gestorben ist. Klöckner dagegen behauptet das Gegenteil, kann dafür aber keine Quellen nennen.

      • @Jost Maurin:

        Ich weiß nicht, ob der unter Pseudonym postende Leser einen Beleg hat. Aber mit "„dass Covid-19 vermutlich dazu beigetragen haben könnte, dass der Mann verstorben ist“ gibt es ja vom Gesundheitsamt auch keine Aussage sondern eine sehr vage Vermutung.

        Ich hatte mir daher eigentlich von Ihnen ein bisschen journalistische Tätigkeit im professionellen Sinne gewünscht. Daher hatte ich die Verlinkungen zum Leserbriefschreiber eingefügt und kann im Gegenzug eigentlich leider nur Ihnen den Vorwurf machen, Gerüchte und Vermutungen zu verbreiten. Und eigentlich sind Sie doch der Journalist, oder? Also nochmal: Wichtig sind Fakten!

  • „Die Ministerin behauptet, ein infizierter Erntehelfer aus Rumänien sei nicht an Covid-19, sondern an einem Infarkt gestorben.“

    Wenn man bedenkt, dass ein hoher Prozentsatz der vom RKI erfassten Todesfälle im Zusammenhang mit Corona, gar nicht am Corona-Virus, sondern an ihren Vorerkrankungen verstorben ist, wird man der Ministerin letztlich sogar recht geben müssen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Sofern es allein auf die Lesart ankäme: jo.

      Tut es aber nicht.

      Siehe: unten ... und anderswo.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Im Artikel oben wird das zuständige Gesundheitsamt zitiert mit: „dass Covid-19 vermutlich dazu beigetragen haben könnte, dass der Mann verstorben ist“. Das entspricht zu 100% der derzeit gängigen Lesart bei Todesfällen. Warum sollte Frau Klöckner (CDU) denn da jetzt einen Infarkt als Todesursache erfunden haben? Um Zweifel an der Corona-Politik der „Union“ zu streuen?

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Rainer B.:

          Ich mache mir keine größeren Gedanken über mögliche Motive von Ministern. Deshalb kann ich Ihre Frage auch nicht beantworten.

          Auch wenn an Ihrer Aussage etwas dran ist, löst sie die Unklarheiten der weiteren im Artikel erwähnten Aspekte nicht auf. Herr Lanz hat nicht nach den Quellen gefragt, das Ministerium ließ Fragen der taz unbeantwortet. Es soll offenbar nicht zuviel Licht ins Dunkel kommen. Das könnte nur unnötig beunruhigen.

          Das ist für mich aussagekräftig genug. Schweigen sagt oft mehr als dies tausend Worte könnten.

          Wir beide stehen unterschiedlich zu Frau Klöckner.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Nur soviel - ich steh überhaupt nicht zu Frau Klöckner und hab sie von Anfang an immer für eine krasse Fehlbesetzung als Ministerin gehalten. Daran hat sich bis heute nix geändert - im Gegenteil. Immerhin bemüht sie sich inzwischen hin und wieder auch mal ihre Arbeit zu machen. Viel mehr ist es doch nicht.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Frau Klöckner, die ein wesentlicher Bestandteil des Textes ist, verkörpert m. E. einen ebenso robusten wie wahrheitswidrigen Lobbyismus. Der Beispiele gab es in der Vergangenheit etliche.

    So wie es gegenwärtig Aktivposten in der Regierung gibt (doch, doch), weist die Gegenseite Passivposten auf.

    Ich freue mich, wenn die Aktivposten aus der Masse der Passivposten herausragen. Dies ist nur rudimentär eine Frage der Körperhöhe. 🙂

  • Viel wichtiger wäre doch gewesen zu recherchieren, ob das Papier im Hintergrund tatsächlich ausreicht für all das Unverdauliche was Frau Klöckner aus dem Landwirtschaftsministerium serviert, oder ob es sich hier nur um einen privaten Vorrat handelt.

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • "Lanz fragte Klöckner nicht, woher sie das weiß. Ihr Ministerium ließ mehrere Fragen der taz nach der Quelle und einem Beleg für die Behauptung unbeantwortet."

    Was ist aber der Beleg dafür, dass der Erntehelfer "an" und nicht "mit" Covid 19 gestorben ist.? Belegpflicht gilt ja insbesondere auch für Journalisten.

    "Beim Landratsamt des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald zeigte man sich überrascht: "Wir geben aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht, die auch für das Gesundheitsamt gilt, keine Details zur Todesursache heraus", so ein Sprecher. Man bleibe bei der Formulierung: "Es ist unklar, ob die Person an Covid-19 oder nur mit Covid-19-Symptomen gestorben ist." www.badische-zeitu...kt--184894051.html

    Könnten Sie, Herr Maurin, bitte ihrer Quelle nennen?

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Rudolf Fissner:

      Meine Quellen stehen im Text. Ich habe nie behauptet, dass der Erntehelfer an Covid19 gestorben sei. Aber ich habe diese Möglichkeit aber nicht ausgeschlossen - anders als Frau Klöckner offenbar ohne Faktengrundlage

      • @Jost Maurin:

        Ihre Überschrift legt das aber nahe. Von Vermutungen des Gesunheitsamtes steht da nichts.

        • Paula , Moderatorin
          @Rudolf Fissner:

          Für die Überschrift ist nicht der



          Autor verantwortlich sondern die Redaktion.

          • @Paula:

            Und woher hat die Redaktion die Fakten bzw. schreibt nicht, dass es Vermutungen sind?

          • @Paula:

            Ok. Nun passt es ja.

    • @Rudolf Fissner:

      Also nicht Vermutungen.

  • "Im Februar dementierte die Ministerin, dass sie dafür gekämpft habe, Lebensmittelimporte mit besonders gefährlichen, in der EU verbotenen Pestiziden zu ermöglichen"

    "Diese risikobasierte Bewertung hat bisher zu einer Ablehnung aller Anträge auf Importtoleranz für sogenannte Cut-off-Wirkstoffe geführt. Das zeigt, dass die Verfahren in Brüssel, die Recht und Gesetz entsprechen, auch wirksam den größtmöglichen Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sicherstellen."



    www.bmel.de/Shared...schutzmitteln.html

    Wenn keiner dieser Lebensmittel eine Zusagen durch das BMEL bekommen hat, wie kann man dann ein "Ermöglichen" behaupten? Wie sieht da die Faktenlage der taz aus? Für welche pestizidhaltigen Lebensmittel sollte eine Ausnahme von dem Cut-Off Verfahren ermöglicht werden oder dieses Verfahren nicht angewendet werden?

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Rudolf Fissner:

      Steht alles im verlinkten taz-Text. BMel hat sich später selbst korrigiert, ohne das Korrektur zu nennen