Bekämpfung des Rechtsextremismus: Das BKA macht ernst
Das Bundeskriminalamt will gegen Rechtsextreme vorgehen – mit neuen Strukturen und mehr Personal. Für diese Pläne gibt es nicht nur Lob.
Es soll offenbar ein großer Aufschlag werden. Das Bundeskriminalamt (BKA) plant laut Medienberichten einen deutlichen Ausbau seiner Strukturen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, mit 440 neuen Personalstellen und einem verschärften Vorgehen gegen Hasspostings. In der Politik findet das weitgehend Zustimmung. Manchen indes geht das nicht weit genug – oder zu weit.
„Ich begrüße die Pläne ausdrücklich“, erklärte SPD-Innenexperte Uli Grötsch. „Kein Neonazi darf sich jemals unbeobachtet fühlen. Jeder muss für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden, egal ob es sich um Gewalttaten oder um Hasskommentare handelt.“ Der Grüne Konstantin von Notz sagte: „Eine strukturelle Neuaufstellung der Sicherheitsbehörden und eine klarere personelle Konzentration auf rechtsextreme Strukturen fordern wir seit Langem.“
Das Bundesinnenministerium bestätigte am Montag nur, dass das BKA ein Konzeptpapier eingereicht habe. Die Süddeutsche zitiert direkt daraus: Demnach sollen im Kampf gegen Rechtsextreme neue Referate und Sondereinheiten mit 440 neuen Stellen aufgebaut werden. Zudem soll die Gefährlichkeit von gewaltbereite Rechtsextreme mit einem Analysetool, „Radar-rechts“, systematisch erfasst werden – bei Islamisten wird dies bereits angewandt.
Derzeit gehen die Behörden von 12.500 gewaltbereiten Rechtsextremisten aus. Als Gefährder, denen jederzeit eine schwere Straftat zugetraut wird, gelten davon nur rund 40. Für Sebastian Fiedler, Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), dürfte diese Zahl nach der Reform und einem strukturellen Durchforsten der Szene die Zahl „deutlich höher“ liegen.
Neuer Strafbestand für Feindeslisten
Aufgebaut werden soll im BKA auch eine „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität“. Diese soll Hasspostings im Internet zentral erfassen, die VerursacherInnen ermitteln und deren Daten an örtliche Dienststellen übermitteln. Heikel: Das BKA will dafür angeblich auch die Verlängerung von Speicherfristen für Onlinepostings, also eine Vorratsdatenspeicherung. Zudem sollen Plattformen wie Facebook oder YouTube Hetzkommentare nicht mehr nur löschen – sondern diese mit den Nutzerdaten auch direkt dem BKA zuleiten. Angeregt wird auch ein neuer Straftatbestand für das Erstellen von „Feindeslisten“.
Auch der Bundesverfassungsschutz arbeite an einem Reformpapier, bestätigte das Innenministerium. Anfang September werde Horst Seehofer (CSU) über beide Konzepte entschieden, danach der Bundestag. Die Pläne sind eine Reaktion auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mutmaßlich durch einen Nazi. Seehofer hatte danach mehr Härte gegen Rechtsextreme angekündigt.
BDK-Chef Fiedler begrüßte die Pläne als „äußerst sinnvoll und in Teilen überfällig“. Wer den Rechtsextremismus ernster bekämpfen will, müsse auch an Onlinehasskommentare ran. „Es geht um strafrechtliche Inhalte“, so Fiedler. „Und Hassreden sind die Grundlage für viele weitere Probleme.“ Die Reform bedeute aber auch Mehrarbeit für die Länderpolizeien. Bisher sei aber unklar, wie das funktionieren soll.
„Echte Reformen sind das nicht“, sagte dagegen FDP-Innenexperte Benjamin Strasser. Es brauche eine Strukturreform aller Sicherheitsbehörden, auch mit Zusammenlegung von Landesbehörden. „Wir brauchen weniger Behörden, die sich besser abstimmen und mehr verantwortlich fühlen.“ Der Grüne von Notz kritisierte die geplante Vorratsdatenspeicherung: Massenüberwachungen seien mit den Grundrechten „unvereinbar“. Entscheidend sei ein „zielgerichtetes“, zwischen den Behörden abgestimmtes Vorgehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Münchner Sicherheitskonferenz
Selenskyjs letzter Strohhalm