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Bei AfD-WahlsiegReiner Haseloff denkt laut über Flucht nach

Fast sein ganzes Leben verbrachte Sachsens-Anhalts Ministerpräsident in seiner Heimat. Sollte dort jedoch die AfD regieren, würde er vielleicht umziehen.

Reiner Haseloff, Ministerpräsident vonSachsen-Anhalt Foto: imago

Berlin taz | Diese Brandmauer steht: Reiner Haseloff, Christdemokrat und Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, hat ein klares Anliegen: „Ich will nur eines: Es darf nie sein, dass eine AfD auf den Regierungsbänken sitzt und dass das, was sie an Programmatik präsentiert, jemals Realität wird“, sagte der 71-Jährige der Bild. „Das muss verhindert werden. Dem hat sich alles unterzuordnen.“ Auch die Frage, ob er bei der Landtagswahl im kommenden Jahr noch mal als CDU-Spitzenkandidat antreten will.

Die Antwort darauf will Haseloff spätestens im September verkünden. Schon klar aber ist für ihn, was er machen würde, wenn er mit seiner Anti-AfD-Politik scheitert und die Rechtsextremen auf der Regierungsbank des Landtags in Magdeburg landen würden: „Dann wäre für mich wirklich die Grundsatzüberlegung, ob ich nach 72 Jahren meine Heimat verlassen würde.“ Denn das wäre für ihn „eine unerträgliche Atmosphäre“.

Für Haseloff wäre es tatsächlich ein radikaler Bruch. Er kam 1954 in der Nähe von Wittenberg zur Welt, ging dort zur Schule und kam nach dem Studium in Dresden und Berlin auch wieder zurück an die Stadt an der Elbe. Dort arbeitete er zu DDR-Zeiten am Institut für Wasserwirtschaft im Bereich Umweltschutz, dort war er nach der Wende 10 Jahre lang Direktor des Arbeitsamtes, bis er 2002 erst als Staatssekretär, später als Wirtschaftsminister und seit 2011 als Ministerpräsident die Landespolitik mitgestaltete. Er hat also fast sein ganzes Leben im heutigen Sachsen-Anhalt verbracht.

Haseloffs Aversion gegen extreme Rechte ist nicht neu. Schon 2007 versuchte er als Wirtschaftsminister einem Schornsteinfeger die Lizenz zu entziehen, weil der der NPD-Fraktion in Laucha angehörte. Erst nach fünfjährigem Rechtsstreit bekam er dafür den Segen vom Bundesverwaltungsgericht.

Für eine harte Migrationspolitik ist Haseloff trotzdem

Auch 2020 handelte er entschlossen. Als sein damaliger Innenminister Holger Stahlknecht im Streit um die Rundfunkgebühren damit liebäugelte, die bundesweit erste Kenia-Koalition platzen zu lassen und sich fortan als Minderheitsregierung von der AfD tolerieren zu lassen, setzte Haseloff seinen Parteikollegen vor die Tür. Die heikle Abstimmung strich er von der Tagesordnung.

Inhaltlich aber hielt er an seiner von der AfD geteilten Kritik an der Erhöhung der Rundfunkgebühren fest. Auch heute will er – gerade wegen der Angst vor der AfD – keine inhaltliche Korrektur der CDU-Politik. Wenn etwa Gerichte die von der schwarz-roten Koalition im Bund durchgesetzte Ablehnung aller Asyl­be­wer­be­r:in­nen an der Landesgrenze endgültig ablehnten, müsse eben die Politik das Recht so anpassen, dass es dennoch geht, erklärt Haseloff in der Bild. Das sei notwendig, um die extremen Ränder nicht weiter zu stärken.

Nicht mal die Aussicht darauf, selbst zum politischen Flüchtling zu werden, lässt den Konservativen umdenken. Als weißer, alter Cis-Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit wäre er auch privilegiert. Er muss nicht fürchten, an der deutschen Grenze abgewiesen zu werden. Er ist ja schon drin und muss nicht erst über einen angeblich sicheren Drittstaat anreisen.

Immerhin bringt Haseloff via Boulevardblatt eine Frage aufs Tapet, die sich längst schon viele weniger weiße, weniger konservative, weniger straighte Menschen stellen: Wo gehst du eigentlich hin, wenn die Nazis regieren? Haseloff sagt, er habe zum Glück Familie in vielen Teilen der Republik. Hoffentlich kann er im Fall der Fälle sich noch auf ein Recht auf Familienzusammenführung berufen.

