Bayerns Rückzug aus dem D-Ticket: Einfach nur fahrlässig
Klar kann man am Nahverkehr nachbessern. Aber Bayerns angekündigter Rückzug aus dem Deutschlandticket stellt einen großen Erfolg infrage.
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D as Deutschlandticket ist zumindest aus Kundensicht eine echte Erfolgsgeschichte. Zwar ist die angepeilte Abozahl von 15 Millionen Kunden bisher noch nicht erreicht. Doch nicht einmal zwei Jahre nach der Einführung gehört der bundesweit einheitliche Fahrschein für den Nahverkehr für viele Pendler zu den guten Ideen der Ampel.
Das hängt vor allem mit dem Preis und der Einfachheit des Angebots zusammen. Wer vor der Einführung über mehrere Landkreise hinweg zum Job pendeln musste, zahlte je nach Region monatlich mehr als 200 Euro für die Fahrten mit Bus oder Bahn. Die 49 Euro zur Einführung stellten ein spürbare Entlastung des Haushaltsbudgets dar.
Umstritten war lange die seit Jahresbeginn wirksame Anhebung des Preises auf 58 Euro. Gemessen an früheren Preisen ist die Ersparnis für viele Nutzer immer noch enorm. Wohl auch deshalb hält sich die Zahl der Kündigungen in Grenzen. Das ist auch ein Indiz für die Fortentwicklung des D-Tickets: Es muss preisgünstig bleiben, aber die Kunden haben auch Verständnis für eine realistische Preisfindung. Denn darum wird es unter anderem in diesem Jahr gehen.
Die Erfolgsgeschichte hat auch Schattenseiten. Gerade in ländlichen Gebieten haben viele Bewohner nichts vom D-Ticket, weil es dort praktisch kein Nahverkehrsangebot gibt, auf das Autofahrer umsteigen könnten. Verlierer sind auch die Verkehrsunternehmen, denen überlebenswichtige Einnahmen weggebrochen sind. Die Finanzierung ist über das laufende Jahr hinaus nun in Frage gestellt.
Dafür sorgen aktuelle Querschüsse aus Bayern: Der Freistaat will die erst nach zähen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern vereinbarte Finanzierung nicht länger mittragen. Das hängt mit dem schlechten Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln in Teilen Bayerns zusammen, aber auch mit einer klaren Präferenz der Landesregierung für den Autoverkehr. Die Ankündigung stellt einen verkehrspolitischen Erfolg fahrlässig in Frage. Besser wäre es, den Nahverkehr so auszubauen, dass auch die Bayern mehr vom D-Ticket profitieren können.
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