Teurer Vergleich für Bayer: 11 Milliarden Dollar für Glyphosat
Bayer legt mit einem Schlag drei Viertel der Glyphosat-Klagen in den USA bei. Das umstrittene Herbizid will der Konzern indes ohne Einschränkungen weiter verkaufen.
Damit seien etwa drei Viertel der insgesamt 125.000 eingereichten und drohenden Klagen vom Tisch. Auch weitere andere Klagen zum Unkrautvernichter Dicamba und zur Chemikalie PCB, die sich Bayer mit der rund 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto eingehandelt hatte, sollen mit Vergleichen beigelegt werden.
„Der Roundup-Vergleich ist für Bayer der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt, um eine lange Periode der Unsicherheit zu einem Ende zu bringen“, urteilte Vorstandschef Werner Baumann. Er gestand aber auch ein, dass Bayer unglücklicherweise „furchtbar viel Geld“ für ein Produkt zahle, das völlig im Einklang mit den regulatorischen Vorgaben stehe.
Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat der Konzern stets zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass Zulassungsbehörden weltweit das Herbizid bei sachgemäßer Anwendung als sicher bewerten. Auch die US-Umweltbehörde EPA gab Bayer dabei Rückendeckung und hatte Warnhinweise auf mögliche Krebsgefahren verboten.
Krebsforschungsagentur: „Wahrscheinlich krebserregend“
Allein die Krebsforschungsagentur IARC stufte den Wirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ ein, auf ihre Einschätzung beriefen sich die Kläger. Bayer will den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup von Monsanto nun weiter ohne Einschränkungen verkaufen. Baumann erklärte, Bayer habe sich für den Vergleich entschieden, weil ein jahrelanger Prozessmarathon in den USA mit ungewissem Ausgang wahrscheinlich weit teurer geworden wäre. Der Vorstand erwartet, auch mit den übrigen Fällen kurzfristig eine Vereinbarung erzielen zu können.
Die laufenden Verfahren kosten Bayer zwischen 8,8 und 9,6 Milliarden Dollar, für potenziell künftige Klagen sind 1,25 Milliarden reserviert. Der Vereinbarung für mögliche künftige Fälle muss noch ein US-Bezirksrichter zustimmen. Im Rahmen der Vereinbarung soll ein unabhängiges Wissenschaftsgremium eingerichtet werden, das entscheiden soll, ob Roundup Lymphdrüsenkrebs verursacht.
Mit dieser Krebserkrankung wird Glyphosat am häufigsten in Verbindung gebracht. Bayer erklärte, sowohl die Gruppe möglicher künftiger Kläger als auch das Unternehmen selbst seien an die Entscheidung des Gremiums gebunden. Baumann zeigte sich aber zuversichtlich, dass das Gremium der Bewertung der weltweiten Regulierungsbehörden folgt. Die Entscheidung dürfte allerdings rund vier Jahre in Anspruch nehmen. So lange dürften die künftigen Kläger keine Ansprüche geltend machen und Schadenersatz fordern.
Bayer nicht komplett aus dem Schneider
„Bayer ist nicht komplett aus dem Schneider, sondern versucht, so viel wie möglich zu tun, um die Unsicherheiten zu mindern“, sagte Adam Zimmerman, Rechtsprofessor an der Loyola Law School. Die erste Zahlung für den Vergleich erwartet der Vorstand noch in diesem Jahr. Bayer hat 2020 und 2021 jeweils maximal 5 Milliarden Dollar dafür eingeplant.
Das Geld soll unter anderem aus dem Mittelbestand, künftigen Überschüssen und dem Verkauf des Tiergesundheitsgeschäfts, das Bayer allein 7,6 Milliarden Dollar einbringen soll, kommen. Eine weitere Möglichkeit sind zusätzliche Anleiheemissionen. Dabei geht Bayer davon aus, sein Investment-Grade-Rating zu behalten. Auch die bisherige Dividendenpolitik soll beibehalten werden.
Die Monsanto-Übernahme belastet den Konzern seit zwei Jahren schwer, der Aktienkurs des einst wertvollsten Unternehmens im Dax brach seitdem um fast 30 Prozent ein. Der US-Staranwalt Ken Feinberg war im Mai 2019 als Vermittler bestellt worden und versuchte seither, eine außergerichtliche Einigung zu erreichen. Bislang hat der Konzern drei Glyphosat-Prozesse in erster Instanz verloren – mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen. Die Berufungsverfahren in diesen drei Fällen will Bayer weiter vorantreiben, sie sind nicht Teil des Vergleichs.
Glyphosat bleibt auf dem Markt
Die Vergleichsverhandlungen waren schwierig, weil Bayer Glyphosat auf dem Markt behalten, aber weitere Klagen in der Zukunft vermeiden wollte. Dieses Ziel sei nun erreicht worden, sagte Baumann. Glyphosat zählt weltweit zu den meistverwendeten Herbiziden. Um Produkthaftungsklagen zu dem Unkrautvernichter Dicamba beizulegen, zahlt Bayer bis zu 400 Millionen Dollar.
Das Herbizid war in die Schlagzeilen geraten, nachdem eine neue Zusammensetzung nach Aussagen von Landwirten zu erheblichen Schäden an deren Ernte führte. Das müssen die Kläger nun beweisen. Auch der mitverklagte Rivale BASF soll sich an dem Vergleich beteiligen. Etwa 820 Millionen Dollar kosten Bayer zwei Einigungen im Streit um die Auswirkungen von PCB auf Gewässer. Die Produktion der Chemikalie hatte Monsanto bereits 1977 eingestellt.
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