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8 Kommentare

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  • Was für ein ärgerlicher Artikel. Anfangs noch ganz erträglich kippt er dann in eine mir nicht erklärbare Häme gegen über Haseloff. Was will der Autor denn mehr von einem Politiker, als dass er sich klar auf der Seite der Demokraten positioniert und sicher daher scharf von der AfD abgrenzt ohne Wenn und Aber? Ist etwa jeder der Feind, der nicht ein Weiter So in der Migrationspolitik fordert? Ein wahrer Demokrat also nur wer die Meinung des Autors teilt? Und auch die anderen Kommentare hier strotzen vor der gleichen überheblichen Ignoranz. Nicht Haseloff hat den Aufstieg der AfD befeuert sondern die unkontrollierte Flüchtlingspolitik und die damit einhergehenden Probleme. In Thüringen erreicht die AfD noch mehr Stimmen als in Sachsen-Anhalt und es war bis vor kurzem sogar rot-rot-grün regiert. Gleiches gilt für Mecklenburg unter einer SPD Regierung. Woher dieser Irrglaube mir immer mehr vom Gleichen würde man die AfD kleinbekommen? Haseloffs Ansatz die Politik zu ändern wird eher dazu führen, auch wenn manch Linke sich das offensichtlich partout nicht eingestehen können.

  • Meine Güte, was sind denn das für kenntnisfreie Kommentare hier. Wenn jemand der AfD Wählerstimmen abnehmen kann, dann sind das Leute wie Haseloff. Er hat es bei der letzten Wahl immerhin geschafft, die AfD kleinzuhalten - etwas was der (von mir persönlich durchaus geschätzte) Bodo Ramelow nicht hingekriegt hat. Anstatt das harte Brot der Opposition im Erfurter Landtag zu kauen und sich mit Höcke herumzuschlagen, hat der es im übrigen vorgezogen, sich nach Berlin abzusetzen. Dass der PDS bzw. der Linkspartei auch in Sachsen-Anhalt (die dort lange Zeit die zweitstärkste Partei war) die Wähler in Scharen davon- und zur AfD übergelaufen sind, kann man nun schwerlich Haseloff ankreiden.

  • Der Zauberlehrling bekommt Angst vor den selbst herbeigerufenen Geistern, vielleicht bekommt er ja Asyl in Italien, nach Prüfung des Falls in einem albanischen Lager. Wobei die CDU der AfD gerade in Sachsen-Anhalt so nahe steht, dass eigentlich kein Fluchtgrund vorliegen dürfte.

  • Erst versagen, dann wegrennen unter Beibehalt der versorgungsrechtlichen Bezüge. Sehr beeindruckend. Besser kann man Vorurteile von AFD Wählern gegenüber Spitzenpolitikern nicht bestätigen.

  • Aha. Erst der AfD den Boden bereiten und sich dann feige davon machen. Und im Gegensatz zu den Menschen, die dieser Politik schutzlos ausgeliefert sind, kann er es sich leisten, in sichere Gefilde zu fliehen. Natürlich ohne jemals Verantwortung für das angerichtete Desaster zu übernehmen.

    • @Minelle:

      Das Desaster liegt eher am System der " repräsentativen Demokratie " und sicherlich auch an der Stelle wo das Kreuzchen gemacht wurde. Von Wahentscheidung dürfte man bei mehrheitlich politisch uninformierten Bürgern nicht ausgehen. Viele " Wähler " lesen ja scheinbar noch nicht einmal die Wahlprogramme - oder sie verstehen deren Inhalte einfach nicht !

  • Was ist denn das für ein Statement von einem CDU Politiker ?



    Soll diese " Fluchtandeutung " etwa Unfähigkeit und Unmacht unserer demokratischen Regierung gegenüber einer unter Verdacht stehenden Partei rechtsextremistische Idologien zu vertreten steht, implizieren ?



    Wo sind die Abgeordneten aus unserem Parlament, die mit Reiner Haseloff gemeinsam Stärke zeigen und Einhalt, durch soziale Politik für alle Menschen, gegenüber diesem immer noch vorhandenem Rechtsruck in einigen Teilen Deutschlands entgegenwirken ?



    An die Arbeit - ihr verantwortungsvollen Volksvertreter !

  • Richtige Entscheidung.



    So viele Helden, an die wir uns gerne erinnern, haben es vorgemacht.