„Bayern-Agenda“ präsentiert: Die Extraportion CSU
Die CSU ist begeistert von der neuen Einigkeit mit der CDU und dem gemeinsamen Wahlprogramm. Trotzdem setzt sie noch eins drauf.
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Unter dem Titel „Deutschland wieder in Ordnung bringen“ enthält die „Bayern-Agenda“ auf 14 Seiten handverlesene Exklusivforderungen, mit denen die CSU den Bundestagswahlkampf bestreiten will. Das gemeinsame Wahlprogramm mit der CDU „atmet schon den Geist der CSU in erheblichem Maße“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in einer Pressekonferenz nach der Vorstandssitzung, die Bayern-Agenda liefere darüber hinaus aber einige „für Deutschland wichtige, aber für Bayern besonders wichtige Elemente“.
Einige der Elemente waren bereits zuvor bekannt. Zum Beispiel die Mütterrente für Mütter von vor 1992 geborenen Kindern. Sie war auch schon Thema der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe zu Jahresbeginn. Die CSU möchte, dass diesen Müttern künftig drei statt bisher höchstens zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden – ein Projekt, das laut Rentenversicherung jährlich mit rund viereinhalb Milliarden Euro zu Buche schlagen dürfte.
Söders Herz für Mütter
Die Mütterrente stand immer wieder im Zentrum des CSU-Wahlkampfs. Schon 2013 und 2017 knirschte es deshalb deutlich vernehmbar innerhalb der Union, zu unterschiedlich waren die Auffassungen der damaligen Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer. Ihre Vorstellungen konnte die CSU dabei nur teilweise umsetzen. Der heutige CSU-Chef Markus Söder ließ es vergangene Woche bei der Klausurtagung seiner Landtagsfraktion nicht an Pathos fehlen, als es um das Thema ging. „Wer da dagegen ist, der zeigt nur, dass er kein Herz hat“, sagte er. „Wir haben ein Herz.“
Ein Herz hat die CSU seit jeher auch für die Pendler. Deshalb will sie die Pendlerpauschale erhöhen: Bei 38 Cent pro Kilometer soll sie liegen. Bisher gilt für die ersten 20 Kilometer noch ein Satz von 30 Cent. Auch im gemeinsamen Unionswahlprogramm wird eine Erhöhung gefordert, die CSU hat sie in ihrer Agenda nun allerdings konkret beziffert. Überhaupt finden sich an einigen Stellen der Agenda schlicht Präzisierungen des Unions-Programms. So wollen die beiden Parteien Mindestausgaben für die Verteidigung von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die CSU spricht darüber hinaus von „perspektivisch“ drei Prozent.
Ein spezieller bayerischer Aspekt kommt tatsächlich bei der Forderung nach einem neuen Umgang mit der Erbschaftssteuer zu tragen. Die Bayern, so die CSU-Argumentation, würden bei der Erbschaftssteuer benachteiligt, weil hierzulande die Immobilien besonders teuer seien. Deshalb will die Partei die Erbschaftssteuer nun regionalisieren, sprich die Entscheidung über ihre Höhe den Ländern überlassen.
De-facto-Einreisestopp für Flüchtlinge
Die konsequente Benachteiligung Bayerns, die die CSU stets der aktuellen Bundesregierung unterstellt hat, will sie natürlich beenden. Daher fordert sie die Förderung und den Bau von Gaskraftwerken in Bayern, einen schnellen Anschluss Bayerns an das Wasserstoffnetz und den Erhalt einer einheitlichen Strompreiszone in Deutschland. Wenig verwundert auch die Forderung nach einer grundsätzlichen Reform des Länderfinanzausgleichs mit dem Ziel, die bayerischen Zahlungen an andere Bundesländer deutlich zu reduzieren.
Des weiteren soll die E-Auto-Prämie wieder eingeführt, die Umsatzsteuer für Getränke in der Gastronomie dauerhaft auf sieben Prozent gesenkt und die Videoüberwachung auföffentlichen Plätzen ausgeweitet werden, inklusive biometrischer Gesichtserkennung.
Dass die CSU eine radikale Abkehr von der Flüchtlingspolitik der Ampel fordert, ist nicht neu, aber ein zentraler Bestandteil der „Bayern-Agenda“. So soll das individuelle Asylrecht durch eine Grundgesetzänderung abgeschafft werden, auch subsidiären Schutz für Flüchtlinge soll es künftig nach dem Willen der Partei nicht mehr geben wie auch jegliche freiwilligen Aufnahmeprogramme. Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen und Zurückweisungen sollen einen faktischen Einreisestopp für alle „illegale Migranten“ ermöglichen. Forderungen, bei denen man Söders Herz förmlich schneller schlagen hört.
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