Beauftragter für die Neuen Länder: Abschaffen, sofort und unverzüglich
Nach einem Gratulationstweet an Thomas Kemmerich muss Christian Hirte seinen Posten niederlegen. Da muss kein Neuer nachkommen.
G anz schön was los gerade. In Thüringen wählen die CDUler und die Liberalen zusammen mit der ultrarechten Höcke-AfD den Inhaber einer Frisörkette zum Ministerpräsidenten. Anschließend sind alle traurig, zeigen mit dem Finger aufeinander und behaupten, einfach nicht für möglich gehalten zu haben, dass die AfD so sein könnte wie … nun ja, wie die AfD?
Aber einer hat sich doch gefreut: Christian Hirte. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und „Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer“ twitterte kurz nach der Wahl von Thomas Kemmerich: „Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats Thüringen!“ Hätte nur noch gefehlt, dass Hirte ein Küsschen-Emoji hinter seine lieb gemeinte Nachricht gesetzt hätte. Aber das war auch nicht nötig; die Freude des Beauftragten der Bundesregierung über das gemeinsam mit Thüringer Nazis erzielte Ergebnis war unverkennbar.
Drei Tage später war Hirte seinen schönen Posten los. Angela Merkels Regierungsflieger hatte kaum Berliner Boden berührt, da bat sie den lustigen Thüringer zum Gespräch und teilte ihm mit, „dass ich nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Länder sein kann. Ihrer Anregung folgend, habe ich daher um meine Entlassung gebeten“. Dies twitterte Christian Hirte am Samstag.
Ich persönlich mag an dem Vorgang besonders die niedlichen Wörter. „Ihrer Anregung folgend“ – das klingt, als habe Angela Merkel, einer Eingebung folgend, gesagt: „Du Christian, was hältst du davon, den Quatsch mit dem Ostbeauftragten zu lassen. Ist nur so ein Gedanke, der mir während der Ramaphosa-Rede in Pretoria kam. Was meinst du dazu, hm?“ Christian hätte grübelnd auf seinem Brillenbügel rumgekaut und geantwortet: „Wunderbare Anregung, der ich sehr gerne Folge leiste.“ Und schwupp, war das Wochenende gerettet und er brauste heim ins Eichsfeld.
Ebenfalls sehr niedlich ist der Titel des nun wieder vakanten Postens. Der „Beauftragte für die neuen Länder“ hieß früher mal „Beauftragter der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Neuen Länder“. Das war 1998, und man mag sich bei Rot-Grün gedacht haben: Jetzt neu, meine Damen und Herren: Neue Länder, mit großem N!!! Von Anfang an hatte der Posten etwas von Statthalter, von einem Wesir des Königs, der durch die nagelneuen Liegenschaften reist, um zu verkünden, wie gelungen die Wiedervereinigung sei.
Gute Laune, Häppchen und Förderbescheide, das Ganze mit einem Operettentitel versehen – wer wollte das nicht. Hier die traurige Wahrheit: Niemand außer dem Titelträger. Es gibt wenig, das so geringschätzig und aus der Zeit gefallen wirkt wie dieser Job. Bitte abschaffen. Und das sollte nach meiner Meinung … sofort, unverzüglich. Danke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen