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Bayerische EnergiewendeSöders radioaktiver Cocktail

Atomkraft, Fracking und möglichst wenig Wind: Bayerns Ministerpräsident verfolgt seine ganz eigene Energiewende. Erfolg hat er damit bislang nicht.

Auf den ersten Blick idyllisch – im Hintergrund das Atomkraftwerk Isar II Foto: Paul Langrock/Agentur Zenit

München taz | Markus Söder hat diese Woche unerwartet viel Zeit. Eigentlich, so war es geplant, hätte sich der bayerische Ministerpräsident am Sonntag auf eine seiner wenigen Auslandsreisen begeben sollen: Als „Wasserstoff-Reise“ ließ er den Trip titulieren, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien wären das Ziel gewesen. Thema: die „langfristige Sicherstellung der Energieversorgung in Bayern sowie die perspektivische Erschließung weiterer erneuerbarer Energien etwa über Wasserstoff-Technologie“. Doch aus dem Besuch bei den Scheichs wurde erstmal nichts. Söder wurde kurz vor der Abreise positiv auf Corona getestet und musste sich in Isolation begeben.

Bis auf einen Schnupfen gehe es ihm gut, lässt der CSU-Chef wissen, er schaue viel Fußball und werde sich nun daheim mit dem Thema Energiepolitik beschäftigen. „Wenn ich die bayerische Energieversorgung nicht von Saudi-Arabien aus voranbringen kann, dann wenigstens von Nürnberg aus“, beruhigte er in einem Telefonat mit der Süddeutschen Zeitung.

Unbestritten ist: Bayern ist in besonderem Maße abhängig von russischen Energielieferungen. Mit 5,6 Milliarden Euro zahlte der Freistaat im vergangenen Jahr so viel für Öl und Gas aus Russland wie kein anderes Bundesland.

Doch bei den Überlegungen, wie man sich möglichst schnell aus dieser Abhängigkeit lösen könne, hat Söder recht spezielle Vorstellungen. Die beiden Schlüsselbegriffe Atomkraft und Fracking sind es dabei vor allem, die zuletzt so manche Kritiker aufschrecken ließen.

Söder will alte Meiler wieder hochfahren

Während Wasserstoff allenfalls mittelfristig einen Ausweg aus der Energiekrise darstellen könnte – Söder träumt etwa von einer Wasserstoffpipeline von Triest nach Bayern –, sieht der Ministerpräsident in Atomkraft und Kohle eine Lösung für die akuten Probleme. Immer wieder forderte er in den vergangenen Wochen eine Laufzeitverlängerung für die aktiven Kohle- und Atomkraftwerke in Deutschland, plädierte sogar dafür, bereits abgeschaltete Meiler wie den im schwäbischen Gundremmingen wieder hochzufahren.

Aktuell ist in Bayern nur noch das Atomkraftwerk Isar 2 am Netz, es soll Ende des Jahres abgeschaltet werden. Und selbst die Betreiberin, die hundertprozentige Eon-Tochter Preussenelektra, möchte daran nicht rütteln. Rein technisch sei ein Weiterbetrieb zwar möglich, erklärt Eon-Chef Leonhard Birnbaum in der „Financial Times“. Aber: „Atomkraft hat in Deutschland keine Zukunft. Punkt.“

Wie viele Gegner der Söderschen Kernkraftträume weist der Manager aber auch auf den geringen Effekt hin, den eine Laufzeitverlängerung in der aktuellen Lage brächte: Die kleine Erleichterung auf dem Strommarkt würde an der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl nicht wirklich etwas ändern. Für Eon jedenfalls sei das Thema Atomkraft erledigt.

Fracking lautet das andere Reizwort, um das Söder zur allgemeinen Überraschung jüngst die Diskussion bereichert hat. Gasförderung mittels des umstrittenen Verfahrens müsste nun auch in Deutschland geprüft werden, hatte Söder gefordert. Alle Optionen müssten gezogen, alle Karten auf den Tisch gelegt werden. „Was haben wir, was können wir nutzen?“ Das müsse nun analysiert werden, auch wenn am Ende das Ergebnis vielleicht sein könnte, dass Fracking hierzulande keinen Sinn ergebe. Ohnehin ließ Söder durchblicken, dass er das Potenzial für Fracking eher in anderen Gefilden Deutschlands sehe, weniger in Bayern.

Koalitionspartner: „Fracking ist der falsche Weg“

Fracking ist sehr umstritten, weil bei dieser Methode unter hohem Druck eine Flüssigkeit in den Boden gepresst wird, um das Gestein porös zu machen und dadurch Gas oder Öl fördern zu können. Es gilt als äußerst riskant wegen möglicher Umweltschäden und einer Verseuchung des Grundwassers.

So stieß der CSU-Chef auch mit dieser Forderung auf sofortigen Widerstand, nicht nur den erwartbaren der bayerischen Oppositionsparteien Grüne und SPD, sondern auch den des eigenen Koalitionspartners. „Bayern hat Fracking aus gutem Grund untersagt“, sagte Umweltminister Torsten Glauber von den Freien Wählern. „Daran halte ich fest. Fracking ist der falsche Weg.“

Derselben Meinung ist auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der überdies darauf hinweist, dass es ja lange dauern würde, die entsprechenden Kapazitäten aufzubauen. Der Umstieg auf eine von Russland unabhängige Energieversorgung solle aber ja schnell gehen.

Einen wichtigen, wenn auch ebenfalls nur mittelfristigen Baustein der Energiewende sieht Habeck bekanntlich in einem massiven Ausbau der Windkraft. Zwei Prozent der Landesfläche will er hierfür genutzt sehen. Hier bremst Söder jedoch noch immer beharrlich und will an der bayerischen 10H-Regel festhalten. Die Vorgabe, die es nur hierzulande gibt, sieht vor, dass beim Bau einer Windanlage von der nächsten Wohnbebauung ein Abstand vom Zehnfachen der Windradhöhe gehalten werden soll.

Staat spart selbst an Solarzellen

Immerhin spricht Söder mittlerweile davon, mehr Ausnahmen zu ermöglichen – vor allem in Waldgebieten. Auf diese Weise sollten in den nächsten Jahren 500 weitere Windräder in Bayern ermöglicht werden. Viel zu wenig, findet der bayerische Landesverband des Bundesverbandes Windenergie, das Potenzial in Bayern sei viel größer. Demnach könnten bis 2030 mindestens 1.200 weitere Anlagen gebaut werden, bis 2040 sogar 3.000, womit ein Anteil von 30 Prozent am bayerischen Energiemix erreicht werden könnte.

Nach Ostern will Söder Habeck ein ursprünglich für Ende März versprochenes Energiekonzept vorlegen. Sollte dies nicht schlüssig darlegen, wie Bayern seine Windkapazitäten trotz 10 H hochfahren kann, könnte Habeck die Regel seinerseits einfach kippen.

Bayern sei nun eben kein Wind-, sondern ein Sonnenland, begründet Söder regelmäßig seine Ablehnung einer intensiven Windnutzung. Doch auch was das Thema Photovoltaik anbelangt, sieht sich der vermeintliche Sonnenkönig inzwischen in der Defensive. Denn wie die Staatsregierung im März auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Martin Stümpfig hin zugeben musste, haben 96,3 Prozent der fast 10.866 staatlichen Gebäude keine Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Anlagen über Parkplätzen gebe es überhaupt nicht, und auch bei Neubauten bleiben die Dächer in 85 Prozent ohne Solaranlage.

Nicht nur Wirtschaftsminister Habeck dürfte also gespannt sein, welche Ideen ihm Söder demnächst unterbreiten wird. Mit Vorschlägen zum Energiesparen jedenfalls hielt sich der Ministerpräsident bislang zurück. Ein Tempolimit, das machte er auf alle Fälle schon mal klar, lehne er ab.

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10 Kommentare

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  • Nun kann der Söder Markus sich in häuslicher Quarantäne ja in aller Ruhe mal aussuchen, woher die Brennelemente für Isar II kommen sollen und welche Staatsbeamte das Kraftwerk ab 1.1.23 betreiben sollen...

    Bei uns im Norden sagt man: "Keen Nodeel is so groot, dat da nich noch 'n Vördeel bi is!"

  • Meinungen und Behauptungen von Redakteuren und Managern haben wenig Gewicht wenn sie subjektiv ("geringer Effekt") quantifiziert werden.



    Anteil Primärenergieerzeugung Bayern nach offiziellen Zahlen 2020:



    Kernenergie: 13%, Erdgas 22,9%.



    So gering ist der Effekt wohl nicht.

    Zum Fracking gibt es eine ausführliche Studie der rechtlichen und ökologischen Faktoren im Auftrag des Umweltbundesamts von 2012. Darin wird keinesfalls davon abgeraten, man kann Fracking nämlich auch komplett ohne unterstützende Chemikalien fahren und hat im Ergebnis einfach preisliche Aufschläge (Bohrmaterial nutzt schneller ab etc.). Wenn man die Lagerstätten auf seismische und Grundwasserrisiken abklopft ist es keine grundsätzlich "schmutzige" Geschichte mehr.

  • In Zeiten wie diesen muss man sich auch mal für das kleiner Übel entscheiden. Wieviele Menschen kommen durch AKWs ums Leben und wieviele in Russlands Kriege gegen die Ukraine? Ja, es ist durchaus möglich mehr erneuerbare Energien in Deutschland zum Einsatz zu bringen. Allein man hat's verpennt. Selbst in England ist der Anteil der erneuerbaren Energien um einiges höher als in Deutschland. Woran liegt's?



    Die Dummheit bestand darin die AKWs in Deutschland vom Netzt zu nehmen ohne über ausreichend Kapazitäten an erneuerbaren Energien zu verfügen. Um die Lücke zu schließen verheizte man verstärkt Kohle, um diese dann durch Erdgas zu ersetzen. Dadurch stieg der CO2 Ausstoß gewaltig. Aber um eine Vermdinderug des CO2 Ausstoßes ging es halt erst einmal nicht.

    • @Galgenstein:

      Zu England habe ich auf die Schnelle keine Zahlen finden können, aber zum Vereinigten Königreich sogar aktuelle von 2021: de.statista.com/st...ch-energietraeger/



      Da komme ich auf unter 40 Prozent bei erneuerbaren am Strom. In D liegt man seit Jahren über 40 Prozent, auch 2021 trotz eines windarmen Jahres: www.umweltbundesam...n-zahlen#uberblick

      Sollten Sie sich nicht auf Strom, sondern auf Primärenergie beziehen, wäre ich für Zahlen sehr dankbar.

      Natürlich können die energiebedingten Emissionen in England/VK dennoch niedriger sein, was an der stärkeren Nutzung von Atom und Gas liegen dürfte gegenüber Kohle (insb. Braunkohle) in D. Daher finde auch ich, dass man Kohle- und Atomausstieg in umgekehrter Reihenfolge hätte vollziehen sollen. Vielleicht sogar eine kleine strategische "Reserve" Atomkraftwerke für Notfälle und Erhalt des Know-Hows aufbauen - wenn sich das ökonomisch irgendwie sinnvoll mit einem auf erneuerbaren Energien fußenden System vereinbaren lässt.



      Die weiteren Argumente gegen Atomkraft hat @Danny Schneider schön wiedergegeben. AKW schneiden im Vergleich nicht schlecht ab, aber sie sind den Erneuerbaren in fast jeder Hinsicht unterlegen und maximal ein kleiner Baustein.

      Im übrigen finde ich es nicht angemessen und realitätsfern, Tode durch AKW und Russlands Angriff auf die Ukraine aufzurechnen. Kein:e Ukrainer:in weniger stirbt auf absehbare Zeit, weil D ein AKW weiter betreibt oder russisches Öl nicht mehr importiert. Dennoch ist es natürlich richtig, unabhängiger zu werden, aber das ist mindestens verkürzend.

      Viele Grüße!

    • @Galgenstein:

      a.) von der Mine bis zum Endlager erzeugen AKWs auch gewaltige Mengen CO2. Dieses CO2 frei ist eine Lüge: kann man an X Stellen nachlesen

      b.) Ein Störfall und alles Flussabwärts wäre verseucht. Egal ob Rhein, Main oder Donau - einfach mal durchdenken

      c.) Mal vergl. mit Fukushima: Wieviel Kühlwasser die da aus dem Meer ziehen. Ein europ. Fluß wäre trocken

      d.) der Rhein führt grad mal wieder sehr wenig Wasser wie schon seit Jahren. Donau wird nicht besser sein. Frankreich muss im Sommer schon immer die AKWs drosseln wegen fehlender Kühlung. In Deutschland sinken die Grundwasserpegel ständig.

      Außerdem sind die Erneuerbaren bereits heute um etwa den Faktor 8-10 billiger. Also mit AKW's werden die Strompreise sicher eines nicht: sinken oder konstant bleiben.

      Bleibt noch: Neubau würde gute 20 Jahre benötigen.

      • @danny schneider:

        Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, möchte zu Punkt a) aber hinzufügen, dass man auch die Emissionen und Umweltschäden durch Erneuerbare entlang des Lebenszyklus nicht verschweigen darf. Es gibt kein Free Lunch und in dieser Hinsicht liegen Erneuerbare nicht so eindeutig vor Atomkraft. Ich bin gerade zu faul, um Links zu liefern, aber Zahlen dazu gibt's beim IPCC (sehr detailliert aber nicht super zugänglich für Laien) oder auch Our World in Data (zugänglicher, aber weniger genau).



        Viele Grüße!

  • Saudi Arabien statt Russland. Eine mäßig gute Idee.



    Saudi Arabien führt einen brutalen und illegalen Krieg in Jemen, samt Gezielt-Märkte-und-Krankenhäuser-Bombardieren, und die Menschenrechtssituation ist noch viel schlechter als in Russland. Von Demokratie mal ganz zu schweigen.

    Söder hat ganz offenbar auch hier nicht mitbekommen, dass sich die Zeiten geändert haben.

  • Zitat: "Wie viele Gegner der Söderschen Kernkraftträume weist der Manager aber auch auf den geringen Effekt hin, den eine Laufzeitverlängerung in der aktuellen Lage brächte: Die kleine Erleichterung auf dem Strommarkt würde an der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl nicht wirklich etwas ändern. Für Eon jedenfalls sei das Thema Atomkraft erledigt."



    Dazu ist zu sagen, dass am 15.03.2022 der Verband Kerntechnik Deutschland e.V. eine Stellungnahme veröffentlichte, in der alle Ablehnungsgründe aus dem gemeinsamen Prüfvermerk von BMW und BMU sorgfältig bewertet und widerlegt wurden.



    Man kommt zu der Schlussfolgerung, dass die drei Kernkraftwerke in einer Gasmangellage oder gar einer allgemeinen energiewirtschaftlichen Notlage in Deutschland mit ihrer grundlastfähigen Stromerzeugung einen entscheidenden Beitrag zur Energiesicherheit leisten könnten, ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu erzeugen.



    Quelle: siehe Downloads in www.peitgen.com

  • Nichts Neues aus der CSU, vor allem nichts Konstruktives! Wo ist denn da nur die bayerische Innovationkraft? Wo ist da ein "pack mas, fang mar o!"?

  • Söder wäre eine mögliche alternative Energiequelle, allerdings unzuverlässig, Flatterstrom. Und der Rotmilan mag ihn auch nicht ausserdem ist er zu laut