Bedingungen auf Südafrikas Weinbergen: Das Leid der billigen Flasche
In südafrikanischen Weinanbaugebieten herrschen laut einer neuen Studie „katastrophale Bedingungen“. Auch deutsche Discounter müssen reagieren.
Dahinter stehen die Aussagen von knapp 350 Arbeiterinnen von Wein- und Traubenanbaugebieten. Oxfam hat sie zusammen mit der südafrikanischen Vereinigung „Women on Farms Project“ befragt. Nicht einmal jede Fünfte von ihnen bekommt demnach den Mindestlohn von umgerechnet 178,10 Euro im Monat. Jede Zweite gibt an, schon eine Stunde, nachdem die Felder mit giftigen Spritzmitteln besprüht wurden, wieder in die Reben geschickt zu werden; und dass die Trauben oft noch mit einer weißen Schicht von Chemiekalien überzogen seien, wenn sie sie mit bloßen Händen anfassen müssen.
Handschuhe oder andere Schutzkleidung erhielten sie nicht. Wehren können sie sich auch nur schwer: Viele Farmer verbieten ihnen, an Treffen von Gewerkschaften teilzunehmen – und Gewerkschaftern, die Weinanbaugebiete zu betreten. Die Zustände auf den Weinbergen am Kap stehen nicht zum ersten Mal in der Kritik. Vor einem Jahr nahmen zum Beispiel in Dänemark und Schweden viele Supermärkte südafrikanische Wein aus den Regalen, nachdem der Dokumentarfilm „Bittere Trauben – Sklaverei in den Weinbergen“ gelaufen war. Anders die deutschen Supermärkte.
Sie drücken laut Oxfam die Preise und tragen so eine „Mitverantwortung“ für die Schufterei der Farmleute. Franziska Humbert von Oxfam sagt: „Seit dem Jahr 2000 sind die Exportpreise von südafrikanischem Wein nach Deutschland um mehr als 80 Prozent gefallen, die Produktionskosten im Weinanbau dagegen in den vergangenen Jahren um fast 50 Prozent gestiegen.“ So kämen bei südafrikanischen Winzern pro Flasche oft nur 25 Cent an – und damit nur rund zehn Prozent des durchschnittlichen Einzelhandelspreises von 2,49 Euro.
Supermärkte distanzieren sich
In Deutschland teilen sich, so rechnet das Deutsche Weininstitut vor, die Discounter Aldi, Lidl, Penny und Netto rund 40 Prozent des Umsatzes mit Wein, Supermärkte wie Edeka und Rewe 21 Prozent. Bei frischem Obst sieht es ähnlich aus. Humbert: „Die deutschen Discounter und Supermarktketten haben eine enorme Verhandlungsmacht.“ Sie dürften die Verletzung von Menschenrechten in ihren Lieferketten nicht einfach billigend in Kauf nehmen.
Machen wir auch nicht – heißt es bei den Discountern. Ihre Lieferanten könnten die von Oxfam „aufgeführten Missstände in dieser Form nicht bestätigen und versichern uns, dass sie Missstände dieser Art in keiner Weise tolerieren würden“, erklärte Aldi-Süd. Ähnlich drückte es Aldi Nord aus. Und Lidl „distanziert sich grundsätzlich von jeglichen Arbeitsrechtsverletzungen.“ Edeka und Rewe äußerten sich bis zum Redaktionsschluss nicht. Aldi Nord und Süd erklärten beide aber auch, „Schritt für Schritt“ sollten die Arbeitsbedingungen „dauerhaft“ verbessert werden. Der weitere Handlungsbedarf ist jedoch unstrittig.
Im Auswärtigen Amt haben die Zuständigen schon monatelang über einem „Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ gebrütet. Er war gedacht als eine Art Regelkatalog für die Handelsbeziehungen deutscher Unternehmen mit dem Ausland – basierend auf Leitprinzipien der Uno. Bis er dann im Dezember 2016 von der Bundesregierung verabschiedet werden konnte, wurde er allerdings in der Abstimmung mit anderen Ressorts aufgeweicht. Die nächste Bundesregierung, so fordert Oxfam, müsse nun endlich verpflichtende Standards etablieren.
Dass es anders geht, zeigt zum Beispiel Peter Riegel Weinimport, der größte Importeur von Bioweinen in Deutschland. Er bezieht seine Flaschen etwa vom Weingut Stellar Organics, 300 Kilometer nördlich von Kapstadt. Marketingleiterin Claudia Stehle sagt: „Die Bio-Kellerei hat ihre Arbeiter seit Jahren mit 26 Prozent Anteilen beteiligt, mit den neuen Weinbergen sollen es künftig 51 Prozent sein.“ Stellar Organics wäre dann das erste große Weingut im Besitz der überwiegend schwarzen Beschäftigten.
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