Bedingungen in Flüchtlingsheimen: Ohne Schlüssel fürs eigene Zimmer
Hausordnungen in Asylheimen greifen unverhältnismäßig in Grundrechte ein. Das machen vier Freiburger Flüchtlinge jetzt mit einer Klage geltend.
Drei der Männer kommen aus Ghana, ein vierter aus dem Senegal. Sie wohnen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) in Freiburg. Gemeinsam klagen sie gegen die Hausordnung der LEA, die das landesweit zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erlassen hat.
Es geht aber um eine grundsätzliche Klärung der Rechte von Flüchtlingen. Die LEA-Hausordnung gilt wortgleich in allen Aufnahmeeinrichtungen Baden-Württembergs. In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Regeln.
Wenn die Flüchtlinge das LEA-Gelände betreten, werden sie jedes Mal am Eingang durchsucht. Die Hausordnung erlaubt anlasslose Kontrollen. Eine Vielzahl von Gegenständen dürfen die Bewohner nicht mit auf das Gelände bringen, etwa Taschenmesser oder verderbliche Lebensmittel, auch wenn sie diese bald essen wollen. Elektronische Geräte sind verboten, sogar ein Akku-Haarschneider. Eigene Möbel verbietet die Hausordnung, selbst ein kleines Regal.
Permanente Diebstahl-Gefahr
Die Security darf laut Hausordnung jederzeit für Routinekontrollen die Zimmer betreten. Immerhin klopft sie vorher an. Gleichzeitig können die Flüchtlinge ihr eigenes Zimmer nicht abschließen, sie bekommen keine entsprechende Schlüssel-Chipkarte und müssen deshalb immer damit rechnen, dass ihnen etwas gestohlen wird.
Auf dem Gelände gilt laut Hausordnung ein grundsätzliches Besuchsverbot, auch für Verwandte oder Hilfsorganisationen. Genehmigungen sind aufwendig und werden oft verweigert, schildern die Kläger. Grundsätzlich verboten sind auch „missionarische und politische Tätigkeiten“. Schon die Ankündigung eines gemeinsamen Freitagsgebets werde unterbunden, sagen die Flüchtlinge.
Die Klage der vier Männer wurde intensiv vorbereitet. Hinter ihr stehen die Freiburger Aktion Bleiberecht, der Landesflüchtlingsrat und die bundesweit aktiven Organisationen Pro Asyl und Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).
Die aktuelle Klage richtet sich gegen die Freiburger Hausordnung, weil diese noch relativ neu ist; eine Normenkontrolle muss binnen eines Jahres beantragt werden. Über die Rechte von Flüchtlingen in Asylheimen wird aber schon seit Längerem diskutiert. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat bereits 2018 ein kritisches Gutachten vorgelegt, die Aktion Bleiberecht im vorigen Herbst ein zweites.
Die vier Kläger berufen sich auf ihre Grundrechte, vor allem die Unverletzlichkeit der Wohnung, aber auch auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie Religions- und Meinungsfreiheit. In alle Grundrechte kann zwar per Gesetz eingegriffen werden, doch die gesetzliche Grundlage ist hier dünn. „Das Regierungspräsidium Karlsruhe erlässt die Nutzungsordnung“, heißt es im Flüchtlingsaufnahmegesetz von Baden-Württemberg. „Wenn so intensiv in die Lebensgestaltung von Menschen eingegriffen wird, muss dies konkret im Gesetz geregelt werden und nicht erst in der Hausordnung“, erklärt GFF-Expertin Sarah Lincoln.
Außerdem hält Lincoln die Regelungen für unverhältnismäßig. „Eingriffe in die Wohnung sind laut Grundgesetz nur bei einer ‚dringenden Gefahr‘ zulässig, nicht für Routine-Kontrollen und präventive Verbote.“ Dass auch ein Zimmer in der LEA als „Wohnung“ geschützt ist, hält Lincoln für „eindeutig“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen